In einer arbeitsteiligen Wirtschaft entstehen neben einer großen Zahl von vertraglichen Beziehungen nicht minder viele Haftungsbeziehungen. Der Auftragnehmer haftet dem Besteller für eine fehlerfreie Durchführung des Auftrags. Die Mitarbeiter, die den Auftrag durchführen, haften – je nach ihren Verantwortungsbereichen – für ein ungefährliches Arbeitsumfeld. Aber auch die Arbeitnehmer haften gegenüber dem Arbeitgeber dafür, dass der Kunde und dessen "Schutzbefohlene" bei der Ausführung des Auftrags nicht zu Schaden kommen, weil letztlich der Firmen-Chef dem Kunden gegenüber für derartige Schäden einzustehen hat.
Noch komplexer wird dieses Beziehungsgeflecht, wenn Personenschäden bis hin zum dauerhaften Körperschaden entstehen und die gesetzliche Unfallversicherung mit einbezogen wird.
Das Prinzip der gesetzlichen Unfallversicherung beruht im Wesentlichen darauf, den allein beitragspflichtigen Unternehmer von Schadensersatzansprüchen seiner Mitarbeiter freizustellen, wenn diese bei der Arbeit zu Schaden kommen (Ablösung der Unternehmerhaftpflicht). Dies gilt im Prinzip auch, wenn Arbeitnehmer des gleichen Betriebs sich wechselseitig schädigen. Auch dann tritt die Unfallversicherung ein, damit ein Kollege nicht gegen den anderen oder gar gegen den (gemeinsamen) Arbeitgeber klagen muss.
Aber auch die Ausgleichspflicht der Unfallversicherung ist nicht uferlos, zumal sie als Solidarversicherung auch die Interessen all derer zu beachten hat, die über Jahre hinweg Versicherungsbeiträge zahlen, die dann für Nachlässigkeiten einer kleinen Minderheit wieder ausgegeben werden müssen. Auch wenn sie gegenüber dem Unfallopfer vorleistungspflichtig ist, muss die gesetzliche Unfallversicherung im Schadensfall gewissenhaft prüfen, ob sie das "vorgeschossene" Geld vom Unfallverursacher zurück erhalten kann.
Verschuldensmaßstab
In der Praxis entscheidet sich diese Frage am Verschuldensmaßstab beim Verursacher. Die Fälle der vorsätzlichen Schadensverursachung einmal ausgeklammert, geht es im Kern um die Frage: Welches Maß an Fahrlässigkeit muss sich der Unfallverursacher vorhalten lassen? Wurde die Grenze von der "normalen" zur groben Fahrlässigkeit überschritten mit der Folge, dass die Unfallversicherung den Verursacher in Regress nehmen kann.
Das OLG Oldenburg hat mit Urteil vom 24.2.2011 – 1 U 33/10 – geradezu "schulbuchmäßig" durchdekliniert, welche Prüfstationen durchlaufen und welche Detailfragen geklärt werden müssen, um zu dem für die Unfallversicherung günstigen Ergebnis zu kommen, dass sie nicht auf ihrer gesetzlichen Leistungspflicht sitzen bleibt, sondern sich das Geld bei einem Dritten wieder holen kann.
Wie diese Entscheidung erkennen lässt, verbergen sich hinter dem vergleichsweise simpel klingenden Begriff der "groben Fahrlässigkeit" eine Fülle von Detailüberlegungen und Prüfpunkten, die allesamt akribisch angesteuert werden müssen, bevor sich am Ende ein geschlossenes Bild ergibt für die Feststellung: Ja, hier wurde grob fahrlässig ein Schaden herbeigeführt.