In den letzten Jahrzehnten hat sich ein ganzheitlicher und positiver Gesundheitsbegriff durchgesetzt. Im Vordergrund steht nicht mehr die Frage, was Menschen krank macht, sondern mehr und mehr die Frage danach, was sie gesund hält. In der Fachsprache wird dieser Blick auf Gesundheit auch "Salutogenese" genannt.
Definition: Salutogenese Salutogenese: Beschreibung von Faktoren, die zur Entstehung (Genese) und Erhaltung von Gesundheit führen. Pathogenese: Beschreibung von Faktoren, die zur Entstehung (Genese) und Erhaltung einer Krankheit führen. Der salutogenetische Ansatz beschäftigt sich, ganz im Gegensatz zur Pathogenese, nicht mit der Frage "Warum wird der Mensch krank?", sondern mit der Frage "Was hält den Menschen gesund?". |
Gesundheit ist dabei kein eindeutig definierbares Konstrukt; sie ist kaum fassbar und nur schwer zu beschreiben (Hurrelmann, Franzkowiak, 2011). Je nach zugrunde liegender disziplinärer Orientierung wird Gesundheit unterschiedlich definiert. Seit der Umschreibung in der Präambel der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1948 sind sich aber alle an der Gesundheitsforschung Beteiligten darüber einig, dass Gesundheit als multidimensional definiert wird: Sie umfasst körperliche, seelisch-geistige und soziale Anteile, die sich wechselseitig beeinflussen - in den späten 1990er Jahren wurden in Abschlussdokumenten zentraler Konferenzen und Versammlungen der WHO noch die ökologische und eine spirituelle (in der Bedeutung von "Lebenssinn") Dimension hinzugefügt (Hurrelmann & Franzkowiak, 2011). Gesundheit wird nicht als Zustand, sondern als "Stadium", als ein lebensgeschichtlich und alltäglich immer neu zu regulierendes Potenzial oder eine beständig aktiv herzustellende Balance verstanden.
Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens einer Person, der dann gegeben ist, wenn die Person sich im Einklang mit den körperlichen, seelischen, sozialen und kognitiven Bereichen ihrer Entwicklung, den eigenen Möglichkeiten, Zielen und den äußeren Lebensbedingungen, wie z. B. sozioökonomische Lage, Wohnbedingungen, Bildungsangebote, Arbeitsbedingungen und private Lebensformen, befindet.
Nach dem Verständnis der WHO von 2007 lässt sich unter psychischer Gesundheit ein Zustand des Wohlbefindens fassen, "[ ...] in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, und produktiv und fruchtbar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu seiner Gemeinschaft beizutragen".
Paulus (2006) versteht unter "psychischer Gesundheit" die Fähigkeit, sich kompetent mit den gesellschaftlichen Anforderungen auseinandersetzen zu können und im Leben auch eigene Wünsche, Bedürfnisse und Hoffnungen konstruktiv zu verwirklichen: Psychische Gesundheit als Balance von Selbsterhaltung (produktive Anpassung) und Selbstgestaltung (Selbstverwirklichung).
Information Die WHO versteht psychische Gesundheit als essenzielle Voraussetzung von Gesundheit: "There is no health without mental health". |
Gesundheit wird demnach in diesem Handbuch als Oberbegriff verstanden, der sowohl die körperliche als auch die psychische Gesundheit umfasst.
Wenn man nach heutigem Forschungsstand also die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz untersucht, werden neben den physischen Prozessen immer auch die psychischen Prozesse mit untersucht. Neuere Forschungen und Projekte fokussieren vor allem auch die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz und im Privatbereich. Gesundheit steht in enger Beziehung zur Handlungskompetenz und zur Persönlichkeitsentwicklung. Gesundheit ist ein positives Konzept, das die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen der Menschen ebenso betont wie deren körperliche Leistungsfähigkeit.
Information Gesundheit ist ein Zustand, der mit Wohlbefinden und Lebensfreude verknüpft ist. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass Menschen sowohl ihre eigene Lebensführung, als auch ihre Lebenswelt und Umwelt aktiv gestalten und verändern können. Dieser lern- und entwicklungspsychologische Zugang stellt die Selbstwirksamkeit der Person in den Vordergrund. Alltägliche Herausforderungen werden mit optimistischer Einstellung angegangen, die eigene Person in grundsätzlicher Weise angenommen (positives Selbstbild). Substrat des Gesundseins ist die erlebende, planvoll und zielgerichtet handelnde Person. |
Abbildung 2.1 stellt Gesundheit als dynamische Balance zwischen der Person und der Umwelt dar.
Abbildung 2.1: Gesundheit als dynamische Balance zwischen Person und Umwelt, Quelle: Barkholz, Israel, Paulus & Posse (1998, S. 29)
Gesundheit wird hier als lebenslange Entwicklungsaufgabe verstanden, als die immer neu zu findende Balance zwischen Person, sozialer Lebenswelt und Umwelt. Die Wechselwirkungen zwischen den Bereichen führen dazu, dass ein Absinken oder ein Anstieg des Gesundheitsniveaus in einem Bereich die jeweils anderen Bereiche entsprechend beeinflusst. Daraus folgt:
- Die Person steht nicht für sich allein, sie befindet sich in ständiger Interaktion mit ihrer materiellen und sozialen Umwelt. Gesundhei...