Zusammenfassung
Unter Ergonomie versteht man in erster Linie das Anpassen der Arbeitsbedingungen an die Fähigkeiten und Eigenschaften des arbeitenden Menschen. Man versteht aber auch darunter die Anpassung des Menschen an die Arbeit. Aufgabe der Ergonomie ist es, die Wechselbeziehung Mensch, Arbeit und Technik zu harmonisieren. Dadurch soll eine größtmögliche Arbeitszufriedenheit, ein möglichst kleines Unfall- und Gesundheitsrisiko für die Mitarbeiter und größtmöglicher wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen erreicht werden.
1 Verhältnis- und Verhaltensergonomie: Nur gemeinsam sinnvoll
Ergonomie versteht sich als interdisziplinäre Wissenschaft, die aus den Erkenntnissen der Medizin, Biologie, Physiologie, Psychologie und Ingenieurwissenschaften schöpft. In Deutschland ist sie Teil der Arbeitswissenschaft und differenziert sich immer stärker aus. So wird das Wort Ergonomie immer häufiger gezielt mit Fachthemen kombiniert, wie z. B.
- Farbergonomie,
- Produktergonomie,
- Software-Ergonomie,
- Systemergonomie,
- Verhaltensergonomie,
- Verhältnisergonomie.
Verhältnisergonomie beschreibt die ergonomische Gestaltung der zur Erfüllung der Arbeitsaufgabe nötigen Arbeitsmittel und der dazugehörigen Arbeitsumgebung bestehend aus den Räumen, dem Inventar, den Lichtverhältnissen, der Luftzufuhr, Lärm von außen und innen.
In diesen Zusammenhang ist Produktergonomie nur die Reduktion der ergonomischen Anforderungen auf ein einzelnes Produkt, wobei dies immer im Zusammenspiel mit den anderen zur Erledigung der Arbeitsaufgabe zur Verfügung stehenden Verhältnissen zu sehen ist. So ist das prozessuale Zusammenspiel der Verhältnisse (Systemkette) in der Interaktion mit dem Mitarbeiter (Verhaltensergonomie) als Ganzes (System – Systemergonomie) zu betrachten.
Produkt- (Verhältnis-)ergonomie ist nur ein Teil, erst das richtige Benutzen schafft Nutzen (Verhaltensergonomie).
Verhaltensergonomie beschreibt "das ergonomische Verhalten am Arbeitsplatz und bedeutet, dass sich das Verhalten eines Mitarbeiters bei der Arbeit an anthropometrischen, biomechanischen und physiologischen Gesetzen orientiert. Seine Handlungen folgen den daraus abgeleiteten gesundheitsbewussten und gesundheitserhaltenden Regeln mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit zu steigern, Ermüdung zu reduzieren, Schädigungen zu vermeiden und eigene Ressourcen zu stärken."
Dem Trend der Ganzheitlichkeit folgend taucht der Begriff "ganzheitliche Ergonomie" auf. Das Feld ist durch die Systemergonomie bereits seit über 20 Jahren besetzt. Es ist im Sinne "der Arbeitsplatz ist mehr als die Summe seiner Einzelteile" begrüßenswert, wenn der Blick weiter gefasst wird. Es muss aber wo Ganzheitlichkeit draufsteht auch Ganzheitlichkeit im Sinne des Begriffes Arbeitssystem (vgl. prEN ISO 6383:2014) drin sein. Das bedeutet, es gilt zu betrachten:
- den gesamten Lebenszyklus des Arbeitssystems,
- den Prozess an sich,
- die Interaktion der Verhältnisse,
- physische und psychische Arbeitsbelastungen und deren Wechselwirkungen, z. B. Beruf und Familie mit der Pflege von Angehörigen,
- feste und flexible Arbeitsplätze.
2 Ergonomie und Arbeitsschutzrecht
Da Ergonomie eine äußerst dynamische Wissenschaft ist, hinken die nationalen und europäischen Regelwerke und Vorschriften den Erkenntnissen der Ergonomie zum Teil ganz erheblich hinterher. Der in vielen Vorschriften enthaltene Begriff der "gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse" und die Verpflichtung diese zu beachten, ist rechtlich also eine Form der notwendigen Aktualitätsgarantie.
Die Pflicht, die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen, enthalten z. B.
§ 4 Arbeitsschutzgesetz bringt dies so zum Ausdruck: "Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: … bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen."
Leider sind diese allgemeinen Grundsätze nur wenigen in Ihrer Bedeutung und Konsequenz bekannt bzw. noch weniger werden diese in der Praxis angewendet. So ist Prof. Rühmann beizupflichten:
Zitat
Es soll nicht verschwiegen werden, dass die Verhaltensergonomie oft die einzige Möglichkeit darstellt, mit der sich der Mitarbeiter vor einem erhöhten Gesundheitsrisiko schützen kann, und nicht immer stellen derartige Maßnahmen eine Bankrotterklärung der Verhältnisergonomie dar.
Der Arbeitgeber ist besonders dem Mitarbeiter verpflichtet. Er hat Maßnahmen zum Schutz des Mitarbeiters zu treffen, diese zu überprüfen und anzupassen. "Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben." (§ 3 ArbSchG).
Kein einmaliger Prozess
Das ist kein einmaliger, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der sich am sinnvollsten mit der Gefährdungsbeurteilung verbinden lässt, wenn diese auch kontinuierlich entsprech...