Azubis fehlt es an Orientierung
Der Ausbildungsmarkt bleibt kandidatenorientiert. Gut die Hälfte der neuen Auszubildenden haben 2023 zwei oder mehrere Ausbildungsangebote erhalten. Auf der anderen Seite konnten 39 Prozent der Ausbildungsbetriebe nicht alle Ausbildungsstellen besetzen. Nach Einschätzung der Ausbildungsverantwortlichen ist die Zahl der Azubi-Bewerbungen in den vergangenen fünf Jahren vor allem bei den kaufmännischen Berufen und im gewerblich-technischen Bereich deutlich zurückgegangen. Hier verzeichneten sie ein Viertel beziehungsweise ein Fünftel weniger Bewerbungen. In handwerklichen Berufen verringerten sich die Bewerbungen laut der Studie Azubi-Recruiting-Trends 2024 um rund acht Prozent.
Die Studie der U-Form Testsysteme ist die größte regelmäßige Befragung von Schülerinnen, Schülern, Auszubildenden und Ausbildungsverantwortlichen. In diesem Jahr nahmen 4.941 Azubis und angehende Azubis sowie 1.752 Ausbildungsverantwortliche teil. Wissenschaftlich begleitet wird die Studie von Professor Christoph Beck von der Hochschule Koblenz.
Azubi-Recruiting: Lücke zwischen Schule und Ausbildung
Nur ein knappes Drittel der Auszubildenden wusste nach dem Schulabschluss, welche Ausbildung infrage kommt. 18 Prozent wussten zwar, dass sie eine Berufsausbildung angehen möchten, aber nicht welche. 15 Prozent schwankten zwischen Studium und Ausbildung und weitere 15 Prozent wussten überhaupt nicht genau, was sie machen wollten.
Das kann unter anderem daran liegen, dass zu Schulzeiten zu wenig über mögliche Berufe informiert wird: Die Berufsorientierung fängt bei vielen (17 Prozent) erst nach dem Schulabschluss an. 28 Prozent beginnen ein halbes Jahr bis einen Monat vor dem Schulabschluss, sich damit zu beschäftigen, was sie beruflich machen möchten. Bei weiteren 29 Prozent stellt sich diese Frage sieben bis zwölf Monate vorher.
Aus Sicht der Jugendlichen würden vor allem Praktika hilfreich sein, um herauszufinden, ob ein Ausbildungsberuf passen könnte. Sie wünschen sich zudem mehr Beratungsangebote und Informationen, auch von Seiten der Schule, zu Ausbildungsberufen sowie zu Karriere- und Gehaltsaussichten. Auch Berufsmessen und andere Informationsveranstaltungen – vielleicht auch als Pflichtprogramm während der Schulzeit – sind gefragt. 87 Prozent der befragten Schülerinnen, Schüler und Azubis gefällt zudem die Idee einer "Grundlagenausbildung". Bei dieser würden sie mit einem halben Orientierungsjahr beginnen, verschiedene Bereiche durchlaufen und sich dann für einen konkreten Ausbildungsberuf entscheiden.
Weniger als zwei Drittel (63 Prozent) der heutigen Azubis haben direkt nach dem Schulabschluss eine Ausbildung angefangen. Die anderen 37 Prozent füllten die Lücke unter anderem mit Aushilfsjobs (28 Prozent), einem Studium (24 Prozent), einem freiwilligen sozialen Jahr oder ähnlichen Freiwilligendiensten (18 Prozent).
Auf das Ausbildungsimage kommt es an
Für die angehenden Azubis ist das Image der Ausbildung wichtig: "Ich habe mich bei meinem Unternehmen beworben, weil die Ausbildung einen sehr guten Ruf genießt." 41 Prozent stimmen dieser Aussage uneingeschränkt zu, weitere 41 Prozent eingeschränkt. Die Ausbildungsverantwortlichen selbst zweifeln jedoch an der Strahlkraft ihres Ausbildungsangebot: Nur 34 Prozent sagen uneingeschränkt "Ja" zur Aussage: "Unsere Ausbildung/unser duales Studium genießt bei den Bewerbenden einen sehr guten Ruf." Weitere 59 Prozent stimmen der Aussage mit Einschränkungen zu.
Doch so gut sich das Bild im Azubi-Marketing darstellt: Im Ausbildungsalltag können nur 39 Prozent der Azubis das positive Bild vom Unternehmen, das sie vor Ausbildungsbeginn hatten, uneingeschränkt bestätigen, 42 Prozent mit Einschränkung.
Azubis suchen auf Google nach einem Ausbildungsplatz
Der wichtigste Kanal für die Ausbildungssuche ist Google. Fast die Hälfte der jungen Menschen (47 Prozent) nutzt die Suchmaschine "sehr häufig" für die Ausbildungsplatzsuche, weitere 36 Prozent setzen sie "häufig" ein. Jobbörsen werden von 31 Prozent "sehr häufig" und von 27 Prozent "häufig" genutzt. Social Media wie Instagram oder Tiktok kommen bei der Ausbildungsplatzsuche nur am Rande vor (acht Prozent "sehr häufige" und 19 Prozent "häufige" Nutzung).
Doch 54 Prozent der Ausbildungsbetriebe nutzen Google Advertising "überhaupt nicht", um ihre Ausbildungsplätze zu bewerben. 27 Prozent setzen diesen Reichweitenverstärker "eher selten" ein. 13 Prozent nutzen Google Advertising "häufig" und sechs Prozent "sehr häufig".
Hürden für Azubis bei der Bewerbung
Bei 51 Prozent der Azubi-Bewerberinnen und -Bewerber würde eine schnelle, einfache Bewerbung die Wahrscheinlichkeit "auf jeden Fall" erhöhen, dass sie sich bei einem Unternehmen bewerben. Bei weitern 34 Prozent ist das davon abhängig, ob sie sich für das Unternehmen besonders interessieren.
Allerdings stellen die Arbeitgeber noch einige Hürden für die Bewerbung auf: 62 Prozent finden ein Anschreiben immer noch "sehr wichtig" oder "wichtig" für eine Azubi-Bewerbung. Nur fünf Prozent verzichten darauf. Obwohl Anschreiben heute oft von einer KI geschrieben werden oder die Texte zumindest von Eltern oder anderen Helfern kommen, halten 52 Prozent die Aussagekraft eines Anschreibens weiterhin für "sehr gut" oder "gut".
Eignungsdiagnostisch zweifelhaft ist auch die Haltung von 46 Prozent der Ausbildungsverantwortlichen, keine Testverfahren einzusetzen. Das wichtigste Argument dagegen ist, dass man sich lieber auf die eigenen Eindrücke verlässt (35 Prozent). Immerhin 54 Prozent der befragten Ausbildungsbetriebe setzen Testverfahren für die Azubi-Auswahl ein.
Perspektiven nach der Ausbildung
Mit dem Ausbildungsvertrag sind die Azubis noch nicht für das eigene Unternehmen gewonnen. Zum einen haben 60 Prozent der Ausbildungsverantwortlichen schon einmal Ghosting durch Azubi-Bewerberinnen und -Bewerber erlebt. Zum anderen will nicht einmal die Hälfte der Azubis (46 Prozent) nach Ausbildungsabschluss "auf jeden Fall" im Betrieb bleiben. 39 Prozent können sich einen Wechsel in ein anderes Unternehmen vorstellen und 16 Prozent planen ein Studium oder einen anderen Karriereweg.
Die wichtigsten Argumente für den Wechsel zu einem andren Arbeitgeber nach Ausbildungsabschluss sind ein höheres Gehalt (32 Prozent), eine fehlende berufliche Perspektive (26 Prozent) und eine fehlende Passung der Unternehmenskultur (zehn Prozent).
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