Selbstgesteuertes Lernen von Mitarbeitenden

Es braucht nicht immer durchgetaktete Weiterbildungsprogramme: Mit selbstgesteuertem Lernen übernehmen Beschäftigte eigenständig die Verantwortung für ihre Lernprozesse. Welche Methoden gibt es und wie können Unternehmen ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen?

Die Halbwertzeit von Wissen wird immer kürzer – deshalb ist es wichtiger denn je, dass wir lebenslang weiterlernen. Dabei wissen viele Menschen selbst am besten, was sie gut können, wo sie Wissenslücken haben, wo welche entstehen werden und worüber sie aus persönlichem Interesse mehr erfahren möchten. Auch für Unternehmen hat es viele Vorteile, selbstgesteuertes Lernen in der Belegschaft zu fördern.

Was sind selbstgesteuerte Lernmethoden?

Selbstgesteuertes Lernen ist ein Lernprozess, bei dem die Lernenden selbstständig ihre Lernziele, Inhalte, Methoden und die Zeitplanung bestimmen. Sie entscheiden also selbst, was, wie, wann und in welchem Tempo sie lernen möchten. Diese Form des Lernens hebt sich von traditionellen Lehrmethoden ab, bei denen Dozenten, Trainerinnen oder Lehrkräfte den Lernprozess steuern. Stattdessen übernehmen die Lernenden eine aktive Rolle.

Der Begriff "selbstgesteuertes Lernen" wird häufig synonym mit den Begriffen selbstorganisiertes, selbstreguliertes oder selbstbestimmtes Lernen verwendet. Die Grundlage dafür bildet die Forschung des Psychologen Albert Bandura zur Selbstregulation. Bis in die 1970er Jahre ging man davon aus, dass vor allem die Intelligenz und Gedächtnisleistung eines Individuums über den Lernerfolg entscheidet. Doch aktuelle Studien zeigen: Es kommt vor allem auf Selbstmotivation, vorausschauende Planung und die Fähigkeit an, sich ein geeignetes Lernumfeld zu schaffen.

Die wichtigsten Merkmale selbstgesteuerten Lernens

  • Zielsetzung: Die Lernenden legen selbst ihre Lernziele fest. Sie entscheiden, welche Fähigkeiten oder Kenntnisse sie erwerben wollen.
  • Planung: Sie wählen ihre Lernmethoden, Ressourcen und die Zeitplanung eigenständig aus. Das können zum Beispiel Bücher, Online-Kurse, E-Learning-Plattformen oder Lern-Apps sein. Auch das Peer-Learning, bei dem sich Lernende in Gruppen austauschen und unterstützen, kann Teil eines selbstgesteuerten Lernprozesses sein.
  • Motivation: Da die Lernenden die Kontrolle über ihren Lernprozess haben, spielt intrinsische Motivation eine große Rolle. Wenn sie ihre Inhalte nach persönlichem Bedarf und Interesse auswählen dürfen, ist diese meist vorhanden.
  • Reflexion und Anpassung: Lernende analysieren ihren Fortschritt regelmäßig und passen ihren Lernplan bei Bedarf an. Dabei gilt es auch, Lernhindernisse zu überwinden, zum Beispiel, indem sich die Lernenden aktiv mit Fragen an Teammitglieder oder Vorgesetzte wenden, die sich mit dem Lernstoff auskennen.
  • Lernerfolgskontrolle: Die Lernenden kontrollieren ihre Erfolge auch meist eigenständig, zum Beispiel, indem sie sich selbst Prüfungen und Aufgaben setzen. Alternativ können sie sich Feedback von Kollegen oder Mentorinnen holen – oder sie wenden das erworbene Wissen direkt im Job an und stellen dabei fest, was sie beherrschen und wo noch Nachholbedarf besteht.

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Selbstgesteuertes Lernen in Unternehmen fördern

Unternehmen können einiges tun, um ihren Mitarbeitenden das selbstgesteuerte Lernen zu erleichtern. Dazu gehört vor allem, eine Lernkultur zu schaffen, die selbstorganisiertes Lernen unterstützt und wertschätzt. Arbeitgeber können ihren Beschäftigten dafür geeignete Lernressourcen zur Verfügung stellen, wie zum Beispiel eine Lernplattform, die den Zugang zu Webinaren, E-Books und interaktiven Kursen ermöglicht. Außerdem sollten die Mitarbeitenden ausreichend Zeit und Raum zum Lernen bekommen. Darüber hinaus können Mentoring-Programme und Peer-Learning-Initiativen sinnvoll sein. Diese unterstützen nicht nur den Wissensaustausch, sondern fördern auch die Vernetzung und Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens.

Auch die für selbstbestimmtes Lernen so wichtige Eigenverantwortung können Unternehmen aktiv fördern. Sie sollten Mitarbeitende ermutigen, ihre Lernbedürfnisse zu identifizieren und aktiv nach Möglichkeiten zur Weiterbildung zu suchen. Auch wenn es Teil von selbstgesteuertem Lernen ist, die Ziele selbst festzulegen, sollte klar kommuniziert werden, welche Skills wo benötigt werden – denn es fördert die Motivation, wenn die Lernenden bereits im Prozess wissen, wo und wann sie das Gelernte einsetzen können. Führungskräfte spielen hierbei eine zentrale Rolle, indem sie ihre Teams informieren, unterstützen, regelmäßig Feedback geben und dazu anregen, die Lernfortschritte mit Kolleginnen und Kollegen zu teilen.

Praktische Beispiele für selbstbestimmtes Lernen

Selbstbestimmtes Lernen kann in vielen Kontexten umgesetzt werden. Dazu zählen:

  1. Online-Kurse und MOOCs (Massive Open Online Courses): Lernplattformen wie Coursera oder Udemy bieten eine Vielzahl von Kursen zu unterschiedlichen Themen an. Lernende können diese Kurse in ihrem eigenen Tempo absolvieren und Inhalte nach ihren Interessen auswählen.
  2. Lernprojekte sind ein weiteres Beispiel für selbstgesteuertes Lernen. Hierbei setzen sich Lernende ein Ziel, wie zum Beispiel das Erlernen einer neuen Programmiersprache oder die Vorbereitung auf eine Zertifizierung. Sie planen den Lernprozess eigenständig, wählen geeignete Lernmaterialien und evaluieren ihren Fortschritt regelmäßig.
  3. Lesen und Recherchieren: Auch das selbstständige Lesen von Fachliteratur, Artikeln oder das Anhören von Podcasts fällt unter selbstbestimmtes Lernen. Lernende bestimmen hierbei die Themen, die sie interessieren, und eignen sich Wissen im eigenen Tempo an.
  4. In Peer-Learning-Gruppen treffen sich Gleichgesinnte, um gemeinsam an einem Thema zu arbeiten, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Diese Form des Lernens ist besonders effektiv, da sie den Austausch von Wissen und Erfahrungen fördert und gleichzeitig soziale Interaktionen ermöglicht.
  5. Durch Mentoring-Programme können Lernende von den Erfahrungen und dem Wissen erfahrener Kolleginnen und Kollegen profitieren. Das ermöglicht es den Lernenden, gezielt an ihren Schwächen zu arbeiten und Wissenslücken zu füllen.
  6. Selbstorganisierte Workshops: In vielen Unternehmen oder Bildungseinrichtungen gibt es die Möglichkeit, Workshops zu organisieren, bei denen die Teilnehmenden selbst die Themen und Inhalte festlegen. Das fördert nicht nur das selbstbestimmte Lernen, sondern auch die Kreativität und das Engagement der Teilnehmenden.

Die Vorteile von selbstorganisiertem Lernen

Selbstbestimmtes Lernen kann herausfordernd sein: Es erfordert viel Disziplin und Organisationsfähigkeit. Doch gleichzeitig fördert es die Fähigkeit, eigenverantwortlich zu arbeiten und Probleme selbst zu lösen. Das stärkt wiederum Kreativität und Selbstvertrauen.

Auch darüber hinaus hat selbstgesteuertes Lernen viele Vorteile: Wenn Mitarbeitende sich ihre Lernziele und Inhalte selbst zusammenstellen dürfen, sind sie meist intrinsisch motiviert, weil sie sich die Themen aussuchen, die sie wirklich interessieren. Wenn sie die Planung selbst in die Hand nehmen, können sie die Lernzeiten gut mit ihren beruflichen und privaten Terminen koordinieren. Mitarbeitende können sich ihre Lernpläne flexibel nach individuellen Stärken, Schwächen und Bedürfnissen zusammenstellen und gezielt an den für sie besonders relevanten Themen arbeiten. Ganz nebenbei sparen Unternehmen Geld: Es kostet meist mehr, externe Trainer und Dozentinnen zu engagieren, als den Mitarbeitenden Online-Kurse und Bücher zur Verfügung zu stellen.

Selbstgesteuertes Lernen erlaubt es Unternehmen und ihren Mitarbeitenden, schnell auf veränderte Anforderungen oder neue Technologien zu reagieren und die notwendigen Kompetenzen möglichst zeitnah zu entwickeln. Zwar sollte die Methode formale Weiterbildungen in Anleitung von Expertinnen und Experten nicht komplett ersetzen – aber sie ist eine ideale Ergänzung zu anderen Weiterbildungsangeboten.


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Schlagworte zum Thema:  Lernmethoden, Weiterbildung, Personalentwicklung