Ein Alterssimulationsanzug kann neben der konkreten alternsgerechten Ausrichtung von Arbeitsplätzen ergänzend oder einzeln an anderen Stellen eingesetzt werden, die jeweils einen engeren oder weiteren Bezug zum Arbeitsschutz haben.
4.1 Test von Gebäuden
Eine Einsatzmöglichkeit ist das "Testen" von Gebäuden, die von Menschen verschiedenen Alters frequentiert werden. Das können auch außerhalb des Arbeitskontextes Gebäude im öffentlichen Raum, wie Rathäuser, Gemeindezentren oder Krankenhäuser, sein. Bei der Planung werden zwar in aller Regel alle Vorschriften eingehalten, dies hat jedoch nicht automatisch zur Folge, dass die Gebäude für ältere Menschen bequem zu "benutzen" sind.
Was beispielsweise oft unterschätzt wird, ist die Fähigkeit, bestimmte Farbkontraste zu erkennen: Besonders die als besonders frisch und vital empfundene Farbgebung in Gelb- oder Orangetönen auf weißem Grund ist aufgrund mangelnden Kontrastes für ältere Menschen oft nur schwer zu lesen. Plakate und Anzeigetafeln, die in diesem Farbspektrum gestaltet wurden, sind kaum entzifferbar und führen zu Orientierungslosigkeit.
Eine Unfallquelle, die ebenfalls auf mangelnde Kontraste zurückzuführen ist, sind Boden-, Wand- oder auch Möbelfarben, die oft im Grau- oder Beige-Spektrum gestaltet sind. Das gilt für Bodenbeläge, Wandschränke, Teppichböden oder auch Treppenstufen.
Im öffentlichen Raum sind gelegentlich auch Automaten (Parkscheinautomaten), deren Bedienung für ältere Menschen schwierig ist, da z. B. Kontraste im Display nicht ausreichend groß oder Schriften zu klein gestaltet sind.
4.2 Sensibilisierung für die eigene Gesundheit
Auch fern vom konkreten Arbeitsplatz kann der Alterssimulationsanzug sinnvoll eingesetzt werden: Ein Workshop z. B. bietet Teilnehmenden die Möglichkeit, den Anzug einfach anzuziehen und sich – angeleitet – mit dem Gefühl des Alterns/Älterwerdens auseinanderzusetzen. Im Rahmen einer solchen Veranstaltung ist Gelegenheit, jene Faktoren zu beleuchten, die man in Bezug auf die eigene Gesundheit und das Altern selbst in der Hand hat und wie verantwortungsvoll man mit diesen umgeht.
Ganz einfache Beispiele aus dem Arbeitskontext sind das Anwenden (oder Ignorieren) einer Hebehilfe an einem Arbeitsplatz, an dem schwere Lasten mit einer gewissen Regelmäßigkeit bewegt werden müssen. Die Reflexion kann sich z. B. auch auf das konsequente Verwenden eines Lärmschutzes beziehen und sich gleichermaßen auf das Privatleben (Hören lauter Musik) erstrecken.
Insgesamt dient diese Sensibilisierung dem Bewusstmachen der eigenen, individuellen Verantwortung für die eigene Gesundheit und kann so – indirekt – die Akzeptanz von BGM-Maßnahmen erhöhen, bei denen ja oft eine eher niedrige Teilnahme oder Akzeptanz attestiert werden muss. Dies ist in Anbetracht der Tatsache, dass Unternehmen sich oft große Mühe geben, ein umfassendes Programm anzubieten (Gesundheitstage, Gesundheit-Check-ups, Rückenkurse, Entspannung durch Yoga oder autogenes Training), besonders relevant.
4.3 Führung vor dem Hintergrund des demografischen Wandels
Der demografische Wandel hat eine Verschiebung und Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung im Arbeitskontext mit sich gebracht: Die "Babyboomer", die die bevölkerungsstärksten Generationen des letzten Jahrhunderts stellen (von etwa Mitte der 1950er- bis Ende der 1960er-Jahre), sind die derzeit größte im Arbeitskontext vertretene Alterskohorte. Je nach Renteneintrittsalter kann es also gut sein, dass die Babyboomer im Arbeitsleben auf deutlich jüngere Führungskräfte treffen, die inzwischen in die Entscheiderpositionen gerückt sind.
Dies macht auf beiden Seiten eine Verständigung nötig, die auf der Seite der (jüngeren) Führungskraft durch den Einsatz eines Alterssimulationsanzugs gefördert werden kann: Einerseits kann durch den Praxiseinsatz (s. Abschn. 3) an einem konkreten Arbeitsplatz das Verständnis für die Einschränkungen und Schwierigkeiten gefördert werden, die ältere Mitarbeitende ggf. an diesem Arbeitsplatz erfahren und denen man durch Einsatz bestimmter Arbeitsmittel oder Einrichtungsmöglichkeiten entgegenwirken kann.
Das Verständnis für die "ältere Generation" kann jedoch auch in einem anderen Kontext gefördert werden: Durch das eingeschränkte Gesichtsfeld im Alter kann es sein, dass ältere Mitarbeitende beispielsweise den Kopf senken müssen, um den Boden vor sich gut wahrnehmen zu können. Dieser Gang ist einer jüngeren Führungskraft, die diese Einschränkung noch nicht hat, nicht vertraut und es kann zu einer Fehleinschätzung kommen: Der geneigte Kopf kann z. B. mit Demotivation oder mangelnder Energie in Verbindung gebracht werden.
Ähnliche "Missverständnisse" können in Besprechungssituationen auftreten, in denen aufgrund eingeschränkter Hochtonhörigkeit das Verfolgen eines munteren Gesprächs u. U. erschwert wird. Derjenige ältere Mitarbeitende, der unter dieser Einschränkung bereits "leidet", tut sich schwer, dem Gespräch zu folgen. Verständnisschwierigkeiten und fehlgeschlagene Absprachen sind die Folge.
Nach dem Einsatz des Alterssimulationsanzugs kann es sein, dass jüngere Führungskräfte geeignete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen,...