Fortbildung gehört zu den Standardelementen von schulischen Entwicklungsprojekten. Vielfach steht sie an deren Beginn, um inhaltsbezogene Kenntnisse und Kompetenzen oder das für den Veränderungsprozess notwendige Know-how zu vermitteln. Nun zeigt sich, dass auch für Fortbildungsmaßnahmen ähnliches gilt wie für Change-Projekte: Sie werden nicht in das Alltagshandeln überführt.
Eine Studie des Swiss Centre for Innovations in Learning (Diesner et al., 2006) kommt zu dem Schluss, dass ca. 77 % der Weiterbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer der Transfer der Lernergebnisse in den individuellen Arbeitsalltag nicht gelingt (vgl. auch Gris, 2008). Dabei werden allein in die betriebliche Weiterbildung nach Lenske & Werner (2009) jährlich fast 27 Milliarden Euro investiert. Auch die Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte gilt als wenig nachhaltig (vgl. Lipowsky, 2010; Brower & Korthagen, 2005).
Vielleicht lässt sich dieser mangelhafte Transfer mit der optimistischen Gleichsetzung des Erwerbs von Kompetenzen mit ihrer Anwendung erklären, sodass der Anwendungsprozess nicht besonders kontrolliert wird und unbemerkt verkümmert.
Dies hat sicherlich mit der individuellen "Transferstärke" zu tun, d. h. mit der Fähigkeit einer Person, Lernerkenntnisse aus einer Fortbildung oder einer anderen Lernsituation in die Praxis zu übertragen (Koch, 2008). Sicherlich hängt es aber auch damit zusammen, dass Dozentinnen und Dozenten von Weiterbildungen die Verantwortung für die Übertragung des Vermittelten bzw. Gelernten in den Alltag allein auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verlagern. Das kann zur Folge haben, dass diese an ihren Fähigkeiten zweifeln, Kursinhalte in den Alltag zu transferieren, oder glauben, ihre Lebenssituation lasse Änderungen im Erleben und Verhalten nicht zu und sich künftig erst gar nicht mehr vornehmen, das Gelernte anzuwenden.
Damit Fort- und Weiterbildung tatsächlich wirksam wird, müssen die Kursteilnehmer selbst, die Dozenten und die Vorgesetzten am Arbeitsplatz ihre jeweilige Verantwortung für den Transferprozess wahrnehmen und untereinander abstimmen. Dabei sind drei Phasen zu berücksichtigen (Sieland & Heyse, 2010, S. 107 ff.).
Transfervorbereitung:
Transfer wird begünstigt, wenn die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer sich von vornherein im Klaren sind, was sie lernen und nach dem Kurs anders/besser machen wollen. D. h., sie sollten für sich Lernziele formuliert haben, ggf. arbeitsteilig im Projekt und in der Arbeitsgruppe, anstatt unvorbereitet einen Kurs zu absolvieren und anschließend zu reflektieren, was sie mit dem Gehörten/Gelernten anfangen können. Diese Änderungsabsichten sollten mit den Vorgesetzten abgestimmt und von den Kursleitern zur Kenntnis genommen und unterstützt werden.
Transferplanung:
Kursleiterinnen und -leiter sollten ihr Angebot passgenau auf diese Lernziele und Lernabsichten ausrichten und sicherstellen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer befähigt werden, das erforderliche Wissen, Können und auch Wollen für die Veränderung ihrer speziellen Situation mitzunehmen.
Transfersicherung:
Nach dem Seminar bedarf es kollegialer Unterstützung, Coaching und Kontrolle, damit das Gelernte zum Nutzen des Projektes angewendet wird (vgl. Sieland & Heyse, 2010). Hier stehen vor allem die Vorgesetzten in der Verantwortung. In dieser Zeit sollte das geänderte Verhalten zugelassen, bestärkt und gefordert werden, um die individuellen Transferabsichten zu stärken, und es sollten keine zusätzlichen Mehrbelastungen die Anwendung und Stabilisierung des Gelernten gefährden.
Tipp |
Analysieren Sie die letzten von Ihnen gestalteten bzw. besuchten Fortbildungen hinsichtlich dieser Aspekte! |
Eine weitere Möglichkeit zur Transfersicherung eines extern betreuten Projektes besteht in der virtuellen Anwendungsberatung durch ein Inter-/Intranet-Forum mit den Schwerpunkten:
- Inhaltliche Anwendungsberatung zur Förderung der fachlichen Kompetenz im Projekt
- Individuelle Anwendungsberatung zur Förderung der Umsetzungsmotivation sowie der Kompetenzen zum Umgang mit Erfolg und Misserfolg
- Organisationale Anwendungsberatung für Steuergruppen, Projektleitungen usw.
Die Forenmitglieder geben mit ihren Beiträgen zugleich Hinweise auf Stärken und Schwächen des Konzeptes und seiner Ausführung. Sie leisten damit eine begleitende Evaluationsberatung für die Organisation der Maßnahmen und für die Schulleitungen (siehe auch Sieland & Heyse, 2010).