Girls' Day und Boys' Day: Berufswahl ohne Rollenklischees

Am 28. April 2022 ist Girls' Day und Boys' Day. Der bundesweite Aktionstag gegen Rollenklischees im Beruf findet seit 2001 statt. Wie hat sich das Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen seitdem verändert? Ein Blick auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts.

Im vergangenen Jahrzehnt haben sich am deutschen Arbeitsmarkt die geschlechtsspezifischen Vorlieben für bestimmte Berufe verschoben. So stieg zwischen 2010 und 2020 der Anteil junger Männer, die das Friseurhandwerk erlernen wollten, von 12 auf 31 Prozent, wie das Statistische Bundesamt anlässlich des diesjährigen Girls' und Boys' Day mitteilte.

Frauenanteile und Männeranteile in Ausbildungsberufen

Umgekehrt stieg auch der Frauenanteil in einigen zuvor ausgesprochen männerdominierten Ausbildungen. So haben 783 Frauen im Jahr 2020 einen Ausbildungsvertrag zur Landwirtin abgeschlossen. Ihr Anteil stieg seit 2010 um zehn Punkte auf 21 Prozent. Auch am Steuer schwerer Trucks stieg der Anteil angehender Berufskraftfahrerinnen von drei auf zehn Prozent. Unter den Auszubildenden im Tischlerhandwerk stieg der Frauenanteil ebenfalls. 15 Prozent der 2020 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge wurden von Frauen abgeschlossen, 2010 waren es 10 Prozent. 

Im Einzelhandel ist das derzeitige Geschlechterverhältnis ausgewogener als vor zehn Jahren: Von den Auszubildenden, die 2020 einen Ausbildungsvertrag zum Kaufmann oder zur Kauffrau im Einzelhandel abschlossen, waren 48 Prozent Frauen und 52 Prozent Männer. 2010 wurden 56 Prozent dieser Ausbildungen von Frauen begonnen, 44 Prozent von Männern. Bei den Auszubildenden zur Fachkraft im Gastgewerbe hat sich das Männer-Frauen-Verhältnis umgekehrt: 58 Prozent betrug der Männeranteil bei den neu geschlossenen Ausbildungsverträgen 2020. Im Jahr 2010 lag er noch bei 37 Prozent.

Grundsätzlich sind junge Frauen im System der dualen Ausbildung in Betrieb und Berufsschule mit einem Anteil von rund 36 Prozent weiterhin unterrepräsentiert. Sie entscheiden sich häufiger für Berufe des Sozial- und Gesundheitswesens, die nicht im dualen System ausgebildet werden.

Akademische Berufe: Frauenanteil in MINT-Studienfächern nimmt zu

Betrachtet man die akademischen Berufe und das Berufswahlverhalten von jungen Frauen und Männern, so zeitgt sich ein ähnliches Bild: In den Studiengängen im Bereich Gesundheit und Soziales dominieren nach wie vor die Frauen. Hier hat der Männeranteil in den vergangenen zehn Jahren sogar abgenommen – von 33,0 Prozent im Jahr 2000 auf 26 Prozent im Jahr 2020.

Bei den MINT-Studienfächern hingegen geht die Entwicklung eindeutig hin zu einem ausgewogeneren Geschlechterverhältnis, auch wenn die Männer hier nach wie vor in der Überzahl sind. Insbesondere in den Naturwissenschaften herrscht nahezu Geschlechtergleichheit, mit einem Frauenanteil von aktuell 49,6 Prozent (2000: 34,8 Prozent). Schlechter sieht es im Bereich der Ingenierurwissenschaften aus: hier machen weibliche Studierende nur knapp ein Viertel aus (24,3 Prozent), allerdings ebenfalls mit einem deutlichen Zuwachs seit 2000, wo der Frauenanteil noch bei 20,5 Prozent lag. Über alle MINT-Fächergruppen hinweg sind Frauen mit 31 Prozent vertreten.

Detaillierte Informationen zu einzelnen Studienfächern bietet ein Analysetool des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. unter https://www.kompetenzz.de/service/datentool-studium . Das Tool beruht auf Daten des Statistischen Bundesamts.

Berufswünsche entsprechen oft nicht dem Bedarf der Unternehmen

Insgesamt sind die Fachkräfteengpässe auf dem Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren gestiegen - auch weil die Berufswünsche junger Frauen und Männer oft nicht dem Fachkräftebedarf der Unternehmen entsprechen. Die Zahl der gemeldeten unbesetzten Ausbildungsstellen ist seit 2013 fast kontinuierlich gestiegen, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt.

Fast 40 Prozent der Ausbildungsstellen unbesetzt

Im vergangenen Jahr seien der Studie zufolge gut 63.000 gemeldete Stellen unbesetzt geblieben, was knapp zwölf Prozent des Ausbildungsangebots entspreche. Doch sei das Problem deutlich größer, so die IW-Forscher: "Werden auch diejenigen Stellen betrachtet, die aus vielfältigen Gründen nicht bei den Arbeitsagenturen gemeldet werden, liegt dieser Anteil deutlich höher bei knapp 40 Prozent".

Girls' Day und Boys' Day zeigen Wirkung bei der Berufswahl

Eine Befragung im Rahmen des Girls' Day und Boys' Day 2019 belegt, dass die Aktionstage sowohl kurzfristig als auch langfristig wirken. So steigt die Zahl der Girls'-Day-Teilnehmerinnen, die einen Wunschberuf aus dem MINT-Bereich nennen, direkt nach dem Aktionstag um beachtliche sechs Prozent. Selbst ein halbes Jahr später sind es immer noch vier Prozent – das entspricht hochgerechnet auf die jährliche Gesamtteilnehmerinnenzahl etwa 4.000 Mädchen.

Beim Boys' Day ist die Wirkung ähnlich: Die Zahl der Jungen, die direkt nach dem Aktionstag einen Berufswunsch aus den Boys'-Day-Berufsfeldern angeben, steigt um vier Prozent und hält sich auch noch ein halbes Jahr später auf diesem Niveau. Das entspricht, bezogen auf die jährliche Gesamtteilnehmerzahl, etwa 1.200 Jungen.

Hier erhalten Sie weitere Informationen zum Girls' Day 2022 und zum Boys' Day 2022.


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dpa/Statistisches Bundesamt

Schlagworte zum Thema:  Diversity, Ausbildung, Fachkräfte