Zu Beginn eines Veränderungsvorhabens hängt die Veränderungsbereitschaft wesentlich davon ab, wie die Betroffenen die Erfolgschancen des Vorhabens einschätzen. Glauben die Lehrkräfte, dass das Projekt zu einer Verbesserung der eigenen Situation und/oder einer Verbesserung der Situation der Schule führt? Ist dies nicht der Fall, wäre eine Investition von Zeit und Energie sinnlos. Zudem beeinflusst die Einschätzung der Notwendigkeit der geplanten Veränderung die Veränderungsbereitschaft. Kommt eine Lehrkraft zu der Überzeugung, dass die Ziele eines Veränderungsvorhabens keine hohe Priorität und Dringlichkeit besitzen, wird sie ein Engagement als wenig lohnenswert erachten: Warum sollte etwas verändert werden, was als wenig oder gar nicht problematisch erlebt wird? Leidensdruck bzw. Unzufriedenheit mit dem Status quo sind wichtige Quellen der Veränderungsbereitschaft. Daneben kann auch ein attraktives Bild von dem zu Erreichendem Energien freisetzen und Veränderungsbereitschaft wecken. Wenn die Betroffenen eine plastische Vorstellung von dem angestrebten Zielzustand besitzen und diesen Zielhorizont als attraktiv und erreichbar bewerten, dann wird das Engagement für die Zielerreichung zur lohnenswerten Investition.
Für die Initiierung eines Veränderungsprojekts ist auch das Aufzeigen der ersten konkreten Umsetzungsschritte wichtig. Die Verantwortlichen sollten daher darlegen, welches die ersten Meilensteine sind und wie diese erreicht werden können. Dies stärkt die Zuversicht in die Realisierbarkeit der übergeordneten Vision (vgl. auch Nieskens & Schumacher, 2010).
Diese Überlegungen finden sich auch in der "Formula for Change" (Dannemiller & Jacobs, 1992):
U x V x E > W.
U = Unzufriedenheit mit dem Status quo
V = attraktive Vision des zu Erreichenden
E = erste konkrete Schritte auf dem Weg zur Realisierung der Vision
W = Widerstand
Wenn das Produkt aus U x V x E größer ist als W, dann entsteht Veränderungsbereitschaft und Wandel wird möglich. Die multiplikative Verknüpfung von U, V und E macht deutlich, dass alle diese Faktoren in möglichst hoher Ausprägung vorhanden sein müssen - eine geringe Ausprägung eines Faktors kann nur in Grenzen kompensiert werden.
Abbildung 4.2: Einflussfaktoren der Veränderungsbereitschaft zu Beginn eines Veränderungsvorhabens
In unseren Projekten zur Förderung der Lehrergesundheit hat sich gezeigt, dass die Veränderungsbereitschaft der Lehrkräfte unmittelbar von der Erfolgszuversicht und der wahrgenommenen Notwendigkeit von Veränderungen beeinflusst wird. Je stärker die Lehrkräfte Maßnahmen zur Förderung der Lehrergesundheit und Schulqualität als dringend notwendig erachten und je stärker sie an einen Erfolg solcher Maßnahmen glauben, umso so aufgeschlossener sind sie gegenüber dem Projekt und umso größer ist ihre Bereitschaft, sich in dem Projekt zu engagieren. Hierbei ist nicht allein der erwartete Gewinn für die eigene Person, sondern auch der erwartete Gewinn für die Schule ein gewichtiger Einflussfaktor.
Diese zentralen Dimensionen der Bewertung eines Veränderungsvorhabens werden wiederum von Merkmalen der Person und Merkmalen der Schule geprägt.