So werden aktive Arbeitspausen zur Routine
Bürobeschäftigte in Deutschland sind in Sachen Bewegungsmangel ganz vorne dabei: Täglich werden im Schnitt 9 bis 13 Stunden sitzend verbracht. Tendenz steigend. Und mit Blick auf unsere digitale Zukunft kann man jetzt schon davon ausgehen, dass künftig noch mehr Stunden auf dem Bürostuhl verbracht werden. Das kostet nicht nur Lebenszeit, das geht auch zu Lasten der Lebensqualität. Tatsächlich hat ein Großteil der Zivilisationskrankheiten unserer modernen Gesellschaft ihren Ursprung in der sitzenden Lebensweise. Häufiges Sitzen verändert den gesamten Haltungs- und Bewegungsapparat. Durch diese Veränderungen kommt es zu ständigen Fehlbelastungen kommt, die mittelfristig mit Verspannungen und Schmerzen einhergehen und sogar Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen auslösen können.
Schlechte Gesundheitsbilanz für Bürojobs
Das klingt unglaubwürdig? Dann werfen Sie gerne einen Blick auf die Ergebnisse internationaler Studien, die ein zunehmend düsteres Szenario in Aussicht stellen. Unglaublich, aber wahr: Der Bürojob wird auch unter körperlichen Gesichtspunkten als ebenso schädlich eingestuft, wie das dauerhafte Heben und Tragen schwerer Lasten. Das ist jedoch nur den wenigsten Menschen bewusst.
Dabei ist es ganz logisch: Der Körper wird im Büroalltag quasi dauerhaft "geparkt", während vom Gehirn ständig Spitzenleistungen erwartet werden. Selbst engagierte Menschen, die täglich Sport treiben, aber auch unterstützende Unternehmen, die Betriebssport und aktive Mittagspausen mit Yoga, Fitness oder Massage anbieten, schöpfen bei weitem nicht das volle Potenzial aus.
Insbesondere die Tatsache, dass nicht einmal tägliches umfangreiches Sporttreiben einen adäquaten Ausgleich bietet, mahnt zum Umdenken. Deswegen vertrete ich die These, dass die Büros von heute die Turnhallen von morgen werden sollten. Es geht um nichts weniger als darum, das körperliche Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden zu fördern. Dieses Thema sollten Sie auf gar keinen Fall aussitzen, sondern sich am besten neu aufstellen!
Die Fit-Formel für eine schmerzgeplagte Belegschaft
Das Gute dabei: Wer sich um die Gesundheit seiner Belegschaft sorgt, muss keine Unsummen investieren. Manchmal reicht es schon, an kleinen Stellschrauben zu drehen und Angebote zu machen, die sich an den Bedürfnissen der Belegschaft ausrichten. Den größten Nutzen bringen Übungen vor allem dann, wenn sie konsequent in den Unternehmensalltag eingebunden werden. Hier lautet die beste Nachricht: Wenn die Belastungen des Sitzens die kritische Grenze für die Gesundheit noch nicht überschritten haben, kann noch mit wenig Aufwand ein Ausgleich geschaffen werden. Dafür habe ich die 3x3-Formel entwickelt. Mit dieser Formel, bei der drei Unterbrechungen von drei Minuten Dauer bereits erhebliche Verbesserungen für den Alltag bringen, können Sie und Ihre Mitarbeitenden viel erreichen. Die Übungen dazu finden Sie weiter unten.
Tipps für Führungskräfte: Beschäftigte aus der Sitzroutine befreien
Hier finden Sie ein paar Handlungsempfehlungen, wie Sie Mitarbeitende ermuntern können, aus ihrer "Sitzroutine" auszubrechen:
Zeigen Sie auf, wie schädlich Sitzen eigentlich ist. Es weiß nämlich kaum jemand, welche Belastungen die ständige Arbeit am Schreibtisch für den Körper hat.
Bieten Sie konkrete Übungsangebote am Arbeitsplatz mit Anleitung an. Sie erleichtern die direkte Umsetzung. Gleiches gilt für gelegentliche gemeinsame Einheiten, die dem Mitarbeitenden die Verantwortung für die Umsetzung abnehmen.
Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Nehmen Sie als Führungskraft selbst an entsprechenden Angeboten teil und unterstreichen Sie in Gesprächen deren Wichtigkeit. Vermeiden Sie es in jedem Fall, die Übungen und Angebote als nebensächlich zu bezeichnen oder anderweitig abzuwerten.
Es kommt auf die richtige Botschaft an: Mitarbeitende sollen nicht den Eindruck gewinnen, dass man sie gängeln möchte. Im Gegenteil: Vermitteln Sie Ihrer Belegschaft, dass es Ihnen ausschließlich um deren Gesundheit geht. Vielleicht so? Sie möchten gerne, dass die Mitarbeitenden die Zeit, in der sie für Sie aktiv sind, mit einem hohen Wohlbefinden und einer guten Energie verbringen.
Praxis-Tipp: So bringen Sie Ihre Beschäftigten in Bewegung
Die folgenden Tipps lassen sich leicht in den Arbeitsalltag einbinden, um trotz Schreibtischarbeit in Bewegung zu bleiben:
Raus an die Luft: Wer im Homeofficece arbeitet, kann den Weg zur Arbeit quasi simulieren. Das heißt, man geht vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende oder in der Mittagspause spazieren.
Zwischen Sitzen und Stehen wechseln: Das geht auch ohne speziellen Tisch, beispielsweise, in dem man den Laptop zwischendurch auf das höhenverstellbare Bügelbrett stellt. Wer nicht im Homeoffice, sondern im Büro arbeitet, hat dort möglicherweise sogar einen Stehtisch. Nutzen Sie ihn! Auch Sitzbälle können zwischendurch für Entlastung sorgen. Und wer leicht vergisst, die Position zu wechseln, kann sich den Handy-Wecker stellen.
Planen Sie "Walk&Talk"-Meetings ein: Das heißt, Sie führen eins-zu-eins-Besprechungen im Gehen durch. Das funktioniert zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden, aber auch zwischen Kollegen. Das bietet sich vor allem dann an, wenn kein Rechner gebraucht wird, um Inhalte zu teilen.
Gestalten Sie Meetings aktiv – warum nicht zwischendurch ein paar Dehnübungen machen? Oder führen Sie Gespräche stehend durch. Das hat häufig zudem den positiven Nebeneffekt, dass sie kompakter geführt werden.
Und das Beste an diesen leicht umzusetzenden Vorschlägen: Auch das Gehirn profitiert. Durch die körperliche Bewegung – die teils sogar an der frischen Luft stattfindet – werden die grauen Zellen auf Trab gehalten. Gleichzeitig wird die Anpassungsfähigkeit an neue Situationen sowie das logische Denken gesteigert. Sie unterstützt zudem die Ausschüttung von Wachstumsfaktoren wie BDNF (brain derived neurotrophic factor), die die Neubildung von Verknüpfungen im Gehirn und Gehirnzellen unterstützen. Gleichzeitig fördert Bewegung die Gehirnkreisläufe und schärft die Denkfähigkeit. Das kann die Alterungsprozesse verlangsamen oder gar umkehren.
Drei Impulse für Arbeitspausen, die den Bewegungsmangel kompensieren
Wenn Sie noch mehr für sich und Ihre Angestellten tun möchten, dann geben Sie Ihren Mitarbeitenden die folgenden Übungen an die Hand. Der Aufwand ist gering und die drei Unterbrechungen der Arbeitszeit à drei Minuten mindern die Belastungen durch Stress und Sitzen. Die Mühe lohnt sich, das belegen diverse Studien. Auch hier gilt: Übung macht den Meister. Einfach ein paar Mal durchführen, dann laufen sie wie von selbst ab. Verabreden sich die Beschäftigten gemeinsam dazu – auch per Teams- oder Zoom-Konferenz - macht es noch mehr Spaß, stärkt das Teamgefühl und hilft darüber hinaus, die Übungen zur festen Routine zu machen.
Impuls für den Körper: Übung "Skifahrer"
Das Ziel dieses Impulses ist die Aktivierung des Stoffwechsels und die Kräftigung der Bein- und Gesäßmuskeln.
Anleitung: Ausgangsstellung ist ein hüftbreiter Stand. Die Fersen stehen fest am Boden. Die Knie zeigen in Richtung der Fußspitzen. Die Arme hängen entspannt neben dem Körper. Der Oberkörper ist aufgerichtet.
Mit Übungsbeginn der ersten Phase wird eine lockere Wipp-Bewegung aus den Oberschenkeln heraus gemacht. Der Po schiebt nach hinten, so dass der Oberkörper leicht vorgeneigt werden kann. Eine "stolze Brust" sorgt automatisch für einen gestreckten Rücken. Das Wippen erwärmt die Muskeln und zeigt den Intensitätsgrad für die folgenden Phasen. In einer kurzen Unterbrechung aufrichten und kurz im Zehenstand wippend auslockern.
In der zweiten Phase wird eine tiefere Kniebeuge gewählt, das schnelle Auf- und Abwippen könnte eine Buckelpiste imitieren. Die Fersen bleiben fest auf dem Boden, der Po schiebt nach hinten, der Rücken ist gestreckt, wenn auch leicht vorgeneigt. Kurzes Verschnaufen beim Auslockern im Zehenstand.
In der dritten Phase wird eine der persönlichen Intensität angepasste Beugeposition gewählt. Anfänglich wieder schnell wippen und zum Ende größere Bewegungen ähnlich dynamischer Kniebeugen durchführen. Abschließend noch einmal auslockern.
In Phase zwei und drei können durch den Einsatz der Arme die Brustmuskeln gekräftigt oder eine sanfte Stärkung der oberen Rücken- und Nackenmuskeln durchgeführt werden.
Hier finden Sie die Anleitung zur Übung "Skifahrer" als Video.
Impuls für den Geist: Übung "Hirnergy"
Ich habe diesen Impuls in Anlehnung an die Methode von John Grinder erarbeitet. Das Ziel ist eine Verbesserung der Konzentration. Für Hirnergy gibt es hunderte Varianten mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden und den unterschiedlichsten Aktivierungsformen. Die teilweise koordinativen Aufgaben und deren alltagsuntypische Ausführungen lösen eine neuartige Stimulation im Gehirn aus und können vorherige psychische Alltagsbelastungen ausblenden.
Anleitung: Die erste Variante ist denkbar einfach. Die Zahlen werden laut ausgesprochen. Die Buchstaben an den Zahlen stehen für Bewegungen, die parallel zur ausgesprochenen Zahl ausgeführt werden.
R = Strecken des rechten Arms zur Decke.
L = Strecken des linken Arms zur Decke.
B = Strecken beider Arme zur Decke.
In einer zweiten (anspruchsvolleren) Variante können kreuz-koordinative Bewegungen durchgeführt werden, die verstärkt beide Hirnhälften aktivieren.
Die grundsätzliche Ausführung bleibt identisch, während die Bewegungen wie folgt angepasst werden:
R = Strecken des rechten Arms zur Decke und heben des linken Knies zur Brust.
L = Strecken des linken Arms zur Decke und heben des rechten Knies zur Brust.
B = Strecken beider Arme zur Decke und entweder Kniebeuge oder kleiner Strecksprung.
Hier finden Sie die Anleitung zur Übung "Hirnergy" als Video.
Impuls für die Seele: Übung "Siegerpose"
Ziel dieser Übung ist, einen emotionalen Ausgleich und eine kurze Verschnaufpause - mit Fokus auf die Verstärkung positiver Gefühle - zu schaffen. Der Übungsbereich "Seele" ist mit sehr vielfältigen und typspezifischen Inhalten bestückt, um den individuellen Vorlieben gerecht zu werden: Von Atemübungen über Körperposen mit emotional-biochemischer Wirkung bis hin zu Trigger-Stimulationen und Gedankenreisen.
Anleitung: Ausgangsstellung ist ein hüftbreiter Stand. Die Arme hängen entspannt neben dem Körper. Der Oberkörper ist aufgerichtet. Begonnen wird mit ein paar tiefen Atemzügen. Idealerweise werden dabei die Augen geschlossen und bleiben es auch während der gesamten Übung.
Phase 1: Übergang zu einer gleichmäßigen Atmung und einer sukzessiven Entspannung des Körpers mit jeder Ausatmung. Die Schultern sinken herunter, die Stirn wird glatt, die Hände ganz weich.
Phase 2: Am Ende der gleichmäßigen Atmung erfolgt eine kurze Atempause von einer Sekunde, bevor ganz automatisch wieder eingeatmet wird. Die Phase 2 dauert etwa 60 Sekunden beziehungsweise 15 Atemzüge.
Phase 3: Rückkehr zur gleichmäßigen Atmung. Vorstellung einer Situation, die mit besonderer Freude oder Stolz beseelt, wie ein Moment mit der Familie, eine Urlaubserinnerung, oder ein beruflicher Erfolg. Dieser Moment wird vor dem inneren Auge erneut erlebt.
Übergang in Phase 4: In dieser Vorstellung und im Erleben dieses besonderen Moments werden die Arme in die Siegerpose Richtung Decke oder Himmel gestreckt, die Hände sind zu Fäusten geballt. Die positiven Emotionen werden aufgesogen. Die Pose wird für etwa 45 bis 60 Sekunden gehalten.
Ausklang mit drei bis vier tiefen Atemzügen. Konservieren des positiven Moments und Mitnahme ins Hier und Jetzt. Dann sanft die Augen öffnen.
Hier finden Sie die Anleitung zur Übung "Siegerpose" als Video.
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