Künstliche Intelli­genz in der Personal­­gewinnung

Welche Rolle spielt künstliche Intelli­genz (KI) bei der Personal­­gewinnung? Eine aktuelle Er­he­bung liefert hand­feste Zahlen: Während manche Unternehmen noch rein manuell vorgehen, setzen andere komplexe Tools ein. Die Pflicht, KI-Kompetenz sicherzustellen, hat jedoch die meisten Arbeitgeber überrascht. 

Laut einer Befragung des Institute for Competitive Recruiting (ICR) unter 122 Teilnehmenden operiert ein Viertel der Recruiterinnen und Recruiter ausschließlich mit klassischen Methoden. Mehr als die Hälfte der Befragten binden KI teilweise ein, nutzen sie also für bestimmte Aufgaben, wie etwa um Stellenanzeigen zu formulieren. 14 Prozent beschreiben eine teils automatisierte Vorgehensweise, bei der sie KI-Lösungen in mehreren Schritten implementiert haben. Und bei sieben Prozent gilt: Der Recruiting-Prozess ist bereits weitgehend KI-gestützt.

Diese Verteilung illustriert, dass viele Personalverantwortliche ein gesundes Maß an Vorsicht walten lassen und zunächst einzelne Teilprozesse digitalisieren. Dafür spricht, dass standardisierte Aufgaben wie das Versenden von E-Mail-Bestätigungen Zeit und Ressourcen fressen, wenn sie rein manuell erledigt werden.

Konkrete Einsatzfelder von KI im Recruiting

Der ICR Recruiting Benchmark Report 2024 zeigt auf, wo KI im Recruiting-Alltag am stärksten an Bedeutung gewinnt ( siehe auch die Abbildung auf Seite 8 des Booklets "Trends im Recruiting"). 

  • Stellenanzeigen: Digitale Assistenten analysieren Inhalte, identifizieren Keywords und heben gewünschte Qualifikationen hervor - oder schreiben gleich eine optimierte Stellenanzeige. So entstehen passgenauere Texte, die Bewerberinnen und Bewerber besser ansprechen.
  • Social-Media-Inhalte: Ob Linkedin, Instagram oder Tiktok - Recruiterinnen und Recruiter erhalten automatisierte Vorschläge für Postings, um unterschiedliche Zielgruppen effizient zu erreichen.
  • Automatisierte E-Mail-Antworten: Die gängigsten Fragen zu Stellenangeboten oder Bewerbungen beantwortet das System eigenständig. Recruiterinnen und Recruiter können sich dadurch stärker auf den persönlichen Dialog konzentrieren.
  • Interviewfragen: Während Vorstellungsgespräche immer auch Fingerspitzengefühl erfordern, liefern KI-Tools Vorlagen für passend zugeschnittene, objektivere Gesprächsleitfäden – basierend auf Anforderungen, Qualifikationen und Soft Skills.
  • Active Sourcing: Die Suche nach spannenden Profilen lässt sich automatisieren. KI unterstützt beim Durchforsten digitaler Netzwerke, erstellt Suchketten mit Keywords und generiert auf Wunsch maßgeschneiderte Erstansprachen.
  • Employer Branding: Chatbots auf Karriereseiten, personalisierte Newsletter oder gezielte Imagekampagnen – KI übernimmt Routinetätigkeiten rund um die Arbeitgebermarke.
  • SEO-Optimierung: Wenn Stellenausschreibungen bei Google, Indeed und Co. rascher gefunden werden sollen, schlägt KI relevante Begriffe vor und analysiert das Textniveau.
  • Recruiting-Kampagnen: Wer eine breite Bewerberbasis erreichen will, plant aufwendige Kampagnen. KI generiert erste Ideen für Slogans, Anzeigenformate und die Streuung in digitalen und Offline-Kanälen.

Praxistipp: KI schrittweise im Recruiting integrieren

Unternehmen, die bislang auf manuelle Prozesse vertrauen, können gezielt mit Pilotprojekten starten – idealerweise bei Prozessschritten, die sich oft wiederholen, arbeitsaufwendig sind, den Recruiterinnen und Recruitern keinen Spaß machen oder keinen hohen Wertbeitrag leisten. Beispiele sind automatisierte Eingangsbestätigungen, KI-gestützte Stellenanzeigen oder Suchketten im Active Sourcing. So lässt sich testen, wo der Mehrwert am größten ist und wie das Team entlastet wird. Unternehmen, die erste Automatisierungen umgesetzt haben, sollten den Blick auf weitere KI-Anwendungen richten: Zeitersparnis, Qualitätssteigerungen durch zielgenauere Ansprache und eine konsistentere Kommunikation lassen sich in zahlreichen Bereichen umsetzen.

Wer tiefer einsteigen will, sollte allerdings die Themen Datenschutz und Fairness im Auge behalten. Gerade bei der Vorselektion von Bewerbungen ist Transparenz gefragt, damit keine ungewollten Verzerrungen sowie Verstöße gegen die DSGVO entstehen. Eine Balance zwischen menschlichem Urteilsvermögen und maschineller Schnelligkeit erweist sich hier als entscheidender Erfolgsfaktor.

Die Diskussion um KI im Recruiting dürfte im Jahr 2025 weiter an Dynamik gewinnen. Personalverantwortliche berichten bereits, dass sich der KI-Einsatz nicht nur in Zeiteinsparungen niederschlägt, sondern auch in einer verbesserten Candidate Experience – Stichwort: prompte Antworten, individuell anmutende Kommunikation. Gleichwohl bleibt wichtig, dass KI-gestützte Entscheidungen nachvollziehbar sind und das Zwischenmenschliche nicht zu kurz kommt. Gut vorbereitete Pilotprojekte schaffen Vertrauen im Team, stellen die Weichen für langfristige Innovation und erhöhen die Chancen, auch in einem angespannten Bewerbermarkt die passenden Fachkräfte zu finden.

AI Act: KI-Kompetenzen sicherstellen

Vielen Arbeitgebern ist bislang entgangen, dass sie seit Februar die Verantwortung dafür tragen, dass Mitarbeitende, die mit KI arbeiten, über entsprechende KI-Kompetenz verfügen. Das machte eine Umfrage auf der ICR Recruiting Trends KI & Rec-Tech Online-Konferenz unter mehr als 450 Teilnehmenden deutlich: 76 Prozent hatten Ende Januar noch nichts davon gehört, drei Prozent waren schon geschult, 17 Prozent war das Thema zumindest bekannt. Die restlichen Befragten waren sich nicht sicher oder gingen davon aus, dass das Thema für sie nicht relevant ist. 

Was bedeutet das nun für das Recruiting? Zunächst ganz grundlegend: Die europäische KI-Verordnung, der sogenannte "AI Act", sieht ab dem 2. Februar 2025 eine Neuerung vor. Konkret heißt es in Artikel 4: "Die Anbieter und Betreiber von KI-Systemen ergreifen Maßnahmen, um nach besten Kräften sicherzustellen, dass ihr Personal und andere Personen, die in ihrem Auftrag mit dem Betrieb und der Nutzung von KI-Systemen befasst sind, über ein ausreichendes Maß an KI-Kompetenz verfügen, wobei ihre technischen Kenntnisse, ihre Erfahrung, ihre Ausbildung und Schulung und der Kontext, in dem die KI-Systeme eingesetzt werden sollen, sowie die Personen oder Personengruppen, bei denen die KI-Systeme eingesetzt werden sollen, zu berücksichtigen sind."

Also sind auch jene Unternehmen betroffen, die KI-Systeme in ihren eigenen Prozessen einsetzen. Konkrete Umsetzungsmaßnahmen gibt die KI-Verordnung jedoch nicht vor. Sie beschreibt vielmehr eine Sorgfaltspflicht der Unternehmen, die nicht genauer definiert ist. Arbeitgeber müssen gewährleisten, dass alle Mitarbeitende, die mit KI arbeiten, das nötige Verständnis dafür haben und die Risiken abschätzen können. Das heißt nicht, dass jede Recruiterin und jeder Recruiter jetzt eine KI-Schulung benötigt. Es heißt aber, dass die Organisationen angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen müssen, um den Schulungebedarf festzustellen und dann entsprechend zu handeln. 

Zudem nennt der Artikel 4 verschiedene Faktoren, die bei der Beurteilung der nötigen KI-Kompetenz herangezogen werden sollen – von den technischen Vorkenntnissen der Mitarbeitenden bis zum Kontext, in dem das KI-System zum Einsatz kommt. Damit macht der Artikel klar, dass kein Einheitsmaß existiert, sondern dass die Anforderungen je nach Risikograd und Komplexität des KI-Einsatzes unterschiedlich ausfallen können. 

Schulungsbedarf zu KI ermitteln

Die Bundesnetzagentur stellt klar, dass die Sicherstellung der KI-Kompetenz eine rechtliche Verpflichtung ist, die in der Eigenverantwortung und im Eigeninteresse der Unternehmen liegt. Es ist nicht bekannt, wann Arbeitgeber was nachweisen müssen. Dennoch sollten sie das Thema in keinem Fall auf die lange Bank schieben. Wer KI-Tools einsetzt oder deren Einführung plant, sollte schon jetzt prüfen, wer in HR und Recruiting KI verwendet oder dies in Zukunft tun wird, und ermitteln: Was wissen diese Mitarbeitenden über die Technik und ihre Tücken? Wo besteht welcher Bedarf?


Dieser Beitrag ist im Personalmagazin-Booklet "Trends im Recruiting 2025: Lösungen, Tools und Vordenker" erschienen, das Sie hier kostenlos herunterladen können.


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Schlagworte zum Thema:  Künstliche Intelligenz (KI), Recruiting