BGH: Wegfall der Karenzentschädigung eines Geschäftsführers

Der rückwirkende und vollständige Wegfall einer Karenzentschädigung bei Verstoß gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann mit dem Geschäftsführer einer GmbH wirksam vereinbart werden.

Hintergrund

Der Geschäftsführer einer GmbH unterliegt während seiner Tätigkeit einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot, das ihn verpflichtet, stets den Vorteil der Gesellschaft im Auge zu behalten und ihm dementsprechend verbietet, Geschäftschancen für sich persönlich oder für Dritte zu nutzen. Das Wettbewerbsverbot endet mit Ausscheiden aus dem Amt. Eine Nachwirkung hat das (gesetzliches) Wettbewerbsverbot nicht. Ebenso unterliegt der Geschäftsführer für die Dauer seiner Anstellung einem vertraglichen, aus dem Anstellungsverhältnis herrührenden Wettbewerbsverbot.

Mit dem Geschäftsführer kann aber auch für einen angemessenen Zeitraum nach Ausscheiden ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden. Anders als etwa bei Arbeitnehmern sind nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung die §§ 74 ff. HGB weder direkt noch entsprechend anwendbar, die eine zwingende Karenzentschädigung für das Wettbewerbsverbot festschreiben. Die Erforderlichkeit einer Karenzentschädigung kann sich jedoch – so zumindest ein Teil der Literatur – aus § 138 BGB i.V.m. Art. 2 GG (Sittenwidrigkeitskontrolle) ergeben. Nach der (ständigen) Rechtsprechung des BGH muss dem Geschäftsführer für die Dauer des Wettbewerbsverbots allerdings überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen werden. Die Entschädigung ist kein Wirksamkeitserfordernis des Wettbewerbsverbots. Soll dennoch eine Entschädigung gezahlt werden, steht die Höhe der Entschädigung deshalb zur Disposition der Parteien.

Sachverhalt

In dem vom BGH entschiedenen Fall forderte der ehemalige Geschäftsführer einer GmbH die Zahlung einer Karenzentschädigung. Der Geschäftsführer wurde Ende Mai 2012 als Geschäftsführer abberufen. Nach seinem Anstellungsvertrag unterlag er einem zweijährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, das ihm untersagte, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden. Als Entschädigung dafür sah der Anstellungsvertrag für die Dauer des Wettbewerbsverbots monatliche Entschädigungszahlungen vor. Diese Entschädigung sollte allerdings von Anfang an (ex tunc) entfallen, wenn der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen sollte.

Mitte Juni 2013 nahm der Geschäftsführer eine Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen auf. Die GmbH vertrat deshalb die Ansicht, dass aufgrund des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot von Anfang an keine Karenzentschädigung geschuldet sei. Der ehemalige Geschäftsführer indes hielt die vertragliche Vereinbarung über den gänzlichen und rückwirkenden Wegfall seines Entschädigungsanspruchs für unwirksam. Das Verbot verstoße insbesondere gegen das Übermaßverbot.

Entscheidung des BGH

Der BGH gab der GmbH recht und bestätigte die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung. Wettbewerbsverbote seien nur wirksam, wenn sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschritten.

Der im Anstellungsvertrag vereinbarte rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung belaste den Geschäftsführer nicht unbillig. Dem Geschäftsführer einer GmbH, der sich einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterwerfe, müsse nämlich überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen und bezahlt werden. Werde dennoch eine Entschädigung vereinbart, könne die Höhe frei verhandelt werden. Dementsprechend könne zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer auch wirksam vereinbart werden, dass die Entschädigung rückwirkend in Gänze entfällt, wenn der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen sollte.

Das Gericht ist auch der Auffassung des Geschäftsführers entgegengetreten, bei der Karenzentschädigung handle es sich um eine Einkommensersatzleistung, die nicht rückwirkend entfallen könne, da es dem Geschäftsführer nach der vertraglichen Vereinbarung sogar erlaubt gewesen sei, einseitig auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten.

Anmerkung und Auswirkungen

Das Urteil ist eine konsequente Weiterführung der Rechtsprechung des Senats, wonach eine GmbH ihrem Geschäftsführer für die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen werden muss. Die Möglichkeit des (gänzlichen) Verlustes durch Verstoß gegen das Verbot liegt innerhalb dieses Spielraums, den die Rechtsprechung der GmbH zugestanden hat.

Gegenüber Arbeitnehmern dürfte ein solcher rückwirkender Wegfall allerdings unwirksam sein. Das Wettbewerbsverbot des Arbeitnehmers ist nämlich – anders als beim Geschäftsführer - nicht frei verhandelbar. Nach § 74 Abs. 2 HGB ist die Karenzentschädigung des Arbeitnehmers die vorgesehene Gegenleistung dafür, dass der Arbeitnehmer das Verbot eingeht und einhält. Das Wettbewerbsverbot gegenüber einem Arbeitnehmer ist nur wirksam, wenn für die entsprechende Dauer eine Entschädigung vereinbart wurde, deren Höhe mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen betragen muss und nach § 74b Abs. 1 HGB am Schluss jedes Monats zu zahlen ist. Hinsichtlich der gewährten Festbezüge kommt es auf den letzten Monatslohn vor dem Ausscheiden an. Für Einmalzahlungen und variable Vergütungen ist nach § 74b Abs. 2 HGB der Durchschnitt der letzten 3 Jahre in Ansatz zu bringen und auf die monatliche Zahlung herunterzubrechen.

Für die Praxis bedeutet das Urteil eine zusätzliche Gestaltungsoption bei der Erstellung und Verhandlung von Geschäftsführerdienstverträgen.

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