Ausbildungszeugnis schreiben: Pflicht oder Kür?

Viele Azubis stehen kurz vor den Abschlussprüfungen und damit vor dem Ende ihrer Berufsausbildung. Diese endet mit dem Ablauf der Ausbildungsdauer oder mit Bekanntgabe der erfolgreichen Abschlussprüfung. Nach dem Ende der Ausbildung und vor dem Erstellen eines Arbeitszeugnisses stellen sich in Unternehmen regelmäßig einige Fragen: Ist das Erstellen eines Ausbildungszeugnisses Pflicht oder Kür für Ausbilder? Wie sieht ein qualifiziertes und ein einfaches Arbeitszeugnis aus? Und braucht es ein Zeugnis bei Ausbildungsabbruch?
Recht auf ein Ausbildungszeugnis nach § 16 BBiG
Mit dem Ende des Berufsausbildungsverhältnisses hat der oder die Auszubildende einen Anspruch auf ein einfaches oder, wenn gewünscht, auf ein qualifiziertes Zeugnis. Die rechtliche Grundlage findet sich in § 16 Berufsbildungsgesetz (BBiG), der wie folgt lautet: "Ausbildende haben den Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein schriftliches Zeugnis auszustellen."
Einfaches oder qualifiziertes Ausbildungszeugnis: Inhalt
Das einfache Zeugnis muss Auskunft geben über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung, die erworbenen beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse. Ein qualifiziertes Zeugnis sollte zudem noch Aussagen zum Verhalten und zur Leistung des oder der Auszubildenden während der Ausbildung beinhalten.
Formale Anforderungen an ein Ausbildungszeugnis
Das Zeugnis muss schriftlich erstellt werden. Mit Einwilligung der Auszubildenden ist bereits seit August 2024 auch die elektronische Form möglich (§ 16 Abs. 1 S. 2 BBiG). Das digitale Dokument muss dann mit einer qualifizierten Signatur unterzeichnet werden.
Welchen weiteren Anforderungen das Zeugnis genügen muss, richtet sich nach den üblichen Anforderungen an Arbeitszeugnisse. Die Maßstäbe, die die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts (BAG), anlegt, sind übertragbar.
Das bedeutet: Auch ein Ausbildungszeugnis muss wohlwollend formuliert, wahr und schriftlich, mindestens aber elektronisch mit der qualifizierten elektronischen Signatur ausgestellt sein.
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Arbeitszeugnis: Ausbildung abgebrochen
Den Anspruch auf ein Zeugnis haben Azubis auch, wenn sie die Ausbildung abbrechen oder die Prüfung nicht bestehen. Arbeitgeber sollten daher während der Ausbildungszeit regelmäßig Beurteilungen notieren, da andernfalls eine fundierte Zeugniserstellung nicht möglich ist. Auch wenn der oder die Auszubildende die Ausbildung erfolgreich abschließt und vom ehemaligen Ausbildungsbetrieb in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis übernommen wird, ist das Zeugnis bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in jedem Fall auszustellen.
Übernahme des Azubis nach der Ausbildung
Wer als Arbeitgeber seine Auszubildenden regelmäßig beurteilt, hat dadurch die Chance, negative Trends frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Auf diese Weise lässt sich auch schon frühzeitig einschätzen, ob die Übernahme des Auszubildenden in Frage kommt. Eine rechtliche Verpflichtung zur Übernahme gibt es nicht. Die Übernahme kann erst sechs Monate vor dem Ende einer Ausbildung vereinbart werden. Wird davor bereits eine Vereinbarung getroffen, ist diese Vereinbarung nicht gültig.
Übernahme des Auszubildenden: Probezeitvereinbarung oder Kündigungsschutz
Kommt es zu einer Übernahme von Auszubildenden im Anschluss an eine Ausbildung, ist es rechtlich zulässig, einen befristeten Vertrag oder auch eine erneute Probezeit zu vereinbaren. Erfolgt die Übernahme direkt im Anschluss an das Ende der Ausbildung, bleiben die Urlaubsansprüche des ehemaligen Azubis erhalten. Ausbildungsverhältnis und Arbeitsverhältnis sind diesbezüglich als Einheit zu betrachten. Ebenfalls setzt der Kündigungsschutz von ehemaligen Azubis im Falle einer Übernahme aus dem Ausbildungsverhältnis unmittelbar ein. Dies gilt genauso für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Auch hier sind beide Arbeitsverhältnisse als Einheit zu betrachten und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung bleibt ohne Unterbrechung bestehen.
Vorsicht: ungewollte Übernahme des Azubis
Nach § 78a Betriebsverfassungsgesetz muss der Arbeitgeber Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung übernehmen, wenn ihm das zugemutet werden kann.
Arbeitgeber sollten zudem darauf achten, Auszubildende keinesfalls nach bestandener Abschlussprüfung über das vertraglich vereinbarte Ausbildungsende hinaus weiter zu beschäftigen, wenn sie diese nicht übernehmen möchten. Beschäftigt der Arbeitgeber seine Auszubildenden nach Bestehen der Abschlussprüfung weiter, zeigt er nach allgemeiner Auffassung durch dieses Handeln konkludent, dass er sie übernehmen will und begründet damit einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
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