Dipl.-Ing. Gerhard Strothotte
1.1 Konkretisierung des ASiG durch die Unfallversicherungsträger
Nach dem Inkrafttreten des ASiG im Jahr 1974 haben Berufsgenossenschaften (BGen) und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (UVTs der öffentlichen Hand) die Anwendung des Gesetzes unabhängig voneinander durch Unfallverhütungsvorschriften (UVVen) konkretisiert. Einheitliches Vorgehen war somit zwar innerhalb einer Branche und eines Unfallversicherungsträgers gegeben, nicht aber branchenübergreifend. Das hatte zur Folge, dass je nach Branche und Unfallversicherungsträger gleichartige Betriebe ungleich behandelt wurden.
Ebenso unterscheiden sich die Anforderungen an Unternehmen im gewerblichen und öffentlichen Sektor. Während z. B. die öffentlichen Unfallversicherungsträger für Kleinbetriebe keine spezifischen Regelungen vorgesehen haben, existiert die Kleinbetriebsbetreuung mit verschiedenen Betreuungsmodellen bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften bereits seit Mitte der 1990er-Jahre.
Die Bezeichnung der UVVen lautete bei den BGen zunächst "Fachkräfte für Arbeitssicherheit" (VBG 122) und "Betriebsärzte" (VBG 123). Sie erhielten Mitte der 1990er-Jahre des letzten Jahrhunderts im Zuge der Einführung der Kleinbetriebsbetreuung die Bezeichnungen BGV A6 bzw. BGV A7. Nach einer Reform der Kleinbetriebsbetreuung wurden die UVVen ab dem Jahr 2005 zur BGV A2 "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit" zusammengefasst.
Bei den UVTs der öffentlichen Hand trug die UVV die Bezeichnung "Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit" und erhielt zunächst die Bezeichnung GUV 0.5 und mit Muster-UVV vom Juni 2003 die Bezeichnung DGUV-V 8 (bisher GUV-V A6/7). Die Eisenbahn-Unfallkasse führte im Jahr 2006 in Analogie zu den Regelungen bei den BGen mit der GUV-V A2 die Kleinbetriebsbetreuung ein.
Auswirkungen der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz
Die EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz (89/391/EWG), in Deutschland durch das Arbeitsschutzgesetz umgesetzt, hatte auf die Umsetzung des ASiG im Wesentlichen 2 Einflüsse:
- Die Ausbildung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit wurde entsprechend dem handlungsorientierten, systemischen Präventionsansatz der Rahmenrichtlinie neu geordnet; die neue Ausbildung wurde zum 1.1.2001 eingeführt und die Fachkundeanforderungen in den Unfallverhütungsvorschriften entsprechend angepasst.
- Zur Umsetzung von Art. 7 89/391/EWG wurde die Ausdehnung der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung auf alle Betriebe ab einem Mitarbeiter erforderlich.
1.2 Einführung der Kleinbetriebsbetreuung
Im Jahr 1992 wurden die BGen durch das damalige Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) aufgefordert, vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklungen in der damaligen EG nunmehr auch kleine und kleinste Unternehmen in die Betreuung nach dem ASiG einzubeziehen. Es lag zunächst nahe, die für mittlere und Großunternehmen geltenden Mindest-Einsatzzeitregelungen (sog. Regelbetreuung) auf kleine und Kleinstunternehmen zu übertragen. Entsprechende Regelungen wurden Mitte der 1990er-Jahre eingeführt.
Wie in anderen Staaten der EU stieß die Durchführung der Betreuungsmaßnahmen auch in Deutschland auf Probleme, teilweise sogar auf Widerstände. Diese lagen darin begründet, dass für die betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Dienstleister durch teilweise minimalste Einsatzzeitenkontingente unüberwindbare Schwierigkeiten auftraten, da die Beratungsleistung weder wirtschaftlich noch mit hinreichender Qualität erbracht werden konnte. Auch Unterschiede hinsichtlich unterschiedlicher Betreuungsanforderungen für gleichartige Betriebe riefen Widerstand hervor.
Reform der Kleinbetriebsbetreuung
Vor dem Hintergrund der dargestellten Erfahrungen hat das damalige BMA bereits im Februar 2002 den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) gebeten, gemeinsam mit den BGen konzeptionell abgestimmte Lösungen zur Beseitigung der in Kritik stehenden Regelungen zur Kleinbetriebsbetreuung zu entwickeln. Der Fachausschuss "Organisation des Arbeitsschutzes" (FA ORG) des HVBG erarbeitete deshalb in den Jahren 2003 und 2004 ein neues Konzept zur Kleinbetriebsbetreuung, das bei den BGen und der Eisenbahn Unfallkasse ab 2005 mit der BGV A2/GUV-V A2 eingeführt und anschließend evaluiert wurde.
1.3 Reform der Regelbetreuung für Betriebe mit mehr als 10 Beschäftigten
Die Genehmigung der BGV A2/der GUV-V A2 verband das damalige BMWA mit der Auflage, auch die Regelbetreuung der Betriebe mit mehr als 10 Beschäftigten zu reformieren. Die Reform sollte zum 1.1.2009 in Kraft treten. Entsprechende Reformforderungen enthielt auch ein Bundesratsbeschluss der Länder. Danach sollten bei einer Reform u. a. Leitlinien sein:
- Anpassung der vorgeschriebenen Einsatzzeiten an den tatsächlichen Bedarf vor Ort,
- Berücksichtigung der Gefährdungssituationen in den jeweiligen Betrieben und Verwaltungen,
- Stärkung der Verantwortung des Arbeitgebers im Rahmen der betriebsärztlichen und si...