Dr. jur. Edgar Rose, Prof. Dr. Jürgen Taeger
Die Regelungen zielen darauf, dass in umschlossenen Arbeitsräumen sowie in sonstigen Räumen (Sanitär-, Pausen-, Bereitschaftsräume, Kantinen, Erste-Hilfe-Räume und Unterkünfte) während der Nutzungsdauer ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden ist. Dabei sind gemäß Anhang 3.6 Abs. 1 der Nutzungszweck, die Arbeitsverfahren und physischen Belastungen sowie die Zahl anwesender Personen in Rechnung zu stellen. Konkretisiert wird Anhang 3.6 durch die ASR A3.6 "Lüftung". Daneben gelten für Fragen der Lüftung die Bestimmungen des Bauordnungsrechts. Werden am Arbeitsplatz Tätigkeiten mit Gefahrstoffen oder biologischen Arbeitsstoffen durchgeführt und können dabei Beschäftigte gefährdet werden, so gelten auch für Fragen der gesundheitlich zuträglichen Raumluft die speziellen Bestimmungen der Gefahrstoffverordnung und der Biostoffverordnung einschließlich der entsprechenden Technischen Regeln, Abschn. 2 ASR A3.6. Weitere Maßgaben sind der DGUV-R 109-002 "Arbeitsplatzlüftung – Lufttechnische Maßnahmen" zu entnehmen.
Lüftung bedeutet Erneuerung von Raumluft durch direktes oder indirektes Zuführen von Außenluft, die grundsätzlich als gesundheitlich zuträglich angesehen wird. Ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft ist gegeben, wenn die Luftqualität der Außenluftqualität entspricht, es sei denn, dass außergewöhnliche Umstände die Außenluftqualität unzulässig belasten oder erkennbar beeinträchtigen (z. B. durch starken Verkehr). In solchen Ausnahmefällen sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gesonderte Maßnahmen zu ergreifen (Abschn. 4.1 ASR A3.6). Die Atemluft muss frei von Schadstoffen sein. Insgesamt werden in Abschn. 4.1 ASR A3.6 drei Lasten unterschieden, die die Innenraumluftqualität beeinträchtigen können: Stofflasten, Feuchtelasten und Wärmelasten. Zu den Stofflasten zählen u. a. erhöhte CO2-Konzentrationen und Gerüche durch die Anwesenheit von Personen, Emissionen aus Bauprodukten, Lasten durch schlecht gewartete Lüftungstechnik oder durch Schimmel. Hohe Feuchtelasten beruhen auf Wasserdampfabgaben. Wärmelasten können v. a. durch Sonneneinstrahlung oder spezielle Arbeitsprozesse bedingt sein.
In Abschn. 4.1 ASR A3.6 wird die Regel aufgestellt, dass zur Beseitigung von Lasten folgende Reihenfolge einzuhalten ist:
- Last vermeiden,
- Last minimieren,
- Quelle kapseln,
- Last quellennah abführen.
Für bestimmte Lasten werden besondere Regeln aufgestellt. Sind die Beschäftigten oder sonstige anwesende Personen die Ursache für Stofflasten, so ist die CO2-Konzentration der Maßstab für erforderliche Lüftungsmaßnahmen. Abschn. 4.2 ASR A3.6 gibt in Tabelle 1 gezielte Maßnahmen bei Erreichen einer bestimmten CO2-Konzentration vor. Bei Belastungen durch Tabakrauch werden Rauchverbote mit baulich abgetrennten Raucherräumen (oder Rauchen im Freien) angeregt. Ist das Rauchen z. B. in Gaststätten zulässig, muss der Arbeitgeber besondere Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten ergreifen. Für Feuchtelasten wird in Tabelle 2 in Abschn. 4.3 ASR A3.6 eine maximale relative Luftfeuchtigkeit in Abhängigkeit von der Lufttemperatur vorgegeben.
Die erforderliche Lüftung ist anhand der betrieblichen Einzelfallumstände zu bewerten. Maßgeblich sind vor allem die angewandten Arbeitsverfahren (z. B. Luftverunreinigung durch Schweißarbeiten), körperliche Beanspruchung der Beschäftigten (z. B. stickige Raumluft durch erhöhte Körperausdünstung infolge schwerer Arbeiten) oder sonstige Einflussfaktoren, die sich auf die Qualität der Luft auswirken können. Durch angemessene Lüftung ist sicherzustellen, dass keine unzuträglichen Raumluftverschlechterungen auftreten. Nach Möglichkeit ist auf besondere Belange einzelner Personen (z. B. Asthmatiker) Rücksicht zu nehmen.
In der ASR A3.6 werden im Hinblick auf die Lüftung der Arbeitsräume Systeme der freien Lüftung und die Lüftung durch Raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) unterschieden. Zur freien Lüftung zählt die Fensterlüftung, Schachtlüftung, Dachaufsatzlüftung u. Ä. In Tabelle 3 in Abschn. 5.3 ASR A3.6 werden Mindestöffnungsflächen für die kontinuierliche freie Lüftung und für die Stoßlüftung vorgegeben. Im Anhang der ASR A3.6 wird die Anwendung dieser Tabelle auch durch Berechnungsbeispiele anschaulich gemacht.
In der Corona-Pandemie hat es zahlreiche Empfehlungen zu einer erhöhten Lüftungsfrequenz und zu einer Verbesserung der Raumlufttechnik gegeben. Geblieben ist davon nach Ende der Pandemie eine Ergänzung in Anhang 3.6 Abs. 2 Satz 1, mit der seit dem 1.1.2021 vom Gesetzgeber unterstrichen wird, dass raumlufttechnische Anlagen nicht nur funktionstüchtig, sondern auch nach Konstruktion und Auslegung die Anforderungen nach Abs. 1 erfüllen müssen. Sie müssen also geeignet sein, für ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft z. B. auch unter Bedingungen erhöhter Infektionsgefahr zu sorgen.
In Abschn. 6 ASR A3.6 finden sich detaillierte Vorschriften für den Betrieb, die Wartung und Prüfung von RLT-Anlagen. Dazu gehören auch Vorschriften, die i. S. von Anhang 3.6 Abs. 3 vor unzumut...