Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich

Der Käufer hat im B2B-Bereich Waren sofort nach ihrer Ablieferung auf Sachmängel zu prüfen. Erkennbare Mängel sind dem Verkäufer unverzüglich anzuzeigen. Versäumt der Käufer die fristgemäße Anzeige, verliert er in Bezug auf erkennbare Mängel sämtliche Rechte und Ansprüche.

Untersuchungspflicht nach § 377 HGB

Bei Handelskäufen im B2B-Bereich trifft den Käufer nach § 377 HGB eine Untersuchungspflicht: Er hat die Waren sofort nach Erhalt zu prüfen, und zwar daraufhin, ob es sich um die richtigen Waren handelt, ob der Verkäufer die vertraglich vereinbarte Menge geliefert hat und ob die Waren Sachmängel aufweisen. Die Prüfung muss unverzüglich nach Eingang der Waren beim Käufer erfolgen. Welches Zeitfenster zwischen Ablieferung und Untersuchung noch als „unverzüglich“ einzustufen ist, lässt sich pauschal nicht bestimmen. Entscheidend sind Faktoren wie die Beschaffenheit der Waren, Branche, Betriebsgröße, Betriebsorganisation und die Notwendigkeit einer komplexen Untersuchung. Bei schnell verderblicher Ware können nur wenige Stunden für die Untersuchung der Waren fristgemäß sein. Bei technisch anspruchsvollen Waren gilt in Ausnahmefällen eine Prüfung innerhalb von ein bis zwei Wochen noch als „unverzüglich“.

Art und Umfang der Untersuchung

Art, Form und Umfang der Untersuchung richten sich wiederum nach der Beschaffenheit, der Menge und dem Verwendungszweck der Waren. Zu berücksichtigen sind außerdem die für die Prüfung erforderlichen Kosten, der anfallende Zeitaufwand, drohende Mangelfolgeschäden sowie die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten. Der Umfang der Untersuchung muss sich im Rahmen des Üblichen und Zumutbaren bewegen. Eine „Rundum-Untersuchung“ auf sämtliche in Betracht kommende Mängel der Waren ist nicht erforderlich. Bei größeren Warenmengen ist eine Untersuchung in Form von repräsentativen Stichproben regelmäßig ausreichend. Bei Sukzessiv- und Teillieferungen hat der Käufer jedoch jede Einzellieferung separat zu prüfen.

Rügeobliegenheit des Käufers

Entdeckt der Käufer bei Prüfung der Waren Mängel, ist er verpflichtet, dem Verkäufer die Mängel unverzüglich anzuzeigen – ihn trifft damit eine sogenannte Rügeobliegenheit. Dabei muss er den Verkäufer über Art und Umfang des Mangels informieren. Bei größeren Warenmengen ist stets ein Richtwert anzugeben, wie viele Einzelstücke schätzungsweise Mängel aufweisen. Liegen mehrere Mängel vor, sind sämtliche Mängel anzuzeigen. Jede Teil- und Sukzessivlieferung ist eigenständig zu rügen. Pauschale Beanstandungen genügen regelmäßig nicht. Die Mängelanzeige bedarf keiner bestimmten Form, sofern vertraglich nichts Abweichendes vereinbart ist. Aus Nachweisgründen ist jedoch die Einhaltung der Schriftform ratsam. Denn der Käufer hat im Zweifel nachzuweisen, dass der Verkäufer die Mängelanzeige erhalten hat. Dabei genügt es für die Erhaltung der Rechte des Käufers, dass der Käufer die Mängelanzeige rechtzeitig absendet. Die eigentliche Rügefrist schließt sich unmittelbar an die Untersuchungsfrist an. Sie beträgt aufgrund heutiger moderner Kommunikationsmittel regelmäßig nicht mehr als ein bis zwei Werktage. Mängel leicht verderblicher Ware wie Obst oder Blumen sind im Übrigen erheblich schneller, unter Umständen innerhalb weniger Stunden, zu rügen.

Rechtsfolgen bei unterlassener oder verspäteter Mängelanzeige

Zeigt der Käufer erkennbare Mängel nicht oder nicht rechtzeitig an, verliert er sämtliche Ansprüche und Rechte, die auf den nicht oder zu spät gerügten Mängeln beruhen. Das umfasst alle Gewährleistungsansprüche im weitesten Sinne in Bezug auf Mängel, die bei ordnungsgemäßer Untersuchung der Ware erkennbar gewesen wären. Zeigt sich erst später ein Mangel, der bei ordnungsgemäßer Untersuchung der Ware nicht erkennbar war, muss der Käufer dem Verkäufer den Mangel sofort nach Entdeckung anzeigen. Andernfalls gilt die Ware in Ansehung dieses verdeckten Mangels als genehmigt; der Käufer verliert jegliche Rechte und Ansprüche in Bezug auf den Mangel.

Mit Fragen rund um die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit beim Handelskauf hat sich jüngst das OLG Bremen beschäftigt.


Hintergrund

In dem zugrunde liegenden Fall forderte der Käufer vom Verkäufer Schadensersatz wegen der Lieferung mangelbehafteter Edelstahlbauteile. Ohne Erfolg. Einige Edelstahlbauteile waren zwar unstreitig mangelhaft. Dennoch wies das OLG Bremen die Klage ab. Denn der Käufer hatte den Mangel erst 15 Tage nach Lieferung der Edelstahlbauteile und der zugehörigen Prüfzeugnisse angezeigt.

Einige Edelstahlbauteile waren mangelhaft, weil sie entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht von entsprechend registrierten und zertifizierten Herstellern stammten. Das war anhand der zugehörigen Prüfzeugnisse erkennbar. Der Käufer hätte den Mangel bei ordnungsgemäßer und fristgerechter Kontrolle der Prüfzeugnisse aufdecken und anzeigen können. Er hatte zwar Stichproben durchgeführt. Repräsentative Stichproben sind aber nur bei gleichartigen Massegütern geeignet, um der Untersuchungsobliegenheit zu genügen. Der Verkäufer hatte allerdings keine gleichartigen Massengüter geliefert, sondern Stahlbauteile verschiedener Art zur Anfertigung von komplexen Rohranlagen, jeweils in diversen Abmessungen und Stärken. Bei der Untersuchung der Lieferung einer Vielzahl von Bauteilen unterschiedlichster Art und Abmessungen von verschiedenen Herstellern darf sich der Käufer jedenfalls dann nicht auf Stichproben beschränken, soweit ihm die Kontrolle der vereinbarten Beschaffenheit durch Belegabgleich und einfache Sichtprüfung möglich ist und andernfalls erhebliche Mangelfolgeschäden drohen. So war es vorliegend. Denn für den Käufer war absehbar, dass durch den Verbau der diversen Edelstahlbauteile im Falle von Mängeln erhebliche Kosten durch den Ein- und Ausbau anfallen dürften. Die Mängel wären für den Käufer demgegenüber mit vertretbarem Aufwand durch eine Kontrolle der Prüfzeugnisse erkennbar gewesen. Auch die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft durch den Verkäufer entbindet den Käufer nicht von seinen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten. Ein durch die Garantie des Verkäufers hervorgerufenes (besonderes) Vertrauen in die Existenz (bzw. das Fehlen) der betreffenden Beschaffenheit führt nicht dazu, dass der Käufer auf die Garantie blind vertrauen und auf die Untersuchung verzichten darf oder weniger Sorgfalt aufwenden muss.

Zwar wird die Dauer der zuzubilligenden Untersuchungsfrist davon beeinflusst, dass die Untersuchung von der Übersendung begleitender technischer Unterlagen abhängig ist. Eine Mängelanzeige innerhalb von zwei Wochen, beginnend ab Ablieferung der Ware oder aber ab Zugang der Prüfzeugnisse, je nachdem, welches später erfolgte, war dennoch geboten. Da der Käufer die Mängelrüge erst 15 Tage nach Erhalt der Ware und der gesondert übermittelten Prüfzeugnisse ausgesprochen hatte, war diese nicht mehr unverzüglich. Der Käufer ist daher seiner Rügeobliegenheit nicht fristgemäß nachgekommen. Dadurch hat er sämtliche Mängelgewährleistungsrechte (§ 437 BGB) in Bezug auf die bei ordnungsgemäßer Prüfung erkennbaren Mängel verloren. Entsprechendes gilt für alle Ansprüche im weitesten Sinne, die auf den bei ordnungsgemäßer Prüfung erkennbaren Mängeln beruhen.


Anmerkungen und Praxistipp

Das Urteil des OLG Bremen verdeutlicht die Notwendigkeit, mit den Anforderungen und den Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich vertraut zu sein. Bei Handelsgeschäften sind eine angemessene Warenprüfung und entsprechende Mängelanzeige unmittelbar nach Erhalt der Ware unentbehrlich.

Wie und wann die Ware genau zu untersuchen ist, ergibt sich nicht eindeutig aus dem Gesetz. Daher empfehlen sich Individualvereinbarungen in Bezug auf anwendbare Fristen und die Art und Weise der Untersuchung, um Unstimmigkeiten und Streitigkeiten im Vorfeld zu begegnen. Zulässig ist auch ein vollständiger Ausschluss der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des Käufers – etwa im Hinblick auf die Warenausgangsprüfung, die beim Verkäufer stattfindet. Dafür ist allerdings eine individuelle Vereinbarung erforderlich; AGB oder standardisierte Qualitätssicherungsvereinbarungen genügen nicht.

Besonderheiten ergeben sich bei grenzüberschreitenden Handelskäufen. Haben Käufer und Verkäufer keine Rechtswahl getroffen, werden Untersuchungs- und Rügeobliegenheit in der Regel nach dem am Sitz des Verkäufers geltenden Rechts bestimmt. Für gewöhnlich ist dann vorranging das UN-Kaufrecht heranzuziehen. Das UN-Kaufrecht unterscheidet zwar ebenso zwischen der Untersuchungsobliegenheit und der Mängelrüge. Es besteht aber kein Gleichlauf zwischen den Anforderungen und der inhaltlichen Ausgestaltung der Vorschriften. Das UN-Kaufrecht ist in Bezug auf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit käuferfreundlicher als das deutsche Recht – insbesondere die Rügefrist ist nach dem UN-Kaufrecht aus Sicht des Käufers deutlich großzügiger bemessen.


(OLG Bremen, Urteil v 17.3.2023, 2 U 32/20)


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