Foreign Subsidies: Entscheidung zu drittstaatlichen Subventionen

Im April 2024 durchsuchte die Europäische Kommission erstmals ein Unternehmen auf Grundlage der Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen. Mit Beschluss vom 12.8.2024 hat der Präsident des Europäischen Gerichts den Antrag des betroffenen chinesischen Konzerns auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Er ebnet damit weitreichenden Ermittlungsmaßnahmen den Weg.

Rechtlicher Kontext

Seit Juli 2023 ermöglicht die Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen der Europäischen Kommission die Prüfung von finanziellen Zuwendungen von Nicht-EU-Staaten an Unternehmen. Damit soll verhindert werden, dass solche Subventionen den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt zulasten anderer Unternehmen verfälschen. Geprüft werden öffentliche Ausschreibungen und Unternehmenszusammenschlüsse ab bestimmten Schwellenwerten. Die Kommission als Durchsetzungsbehörde kann aber (wie im vorliegenden Fall) auch von sich aus Untersuchungen einleiten.

Gibt es Hinweise auf den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen, so darf die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Ermittlungen auch die Geschäftsräume von Unternehmen in der EU durchsuchen und dabei Geschäftsdaten sicherstellen. Theoretisch kann die Kommission sogar Nachprüfungen außerhalb der EU durchführen, vorausgesetzt das Drittland ist damit einverstanden. Die Ermittlungsbefugnisse der Kommission sind damit deutlich weiter als bei staatlichen Beihilfen von EU-Mitgliedstaaten: Das EU-Beihilferecht erlaubt keine Durchsuchungen.

Politisch lag der Fokus bei der Einführung der Verordnung auf staatlich subventionierten chinesischen Unternehmen. Die Regeln der Verordnung gelten aber im Ansatz für alle Unternehmen und alle drittstaatlichen Zuwendungen, also etwa auch steuerliche Begünstigungen der USA für ein deutsches Unternehmen. Die Europäische Kommission hat aufgrund der neuen Verordnung bereits mehrere vertiefte Prüfungen von finanziellen Zuwendungen der Volksrepublik China eingeleitet. Die bislang einzige Kommissionsentscheidung in der Sache betrifft indes staatliche Garantien der Vereinigten Arabischen Emirate für ein Telekommunikationsunternehmen.

Sachverhalt

Vom 23. bis 26. April 2024 hat die Europäische Kommission die Geschäftsräume von Nuctech in Warschau und Rotterdam durchsucht, um Hinweisen auf marktverzerrende ausländische Subventionen nachzugehen. Nuctech stellt Sicherheitsausrüstung wie Gepäck- und Personenscanner für See- und Flughäfen her. Das Unternehmen wird von einer börsennotierten chinesischen Gesellschaft kontrolliert, der enge Verbindungen zu einem chinesischen Staatskonzern nachgesagt werden. Im Rahmen der Untersuchung hat die Kommission auch Zugang zu den elektronischen Postfächern mehrerer Angestellter verlangt, die chinesische Staatsbürger sind und deren Korrespondenz auf Servern der Muttergesellschaft in China gespeichert ist. Gegen die Beschlüsse der Europäischen Kommission klagt Nuctech vor dem Europäischen Gericht und begehrte zugleich im vorläufigen Rechtsschutz eine Aussetzung der Beschlüsse.

Beschluss des Europäischen Gerichts

Das Europäische Gericht hat den Antrag auf Aussetzung der Beschlüsse abgewiesen.

Das Gericht befand, dass EU-Recht (wie die Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen) auch auf Unternehmen mit Sitz in Drittländern und Handlungen in Drittländern anwendbar ist, solange das Handeln des Unternehmens nur vorhersehbare, unmittelbare und erhebliche Auswirkungen innerhalb der EU habe. Die Europäische Kommission dürfe in solchen Fällen auch Auskünfte von Unternehmen außerhalb der EU verlangen.

Auch inhaltlich seien die Beschlüsse nach vorläufiger Beurteilung rechtmäßig. Die Klägerinnen hätten nicht dargetan, dass sie keinen Zugriff auf die begehrten Informationen in China hätten. Ebenso wenig hätten sie detailliert erläutert, warum sie nach chinesischem Recht an einer Herausgabe gehindert seien. Soweit die Klägerinnen eine Strafbarkeit der Weitergabe von Staatsgeheimnissen ohne Zustimmung der chinesischen Behörden ins Feld führen, hätten sie weder dargelegt, dass die E-Mail-Postfächer tatsächlich Staatsgeheimnisse enthalten, noch dass sie versucht hatten, die Zustimmung der chinesischen Behörden einzuholen.

Ohnehin richte sich die Wirksamkeit der Beschlüsse ausschließlich nach EU-Recht und nicht etwa nach chinesischem Recht. Die Klägerinnen hätten sich entschieden, auf dem EU-Markt tätig zu werden, und seien somit – wie alle anderen Unternehmen auch – dessen Regeln unterworfen. Das gelte erst recht, wenn wie hier die Geschäftstätigkeit des Unternehmens in der EU im Fokus stünde.

Fazit

Es handelt sich zwar nur um eine Entscheidung des Gerichts im einstweiligen Rechtsschutz, nach den sehr klaren Aussagen des Gerichts erscheint die Entscheidung in der Hauptsache indes bereits vorgezeichnet.

Das Gericht heißt damit eine Praxis des weitreichenden Zugriffs der Europäischen Kommission auf Unternehmensdaten – auch auf Daten im Ausland – gut. Dieser Ansatz ist schon deswegen sinnvoll, weil ansonsten Ermittlungsmaßnahmen sehr leicht umgangen werden könnten und EU-Unternehmen mit lokal gespeicherten Daten benachteiligt wären.

Die Europäische Kommission wird sich damit in ihrem Vorgehen bestätigt sehen. Dementsprechend ist in den kommenden Jahren mit weiteren proaktiven Ermittlungen wegen drittstaatlicher Subventionen zu rechnen, auch gerade gegen chinesisch kontrollierte Unternehmen.

Für die betroffenen Unternehmen sind dabei insbesondere unangekündigte Durchsuchungen sehr einschneidend. Daher lohnt es sich, die weiteren rechtlichen und politischen Entwicklungen rund um den Umgang mit drittstaatlichen Subventionen eng zu verfolgen. So hatte es im Fall von Nuctech durchaus Warnzeichen gegeben: Mehrere Medienberichte und mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments hatten sich kritisch über den Einsatz der chinesischen Technologie von Nuctech in einem so sensiblen Bereich wie dem Grenzschutz geäußert.

Bei alldem sind Unternehmen auch nicht rechtsschutzlos. Wie es geht, hat kürzlich Lagardère gezeigt: Der französische Medienkonzern hat gegen einen Auskunftsbeschluss der Europäischen Kommission erfolgreich vorgebracht, dass eine Offenlegung von privater Korrespondenz von Angestellten ohne deren Einwilligung nach französischem Recht mit einer Freiheitsstrafe sanktioniert werden könne und dass man erfolglos versucht habe, die Einwilligung der Betroffenen zu einer Offenlegung einzuholen. Der Beschluss des Vizepräsidenten des Europäischen Gerichtshofs betraf zwar eine Untersuchung wegen eines möglichen Verstoßes gegen das fusionskontrollrechtliche Vollzugsverbot bei der Übernahme von Lagardère durch Vivendi – sie lässt sich jedoch ohne Weiteres auch auf Untersuchungen wegen drittstaatlicher Subventionen übertragen.


Schlagworte zum Thema:  Wettbewerbsrecht