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Anliegen und Ziel der Broschüre
Während in der Vergangenheit meist die physische Gesundheit zum Erhalt der beruflichen Leistungsfähigkeit im Vordergrund stand, ist es angesichts grundlegender Veränderungen in der Arbeitswelt notwendig geworden, sich verstärkt auch mit der psychischen Gesundheit von Beschäftigten auseinanderzusetzen. Grund dafür sind unter anderem die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt: eine Beschleunigung des Arbeitshandelns, eine steigende Arbeitsintensität, die Verkürzung von Planungs- und Handlungszeiten sowie der zunehmende Einfluss von Kommunikations- und Informationstechnologien auf die Arbeit. Oftmals resultieren daraus Zeit-, Termin- und Leistungsdruck für Beschäftigte, Führungskräfte, Unternehmerinnen und Unternehmer. Hinzu kommen Anforderungen, die der demographische Wandel mit sich bringt.
Um dies alles bewältigen zu können, bedarf es zunehmend sowohl gesundheitserhaltender Arbeitsbedingungen als auch eines sozialkompetenten Führungsverhaltens.
Für eine menschengerechte Arbeitsgestaltung ist in erster Linie die Führungskraft verantwortlich, wobei sie partizipativ Beschäftigte als Expertinnen und Experten ihrer Tätigkeit in die Gestaltung der Arbeit einbeziehen sollte. Sie muss frühzeitig wahrnehmen, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in ihrem Leistungs- und Sozialverhalten verändern, denn verändertes Verhalten kann ein Anzeichen möglicher Überforderung und/oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen sein. Es gilt, rechtzeitig zu reagieren und den Betroffenen Hilfe anzubieten.
Der vorliegende Leitfaden will für das Thema "Beeinträchtigung psychischer Gesundheit" sensibilisieren und informieren. Führungskräfte sollen ermutigt und unterstützt werden, auf psychisch auffällige beziehungsweise beeinträchtigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuzugehen und diese anzusprechen. Er soll eine praktische Hilfestellung für den Umgang mit diesen Beschäftigten sein.
Gesunde Beschäftigte braucht jedes Unternehmen. Engagiertes, achtsames und mutiges Handeln der Führungskräfte kann dazu beitragen, dass Beschäftigte über ein gesamtes Arbeitsleben gesund, leistungsfähig und zufrieden sind.
Impressum
Herausgegeben von:
Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung e.V. (DGUV)
Glinkastraße 40, 10117 Berlin
Telefon: 030 13001-0 (Zentrale)
Fax: 030 13001-9876
E-Mail: info@dguv.de
Internet: www.dguv.de
Sachgebiet Psyche und Gesundheit in der Arbeitswelt
des Fachbereichs Gesundheit im Betrieb der DGUV
Dr. Fritzi Wiessmann (Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik
Telekommunikation); Heike Merboth (Unfallkasse Sachsen); Gudrun Wagner
(Berufsgenossenschaft Holz und Metall)
Fachliche Unterstützung zum Kapitel 6 "Arbeitsrechtliche Aspekte":
Herr Konrad Kraft (Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation); Frau Sabine Ernst (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung)
DGUV Information 206-030
zu beziehen bei Ihrem zuständigen Unfallversicherungsträger oder unter
www.dguv.de/publikationen Webcode: p206030
1 Psychische Auffälligkeiten und psychische Störungen
Problematik und Abgrenzung
Ist das veränderte Verhalten eines Mitarbeitenden nur eine vorübergehende Laune oder ein ernstzunehmendes gesundheitliches Warnsignal? Sind ihre oder seine Aggressionen ein Mangel an Selbstbeherrschung, die Folgen von erlebtem Stress oder eine Begleiterscheinung einer psychischen Störung? Handelt es sich bei der deutlich nachlassenden Leistung um eine Arbeitsverweigerung oder steckt eine Depression dahinter?
Jede Führungskraft, die sich solche oder ähnliche Fragen schon einmal gestellt hat, weiß, wie schwer es ist, darauf eine zufriedenstellende Antwort zu finden.
Der Übergang zwischen psychisch gesundem, psychisch beeinträchtigtem und psychisch krankem Verhalten ist oft fließend. Hinzu kommt: Was manche noch als normal bewerten, ist für andere schon auffällig, so dass die Einschätzung "gesund", "beeinträchtigt" oder "krank" nicht selten auch von der eigenen Sichtweise abhängig ist. Darüber hinaus sind psychische Beeinträchtigungen oder psychische Störungen häufig gesellschaftlich tabuisiert und werden mit persönlicher Schwäche, Unwilligkeit und gänzlicher Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt.
Je besser eine Führungskraft ihrer Aufgabe, ein Team zu leiten, gerecht wird, umso besser kennt sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und umso frühzeitiger kann sie deren Verhaltensveränderungen wahrnehmen und ansprechen. Spätestens handeln muss eine Führungskraft dann, wenn das Verhalten von Beschäftigten so auffällig ist oder wird, dass es den Arbeitsprozess beeinträchtigt und das Teamklima negativ beeinflusst.
Auffälliges Verhalten kann Ausdruck von psychischen Eigenheiten, psychischen Beeinträchtigungen oder psychischen Störungen sein. Führungsverantwortliche müssen unabhängig von dieser Unterscheidung im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht und Organisationsverantwortung eingreifen und für Abhilfe sorgen.
Um Führungskräften eine Hilfestellung zu geben, wie sie Verhaltensweisen ihrer Mitarbeitenden einordnen können, sollen die oben genannten Unterscheidungen nachfolgend näher beschrieben ...