Dr. rer. nat. Ulrich Welzbacher
Tab. 1 fasst die verschiedenen Faktoren (soweit bekannt) noch einmal zusammen.
Sie zeigt die Unterschiede zwischen der Grenzwertfindung bei den verschiedenen Institutionen in Europa. Von daher ist es leicht einsichtig, dass eine Vereinheitlichung hier dringend geboten wäre.
Außerdem zeigen die Ausführungen, dass es durchaus kein leichtes Unterfangen ist, einen DNEL aufzustellen. Auch die Ermittlung von DNELs erfordert ein hohes Maß an toxikologischer Expertise, z. B.
- bei der Auswahl eines geeigneten Startpunktes,
- bei der Bewertung vorliegender toxikologischer Studien,
- bei der sachgerechten Anwendung der verschiedenen Extrapolationsfaktoren.
Diese Fachkenntnis wird i. d. R. nur bei großen Chemikalienproduzenten vorliegen (deren Toxikologen häufig auch in den nationalen oder übernationalen grenzwertsetzenden Gremien mitarbeiten, wie z. B. in der deutschen DFG-MAK-Kommission oder im europäischen SCOEL). Unternehmen ohne eigene toxikologische Fachabteilung werden hier häufig auf die Unterstützung externer Dienstleister angewiesen sein.
Land |
D |
NL |
EU |
Ausschuss |
AGS |
DFG |
GR |
SCOEL |
ECETOC |
JRC (REACH) |
ECHA-TGD |
Art des Grenzwertes |
AGW |
MAK |
HBROEL |
IOEL |
PNAEL |
DNEL |
DNEL |
Art der Extrapolation |
Extrapolationsfaktoren |
Zeitextrapolation |
systemisch |
sa→sc |
2 |
Expertenbeurteilung |
1 – 5 |
Experten-beurteilung |
2 |
3 |
3 |
sc→c |
2 |
2 |
2 |
2 |
sa→c |
6 |
? |
6 |
6 |
lokal |
sa→sc |
– |
1 – 5 |
2 |
3 |
3 |
sc→c |
2 |
2 |
2 |
2 |
sa→c |
6 |
? |
? |
6 |
Interspeziesextrapolation |
systemisch |
inhalativ |
1 |
1 |
1 |
1 |
1 |
oral |
bw0,75 |
bw0,75 |
bw0,75 |
2,5 × bw0,75 |
2,5 × bw0,75 |
lokal |
1 |
? |
? |
? |
1 |
Intraspeziesextrapolation |
5 |
10* |
3 |
3 |
5 |
5/10* |
Wegeextrapolation |
1 |
? |
? |
? |
? |
Zusatzfaktoren |
nein |
|
ja |
|
ja |
ja |
ja |
Legende: D = Deutschland; NL = Niederlande; EU = Europäische Union AGS = Ausschuss für Gefahrstoffe; DFG = Deutsche Forschungsgemeinschaft; GR = Gezondheitsraad (NL); SCOEL = Scientific Committee on Occupational Exposure Limits ("EU-MAK-Kommission"); ECETOC = European Centre for Ecotoxicology & Toxicology of Chemicals; JRC = Joint Research Centre (der EU in Ispra) ARW = Arbeitsplatzrichtwert; MAK = Maximale Arbeitsplatzkonzentration; HBROEL = Health-based Occupational Exposure Limit (Gesundheitsbasierter Arbeitsplatzgrenzwert); IOEL = Indicative Occupational Exposure Limit; PNAEL = Predicted No Adverse Effect Level; DNEL = Derived No Effect Level sa→sc = Umrechnung subakut → subchronisch; sc→c = Umrechnung subchronisch → chronisch; sa→c = Umrechnung subakut → chronisch ? = keine Information verfügbar; bw = body weight (Körpergewicht); * = Umrechnungsfaktor für die allgemeine Bevölkerung |
Tab. 1: Zusammenfassung von Extrapolationsfaktoren
Die Ausführungen zu den einzelnen Extrapolationsfaktoren zeigen auch, dass unterschiedliche Bearbeiter – selbst bei gleichem toxikologischen Ausgangspunkt und formal gleichen Faktoren – durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen (DNEL) gelangen können. Noch größer werden naturgemäß die Unterschiede, wenn aufgrund abweichender toxikologischer Bewertungen von unterschiedlichen Ausgangspunkten extrapoliert wird.
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass mit den Faktoren der ECHA-Leitlinie (REACH-Guidance Document "Guidance on information requirements and chemical safety assessment", Chapter R.8: Characterisation of dose [concentration]-response for human health) tendenziell etwas niedrigere Werte gefunden werden als nach den Faktoren in der BekGS 901, die der AGS zugrunde legt.
Erfahrungen mit "traditionellen" Luftgrenzwerten zeigen, dass selbst ausgewiesene Fachgremien bei derselben chemischen Substanz zu unterschiedlichen Grenzwerten kommen. Diese Aussage lässt sich z. B. anhand der GESTIS-Datenbank über internationale Luftgrenzwerte des Instituts für Arbeitsschutz der Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) leicht nachprüfen. Umso mehr ist mit solchen Abweichungen bei der Ableitung von DNELs zu rechnen, die von mehreren Registranten unabhängig voneinander vorgenommen werden. Zu den Konsequenzen daraus siehe "Rechtliche Bedeutung von DNELs".
Die Empfehlungen aus dem REACH-Guidance Document "Guidance on information requirements and chemical safety assessment, Chapter R.8: Characterisation of dose [concentration]-response for human health" enthalten jedoch zumindest einheitliche Kriterien für die Ableitung von DNELs aus geeigneten NOAELs. Natürlich wäre zu wünschen, dass auch die anderen Grenzwerte festsetzenden Institutionen in Europa sich an diesen Kriterien und Umrechnungsfaktoren orientieren.
Lieferanten/Registranten
- Ermitteln Sie die Stoffe, die Sie registrieren wollen und die Mengen, die Sie pro Jahr in Verkehr bringen.
- Bestimmen Sie die Stoffinformationen, die Sie entsprechend dem Mengenband bei der Registrierung vorlegen müssen und beschaffen Sie sich die entsprechenden Daten.
- Ermitteln Sie die Expositionsszenarien, die im gesamten Lebenszyklus der jeweiligen Stoffe (bei der Herstellung, der Weiterverarbeitung, der Verwendung – auch in Erzeugnissen! – und der Beseitigung) auftreten können und ermitteln Sie das Ausmaß der zu erwartenden Exposition.
- Sichten Sie die vorhandenen toxikologischen...