Er hat auch subjektiv grob fahrlässig gehandelt. Die Frage der groben Fahrlässigkeit ist nach zivilrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Eine Inanspruchnahme des im Regelfall von der Haftung befreiten Schuldners im Wege des Schadenersatzes soll die Ausnahme bleiben. Ein Regress soll nur ausnahmsweise erfolgen, wenn es angesichts eines krassen Fehlverhaltens nicht mehr gerechtfertigt erscheint, die Folgen des Unfalls auf die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmen abzuwälzen (BGH Urteil v. 12.1.1998, VI ZR 158/87). Daher muss nach der einschlägigen Rechtsprechung auch eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (OLG Düsseldorf, Urteil v. 24.9.2003, 15 U 188/02). Dabei ist auch auf die Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit des Schuldners abzustellen (OLG Hamm, Urteil v. 20.1.1999, 13 U 84/98).
Erfahrung des Bauleiters
Das Urteil verweist auch auf die nicht unerhebliche Lebens- und Berufserfahrung des Baustellenleiters, der zum Zeitpunkt des Vorfalls 45 Jahre alt und bereits seit sechseinhalb Jahren als Baustellen- und Projektleiter für die Zeitarbeitsfirma tätig war. Ihm sei bewusst gewesen, dass es sich um Arbeitnehmer handelte, die durch berufspraktische Erfahrungen für den "ersten Arbeitsmarkt" qualifiziert werden sollten. Zudem habe er die Geschädigten persönlich gekannt. Er habe gewusst, dass sie keinerlei Erfahrung im Fällen von Bäumen oder im Umgang mit der Seiltechnik hatten. Über ihre Fähigkeiten im Umgang mit einem Kettenzug habe er sich nicht vergewissert. Auch habe er um die "Hau-Ruck-Mentalität" eines der beiden Geschädigten gewusst. Schließlich hätte er sich dazu veranlasst sehen müssen, die Fachkraft für Arbeitssicherheit hinzuzuziehen, da er erstmalig einen solchen Auftrag übernahm und ihm nicht bekannt war, ob Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten und welche Sicherungsmaßnahmen ggf. vorzunehmen seien.
Aufgrund vorstehender Umstände hat der Baustellenleiter in besonders evidenter Weise außer Acht gelassen, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Er kannte alle objektiven Umstände, aus denen die besondere Gefahr des Einsturzes des Schornsteins resultierte. Diese Gefahr war offensichtlich und hätte sich dem Baustellenleiter daher regelrecht aufdrängen müssen.
So hätte er zunächst erkennen müssen, dass er persönlich nicht hinreichend befähigt war, einen solchen Auftrag zu übernehmen. Der Baustellenleiter wusste aufgrund seiner Erfahrungen aus den Semesterferien, dass es sich beim "Flachlegen" von Bäumen mittels der Seiltechnik um eine gefährliche Tätigkeit handelte. Das Widerlager muss geeignet sein, um die auf das Seil ausgeübte Spannung auszuhalten. Die Gefahr, dass ein solch ungeeignetes Widerlager bei einer zu hohen Spannung oder einer zu niedrigen Anbringung des Seils nachgibt und dadurch Personen und Sachen zu Schaden kommen, hätte er aufgrund seiner Erfahrungen erkennen müssen. Eine solche Gefahr ist offenkundig.
Die geschilderte Gefahr wurde hier noch durch den Einsatz eines Kettenzuges verstärkt. Dadurch konnte leicht eine starke und damit übermäßige Spannung auf das Seil ausgeübt werden. Auch dies war dem Baustellenleiter bekannt, zumindest hätte es sich zwingend aufdrängen müssen. Angesichts dessen ist für jedermann erkennbar, dass solche Arbeiten nur von fachkundigen Personen geleitet werden dürfen, die insbesondere in der Lage sind, die Geeignetheit eines Widerlagers zutreffend zu beurteilen. Er wusste, dass er zuvor noch nie Arbeiter beim Fällen von Bäumen mittels der Seiltechnik angeleitet hat. Er selbst hat stets nur nach Anweisungen gehandelt, musste also nie eigenständig beurteilen, wann ein Widerlager geeignet ist. Aus diesem Grund hätte er eindeutig erkennen können und müssen, dass er den Auftrag nicht eigenverantwortlich ausführen durfte.
Mangelnde Eignung des Schornsteins
Auch die objektive Ungeeignetheit gerade dieses Schornsteins hätte sich ihm angesichts der äußeren Umstände aufdrängen müssen. Der Schornstein stand völlig frei. Das Haus, zu dem er einst gehörte, war bereits vollständig abgerissen. Auch war er nicht durch das Fundament des abgerissenen Hauses mit dem Erdboden verankert, sondern stand auf einem kleinen Restfundament.
Die geschilderte Gefahr, dass bei einer falschen Anbringung des Seils oder bei einer zu hohen Spannung statt des Baumes der Schornstein umstürzt, wird durch all diese Umstände erheblich und für jedermann erkennbar verschärft. Allein die Tatsache, dass es bei den Arbeiten am Vortag nicht zu einem Einsturz des Schornsteins kam, führt nicht dazu, dass der Baustellenleiter nunmehr von der generellen Eignung des Schornsteins zur Absicherung der Bäume ausgehen durfte. Er hätte in Betracht ziehen müssen, dass die Standfestigkeit des Schornsteins dadurch gelitten haben könnte oder dass andere Arbeiter durch eine weniger vorsichtige Arbeitsweise den Schornstein stärker beanspruchen könnten. Ein solches Fehlverhalten ist durchaus naheliegend....