Dipl.-Ing. Gerhard Strothotte
Zusammenfassung
Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) ist ein wichtiger Grundstein der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation. In den mehr als 35 Jahren seit dem Inkrafttreten des ASiG sind die das Gesetz konkretisierenden Unfallverhütungsvorschriften mehrfach reformiert worden. Eine bedeutende Reform wird mit der Einführung der Unfallverhütungsvorschrift "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit" (DGUV Vorschrift 2) vollzogen. Ab dem 1.1.2011 gibt es erstmals für Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand eine einheitliche und gleichlautende Vorgabe zur Konkretisierung des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG). Die Vorschrift beschreibt neben der erforderlichen Fachkunde vor allem die Aufgaben der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung sowie die verschiedenen Betreuungsmodelle. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Grundprinzipien der DGUV Vorschrift 2 und das darin enthaltene Verfahren zur Ermittlung des Umfangs der Betreuung durch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit.
Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) verpflichtet den Arbeitgeber, nach den im Gesetz enthaltenen Maßgaben Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen. Sie sollen ihn bei Arbeitsschutz und Unfallverhütung unterstützen. Diese Verpflichtung zielt darauf ab, dass die entsprechenden Vorschriften im Betrieb in geeigneter Weise – also insbes. betriebsspezifisch – angewandt, gesicherte arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Erkenntnisse in der betrieblichen Praxis berücksichtigt und Maßnahmen zum Arbeitsschutz insgesamt möglichst effektiv durchgeführt werden.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) können die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften, Unfallkassen) als autonomes Recht Unfallverhütungsvorschriften über die Maßnahmen erlassen, die der Unternehmer zur Erfüllung der sich aus dem ASiG ergebenden Pflichten ergreifen muss. Mit der Unfallverhütungsvorschrift zum ASiG konkretisieren die Unfallversicherungsträger die Anforderungen an die Fachkunde der Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie an den zur Erfüllung der gesetzlich bezeichneten Aufgaben erforderlichen Umfang der Betreuung. Mit der DGUV Vorschrift 2 liegt ab dem 1.1.2011 erstmals eine für alle Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand gleichlautende Vorschrift zur Konkretisierung des ASiG vor.
1 Vorgeschichte
1.1 Konkretisierung des ASiG durch die Unfallversicherungsträger
Nach dem Inkrafttreten des ASiG im Jahr 1974 haben Berufsgenossenschaften (BGen) und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (UVTs der öffentlichen Hand) die Anwendung des Gesetzes unabhängig voneinander durch Unfallverhütungsvorschriften (UVVen) konkretisiert. Einheitliches Vorgehen war somit zwar innerhalb einer Branche und eines Unfallversicherungsträgers gegeben, nicht aber branchenübergreifend. Das hatte zur Folge, dass je nach Branche und Unfallversicherungsträger gleichartige Betriebe ungleich behandelt wurden.
Ebenso unterscheiden sich die Anforderungen an Unternehmen im gewerblichen und öffentlichen Sektor. Während z. B. die öffentlichen Unfallversicherungsträger für Kleinbetriebe keine spezifischen Regelungen vorgesehen haben, existiert die Kleinbetriebsbetreuung mit verschiedenen Betreuungsmodellen bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften bereits seit Mitte der 1990er-Jahre.
Die Bezeichnung der UVVen lautete bei den BGen zunächst "Fachkräfte für Arbeitssicherheit" (VBG 122) und "Betriebsärzte" (VBG 123). Sie erhielten Mitte der 1990er-Jahre des letzten Jahrhunderts im Zuge der Einführung der Kleinbetriebsbetreuung die Bezeichnungen BGV A6 bzw. BGV A7. Nach einer Reform der Kleinbetriebsbetreuung wurden die UVVen ab dem Jahr 2005 zur BGV A2 "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit" zusammengefasst.
Bei den UVTs der öffentlichen Hand trug die UVV die Bezeichnung "Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit" und erhielt zunächst die Bezeichnung GUV 0.5 und mit Muster-UVV vom Juni 2003 die Bezeichnung DGUV-V 8 (bisher GUV-V A6/7). Die Eisenbahn-Unfallkasse führte im Jahr 2006 in Analogie zu den Regelungen bei den BGen mit der GUV-V A2 die Kleinbetriebsbetreuung ein.
Auswirkungen der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz
Die EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz (89/391/EWG), in Deutschland durch das Arbeitsschutzgesetz umgesetzt, hatte auf die Umsetzung des ASiG im Wesentlichen 2 Einflüsse:
- Die Ausbildung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit wurde entsprechend dem handlungsorientierten, systemischen Präventionsansatz der Rahmenrichtlinie neu geordnet; die neue Ausbildung wurde zum 1.1.2001 eingeführt und die Fachkundeanforderungen in den Unfallverhütungsvorschriften entsprechend angepasst.
- Zur Umsetzung von Art. 7 89/391/EWG wurde die Ausdehnung der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung auf alle Betriebe ab einem Mitarbeiter erforderlich.
1.2 Einführung der Kleinbetriebsbetreuung
Im Jahr 1992 wurden die BGen durch das damalige Bundesminis...