Schwangere darf später gegen Kündigung vorgehen

Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben werden. Wenn eine Arbeitnehmerin aber erst später erfährt, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war, kann sie innerhalb von zwei Wochen einen Antrag stellen, dass die verspätete Klage ausnahmsweise zulässig ist. Die Klage ist dann nachträglich zuzulassen, wenn die Arbeitnehmerin schuldlos erst nach Ablauf der üblichen Dreiwochenfrist für eine Kündigungsschutzklage von ihrer Schwangerschaft erfährt. Ob es dabei auf die Kenntnis der Schwangerschaft durch einen Schwangerschaftstest ankommt oder auf die Bestätigung durch einen Frauenarzt oder eine Frauenärztin, hat das BAG vorliegend geklärt.
Der Fall: Positiver Schwangerschaftstest kurz nach Kündigung
Die Arbeitnehmerin erhielt am 14. Mai 2022 die ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2022. Einen Tag vor dem regulären Ende ihres Arbeitsverhältnisses, am 29. Mai 2022, machte sie einen Schwangerschaftstest, der positiv ausfiel. Daraufhin versuchte sie sofort einen Termin beim Frauenarzt zu bekommen, den sie aber erst für den 17. Juni 2022 erhielt. Davor reichte sie am 13. Juni 2022 Kündigungsschutzklage ein und beantragte die nachträgliche Zulassung. Ein ärztliches Zeugnis, das eine bei ihr am 17. Juni 2022 festgestellte Schwangerschaft in der „ca. 7 + 1 Schwangerschaftswoche“ bestätigte, reichte sie am 21. Juni 2022 nach. Ihr Mutterpass wies als voraussichtlichen Geburtstermin den 2. Februar 2023 aus. Somit hatte ihre Schwangerschaft, wegen der üblichen Rückrechnung vom mutmaßlichen Tag der Entbindung um 280 Tage, bereits am 28. April 2022 begonnen.
Nachträgliche Zulassung der Kündigungsklage?
Die Arbeitnehmerin meinte, dass ihre Kündigungsschutzklage gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG nachträglich zugelassen werden müsse. Nach dieser Vorschrift ist eine Klage auf Antrag nachträglich zuzulassen, wenn eine Frau - aus einem Grund, den sie nicht zu vertreten hat- erst nach Ablauf der Frist für eine Kündigungsschutzklage von ihrer Schwangerschaft erfährt.
Der Arbeitgeber war überzeugt, dass die Vorschrift vorliegend nicht zur Anwendung kommen dürfe. Die Arbeitnehmerin habe schließlich durch den positiven Test noch innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG Kenntnis von der Schwangerschaft erlangt.
Verspätete Klage ausnahmsweise zulässig
Beide Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Auch das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Kündigung der Arbeitnehmerin wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG unwirksam war.
Zwar gelte eine Kündigung nach § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksame Kündigung, wenn die Unwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht wird, diese Voraussetzung war aus Sicht des Gerichts aber vorliegend nicht gegeben.
Da die Arbeitnehmerin erst am 13. Juni 2022 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben hatte, habe sie die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung nicht gewahrt, stellte der Senat fest. Diese Frist war am 7. Juni 2022 abgelaufen. Das BAG stellte fest, dass die verspätet erhobene Klage der Arbeitnehmerin gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG nachträglich zuzulassen war: Die Arbeitnehmerin habe zum Kündigungszeitpunkt nicht von ihrer damals bereits bestehenden Schwangerschaft gewusst.
BAG: Positive Kenntnis von Schwangerschaft erst nach Frauenarzttermin
Sie habe - aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund - erst mit der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung am 17. Juni 2022 positive Kenntnis davon erlangt, dass sie bei Zugang der Kündigung am 14. Mai 2022 schwanger war. Der etwas mehr als zwei Wochen danach durchgeführte Schwangerschaftstest vom 29. Mai 2022 habe ihr diese Kenntnis nicht vermitteln können, befand das Gericht.
Das BAG hat mit dieser Auslegung den Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen gestärkt. Nach eigenen Angaben genüge das bestehende System der §§ 4, 5 KSchG und des § 17 Abs. 1 MuSchG somit auch den Vorgaben der Richtlinie 92/85/EWG. Der EuGH hatte zuletzt in einem Urteil festgestellt, dass die deutsche Zweiwochenfrist für die Zulassung einer nachträglichen Kündigungsschutzklage zu kurz ist.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. April 2025; Az. 2 AZR 156/24; Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 22. April 2024, Az. 2 Sa 88/23
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