Zusammenfassung
Ein Alterssimulationsanzug dient dazu, dem Träger die typischen Einschränkungen, die mit steigendem Alter einhergehen, erfahrbar zu machen. Alterssimulationsanzüge wurden ursprünglich für den Einsatz in medizinischen und Pflegeberufen eingesetzt und sollten bei der Ausbildung von Personal dazu beitragen, sich besser in ältere Patientengruppen einfühlen zu können. Für den betrieblichen Kontext hat sich eine Reihe weiterer Einsatzmöglichkeiten herauskristallisiert, die in diesem Beitrag erläutert werden sollen.
1 Bestandteile des Anzugs
Alterssimulationsanzüge gibt es von verschiedenen Herstellern. Ihnen ist gemeinsam, dass sie die gängigen Alterseinschränkungen simulieren. Diese sind z. B.
- Eintrübung der Augenlinse,
- Einengung des Gesichtsfelds,
- Hochtonschwerhörigkeit,
- Einschränkung der Kopfbeweglichkeit,
- Gelenkversteifung,
- Kraftverlust,
- Einschränkung des Greifvermögens,
- Einschränkung des Koordinationsvermögens,
- nachlassendes taktiles Empfinden.
Die Einschränkungen werden durch verschiedene Elemente, wie z. B. Kopfhörer, Brillen, Gelenkbandagen, am Körper verteilte Gewichte bzw. eine Gewichtsweste, Handschuhe und eine Art "Halskrause", simuliert (s. Abb. 1). In modular aufgebauten Anzügen können auch nur einzelne Teile verwendet werden oder Gewichte aus der Weste entfernt werden. Auf diesem Weg sind die Anzüge für Personen jeder Körperstatur anpassbar.
Abb. 1: Der Alterssimulationsanzug mit seinen einzelnen Elementen
Die Effekte des Anzugs wirken beim Tragen in verschiedenen Richtungen: Zum einen wird durch die Einschränkung von Seh- und Hörvermögen die Raumwahrnehmung eingeschränkt und es stellt sich ein gewisses Gefühl der Orientierungslosigkeit ein. Darüber hinaus sind Situationen, in denen man gut hören muss (wie z. B. in Gesprächsrunden mit mehreren Personen) anstrengend, ebenso wie Situationen, die das Sehen fordern (feinmotorische Aufgaben).In beiden Fällen ist zum Erreichen der gleichen Arbeitskraft mehr Konzentration nötig und da dieses höhere Level an Konzentration nicht beliebig lange gehalten werden kann, ermüdet man schneller bzw. schleichen sich Fehler ein, die sich negativ auf die Arbeitsqualität auswirken.
Durch die Gewichte und die Bandagen an den Gelenken sind zwar alle Bewegungen möglich wie zuvor, sie sind jedoch viel mühsamer und aufwendiger und es stellt sich schneller ein Effekt von Ermüdung und Kraftlosigkeit ein.
2 Die Veränderung des Alternsbegriffs
In der Forschung wurden einige Erkenntnisse über den Alterungsprozess gewonnen, die in die Entwicklung der Alterssimulationsanzüge eingeflossen sind. Um zu wissen, wie "alt" man ist, wenn man einen dieser Anzüge trägt, ist ein wenig Grundwissen über Alterungsprozesse nötig. Die wichtigste Erkenntnis aus diesem Bereich lautet: Altern verläuft bei Menschen extrem unterschiedlich und die Bandbreite ist sehr groß. Dabei muss das biologische Alter nicht unbedingt dem kalendarischen Alter entsprechen. Alternsforscher haben herausgefunden, dass ein Mensch, der z. B. 45 Jahre alt ist, körperlich Merkmale eines 30-Jährigen aufweisen kann. Umgekehrt kann ein Mensch in einem körperlich "älteren" Zustand sein, als es seinem Alter entsprechen würde.
Woran liegt das?
Die Faktoren, die den Alterungsprozess beeinflussen, sind neben der genetischen Veranlagung Aspekte, wie Ernährung, Sport, Stress und Stressbewältigungsmechanismen, das Erleben von psychischen oder physischen Erkrankungen sowie das soziale Umfeld. Außerdem hat sich im Laufe der letzten 100 Jahre der typische Ablauf eines Lebens in unserer Gesellschaft in Mitteleuropa stark verändert – viel stärker individualisierte Lebensverläufe sind das Ergebnis.
Je weiter zurück in der Zeit man blickt, umso eher waren Arbeitsplätze stark körperlich beanspruchend, sei es nun durch die Tätigkeit wie z. B. in der Landwirtschaft oder seit Beginn der Industrialisierung in Fabriken und Produktionsanlagen. Somit war es klar, dass ein Mensch mit beispielsweise 60 Jahren mit viel höherer Wahrscheinlichkeit schon unter körperlichen Einschränkungen oder Erkrankungen zu leiden hatte, als dies heute der Fall ist. D. h. nicht, dass es nicht auch heute noch körperlich stark beanspruchende Tätigkeiten gibt. Sie sind nur weniger häufig und durch Aspekte des Arbeitsschutzes ist das Bemühen viel stärker als früher, negativen Beanspruchungsfolgen entgegenzuwirken.
All dies bedeutet in Summe, dass heute überhaupt nicht mehr gesagt werden kann, wie es um die Gesundheit des "typischen 60-Jährigen" beispielsweise bestellt ist: Es kann jemand sein, der mit einer robusten Gesundheit ausgestattet war, wenig schädlichen Einflüssen im Arbeitsleben ausgesetzt war und sich durch Sport und gesunde Ernährung fit gehalten hat. Gleichermaßen kann jemand im selben Alter schon durch mehrere Krankheitsverläufe stark in seiner Gesundheit angegriffen sein, z. B. einen Unfall erlitten haben, und so deutlich weniger belastbar und fit in Bezug auf seine gesamte Konstitution sein.
Sprachliche Sensibilität
Die Spannbreite, wie fit oder gesund jemand im "Alter" ankommt, ist immens groß, weshalb es im...