Gleichstellungsindex: Gleichstellung EU-Länder im Vergleich

Der europaweite Wert für die Gleichstellung der Geschlechter liegt bei 71 (von insgesamt 100). Das ist ein Anstieg um 0,8 Prozentpunkte zum Vorjahr. Deutschland hat sich mit 72 Punkten um einen Rang auf Platz 10 verbessert.

Der kürzlich veröffentlichte  Gleichstellungsindex des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE)  zeigt weiterhin positive Entwicklungen. Insgesamt hat sich das Tempo jedoch stark verringert, sodass der Anstieg der Gesamtpunktzahl in diesem Jahr deutlich kleiner ausfällt als im Vorjahr. Deutschland ist damit zum ersten Mal seit vier Jahren wieder der Aufstieg unter die ersten zehn Länder gelungen.

Vor dem Hintergrund politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten warnt die Agentur vor Selbstzufriedenheit angesichts dieser bescheidenen Fortschritte. "Eine inklusive und gleichberechtigte EU bleibt in weiter Ferne und ungewiss, wenn die Mitgliedstaaten der Gleichstellungsproblematik inmitten sich verändernder politischer und wirtschaftlicher Agenden keine Priorität einräumen", erklärt die Direktorin des EIGE, Carlien Scheele. "Für die Politiker und Entscheidungsträger in der EU geht es letztlich um die Entscheidung, sich entweder voll auf das Ziel der Geschlechtergleichstellung zu verpflichten oder strukturelle Ungleichheiten bestehen zu lassen. Wir müssen ein für alle Mal erkennen, dass die Gleichstellung der Geschlechter eine Lösung für unsere größten gesellschaftlichen Herausforderungen ist. Für den Aufbau stärkerer und solidarischerer Gesellschaften."

EU-Gleichstellungsindex: Schweden, Dänemark und Niederlande an der Spitze

Die Spitzenreiter des Index heißen – wie schon seit 11 Jahren – Schweden, Niederlande und Dänemark. Doch der Schein trügt: Zwar haben sie einen gewissen Vorsprung vor den anderen Ländern, doch entweder stagnieren sie auf einem gewissen Niveau oder sie haben sich in einigen Bereichen sogar verschlechtert. Das zeigt anschaulich, dass bisherige Errungenschaften nicht als selbstverständlich zu betrachten sind. Bei der Gleichstellung der Geschlechter gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern: Sie reichen von 82 Punkten (im Jahr 2023 waren es noch 82,2) in Schweden bis 57,5 Punkten in Rumänien (ein Plus von 1,4 Punkten seit dem Index 2023).

Die größten Fortschritte seit 2023 wurden in Malta erzielt (ein Plus von 2,3 Punkte), gefolgt von Tschechien und Litauen mit einem Anstieg von 2 bzw. 1,7 Punkten. Die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten – insgesamt 13 Länder – erreichen Werte über 70 Punkte, allein Schweden hat es im Index über die 80-Punkte-Marke geschafft. "Bei diesem Tempo bleibt die EU-Vision einer 'Union der Gleichstellung' in weiter Ferne", kommentieren die Autoren der Studie.

Wo Gleichstellung in Deutschland gelingt – und wo nicht

Deutschland liegt mit 72,0 Punkten auf Platz 10 und hat sich damit im Vergleich zum Index 2023 nicht nur um 1,2 Punkte verbessert, sondern ist auch im Ranking um einen Platz nach oben gewandert. Damit hat es Deutschland zum ersten Mal seit vier Jahren wieder unter die zehn Länder mit den höchsten Indexwerten geschafft. Zum Tragen kommt dabei jedoch auch, dass der Fortschritt sich in anderen Ländern verlangsamt hat oder teilweise sogar rückläufig ist.

Die größten Fortschritte hat Deutschland in den vergangenen elf Jahren bei der Teilhabe von Frauen an gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Macht erzielt. Über diesen Zeitraum stieg der Indexwert in diesem Bereich von 38,3 auf 71,5 – ein Plus von 33,2 Punkten. Damit liegt Deutschland auf Platz 8 in Europa und deutlich über dem EU-Durchschnitt von 61,4. Die höchste Punktzahl erreicht Deutschland im Bereich Gesundheit, wo es mit 89,7 Punkten auf Platz 8 unter allen Mitgliedstaaten liegt. Allerdings stagnieren die Fortschritte in diesem Bereich seit zwei Jahren (Minus von insgesamt 0,3 Punkte).

Am besten schneidet das Land im Teilbereich Zugang zu Gesundheitsdiensten ab, wo es mit 99,8 Punkten auf Platz 2 landet. Vor allem im Bereich Bildung schneidet Deutschland allerdings schlecht ab. Mit einem Indexwert von 57,1 liegt das Land hier nur auf Platz 24 in der EU und hat im Vergleich zu 2010 neun Plätze verloren. Hier gilt es, einiges aufzuholen.

Den größten Rückschritt hat Deutschland insgesamt im Bereich Zeit zu verbuchen: Von Platz 9 vor elf Jahren auf heute Platz 14. Der Bereich Zeit misst die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Verteilung der Zeit, die für Pflege- und Hausarbeit sowie für soziale Aktivitäten aufgewendet wird. Deutschland hat sich hier in den zurückliegenden Jahren um 4,8 Punkte verschlechtert.

Gleichstellung ist auch eine Frage von Macht

Auch wenn der europaweite Wert für die Gleichstellung der Geschlechter zunimmt und sich insgesamt annähert, sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern nach wie vor groß. Der Bereich gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Macht ist der Haupttreiber der positiven Entwicklung. Grund ist die stärkere Teilhabe von Frauen an der Entscheidungsfindung. "Hier wurden in den letzten Jahren die größten Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter erzielt. Die Erfolge in anderen Bereichen und ihre Gesamtauswirkungen Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter sind wesentlich geringer", so die Verfasser der Studie.


Über den EU-Gleichstellungsindex:

Der EU-Gleichstellungsindex misst in regelmäßigen Abständen die Gleichstellung der Geschlechter in den EU-Mitgliedstaaten und macht Bereiche sichtbar, die verbessert werden müssen. Neben den sechs Kernbereichen (Arbeit, Einkommen, Bildung, Zeit, Macht und Gesundheit) wird auch das Thema Gewalt gegen Frauen untersucht. Dem Gleichstellungsindex 2024 liegen hauptsächlich die Daten aus dem Jahr 2022 zugrunde.


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Schlagworte zum Thema:  Gleichstellung, Diversity