Virtuelle Aktienoptionen bei Karenzentschädigung einbeziehen?

Bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist der Arbeitgeber zu einer Karenzentschädigung verpflichtet. Frei festlegen kann er die Höhe nicht, sondern muss sich an den gesetzlichen Vorgaben orientieren. Nach § 74 Abs. 2 HGB ist eine Entschädigung zu zahlen, "die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht". Zählen zu diesen Leistungen auch virtuelle Aktienoptionen, die Mitarbeitende erhalten? Und inwiefern sind sie bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen? Darum ging es im vorliegenden Fall vor dem Bundesarbeitsgericht.
Der Fall: Nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart
Der Arbeitnehmer war seit 2019 mit einem festen Bruttogehalt von 100.000 Euro im Jahr bei einer Internetplattform beschäftigt, über die Ferienunterkünfte vermittelt werden. Der Arbeitgeber gewährte dem Mitarbeiter zudem im Rahmen eines Optionsprogramms virtuelle Aktienoptionen. Vertraglich festgelegt war, dass diese zunächst durch Arbeitsleistung, während einer "Vesting Period", einem Zeitraum von bis zu vier Jahren, "erdient" werden. Danach darf die Option von Mitarbeitenden unter festgelegten Bedingungen ausgeübt werden, sodass ein Zahlungsanspruch entsteht. Voraussetzung im vorliegenden Fall war der Eintritt eines Ausübungsereignisses in Form eines Share Deal, Asset Deal oder eines Börsengangs. Im September 2021 war dies der Fall, woraufhin der Arbeitnehmer bereits erdiente (gevestete) Optionsrechte ausübte, die der Arbeitgeber mit rund 161.400 Euro brutto abrechnete. Im darauffolgenden Jahr vereinbarten die Parteien die Auflösung des Arbeitsverhältnisses in einem Aufhebungsvertrag zu Ende Juni 2022. Erst danach übte der ehemalige Arbeitnehmer weitere Optionsrechte aus, die der Ex-Arbeitgeber mit rund 17.700 Euro brutto abrechnete.
Arbeitnehmer fordert höhere Karenzentschädigung
Das arbeitsvertraglich vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot begrenzten sie bis zum Jahresende 2022. Der Arbeitgeber zahlte für die Zeit von Ende Juni 2022 bis Ende Dezember 2022 eine monatliche Karenzentschädigung. Der Arbeitnehmer verlangte eine höhere Karenzentschädigung, da die Berechnung nicht nur von seinem jährlichen Festgehalt ausgehen dürfe, sondern zudem die Auszahlung seiner "virtuellen Unternehmensbeteiligung (VSOP)" einschließen müsse.
BAG: Im Arbeitsverhältnis ausgeübte Optionsrechte sind einzubeziehen
Das BAG entschied, dass die Leistungen, die der Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis aufgrund der virtuellen Aktienoptionen erbracht hat, zu den zuletzt vertragsmäßigen Leistungen in Form von wechselnden Bezügen im Sinne von § 74 Abs. 2 HGB gehört. Sie stellen eine Gegenleistung für vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit dar, stellte das BAG fest. Daher seien sie bei der Berechnung der Karenzentschädigung auch miteinzubeziehen. Gemäß § 74b Abs. 2 HGB müssten die Leistungen mit dem Durchschnitt der letzten drei Jahre, beziehungsweise der Dauer des Bestehens der maßgebenden Vertragsbestimmung – hier waren es 33 Monate –, in Ansatz gebracht werden. Anders als der Arbeitnehmer forderte, müsse der Arbeitgeber vorliegend jedoch nicht sämtliche aufgrund virtueller Aktienoptionen erbrachten Leistungen in die Berechnung der Karenzentschädigung einbeziehen.
Nach Auffassung des BAG muss unterschieden werden, ob die Optionsrechte während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgeübt worden sind. Nur solche gehörten zu den "zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen" des Arbeitgebers. Die vom Arbeitgeber aufgrund der Ausübung von Optionsrechten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlten Beträge waren daher bei der Berechnung der Karenzentschädigung nicht zu berücksichtigen.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. März 2025, Az. 8 AZR 63/24; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Januar 2024, Az. 3 Sa 462/23
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