Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Bei der Entscheidung für eine Evakuierungsübung sollten sich die Verantwortlichen darüber im Klaren sein, dass eine Evakuierungsübung mit einem gewissen, unvermeidlichen Maß an Arbeitszeitverlust und Betriebsstörungen einhergeht. Umso wichtiger ist es, dass diese Maßnahme zielgerichtet eingesetzt und sorgfältig vor- und nachbereitet wird.
Evakuierungsübungen können nur dann einen positiven Effekt haben, wenn die Betroffenen sie als sinnvolle Sicherheitsmaßnahme akzeptieren. Dazu muss spürbar werden, dass die Betriebsführung – nicht etwa nur die zuständige Fachabteilung – die Übungen mit Ernst und Nachdruck betreibt. Bei Vorbereitung, Durchführung und Auswertung muss stets alles vermieden werden, was die Übung lächerlich, schikanös oder beängstigend erscheinen lässt.
2.1 Evakuierungskonzept
Nach DGUV-I 205-033 hat der Arbeitgeber zunächst in einer Gefährdungsermittlung zu prüfen, welche Risiken zu einer Evakuierung führen können und welche Maßnahmen in diesem Fall erforderlich sind. Dabei spielen folgende Faktoren eine Rolle:
- Betriebsgröße (Anzahl der Beschäftigten und anwesenden Dritten),
- Betriebsart bzw. Wirtschaftszweig,
- Gebäudeart (Gebäude besonderer Art und Nutzung: Sonderbauten, Verkaufsstätten, Beherbergungsstätten, Garagen, Versammlungsstätten, Hochhäuser, Industriebauten, Schulen),
- Schichtarbeit,
- besondere Bereiche oder Abteilungen, Baustellen usw.
- spezielle Anforderungen aufgrund der Art und Nutzung des Gebäudes (z. B. Krankenhaus, Hotel, Einkaufszentrum, Industriebetrieb, Pflegeheim),
- spezielle Personengruppen: z. B. Kinder, Schülerinnen und Schüler, Studierende, Menschen mit Behinderung, Publikumsverkehr, Fremdfirmen
Dementsprechend ist das Evakuierungskonzept zu erarbeiten. Die DGUV-I 205-033 bietet dazu Muster und Checklisten.
Evakuierungshelfer – ist diese Funktion sinnvoll?
In der DGUV-I 205-033 wird davon abgeraten. Es heißt dort in Abschn. 1.1:
"Da der betriebliche Evakuierungsplan jeder anwesenden Person im Unternehmen bekannt gemacht werden muss, sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Maßnahmen im Notfall zu unterweisen. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter haben eigenverantwortlich auf eigene Kolleginnen und Kollegen, andere anwesende Personen und z. B. Menschen mit Behinderungen zu achten. Eine Qualifizierung einiger weniger Personen ist nicht zielführend."
Wenn allerdings doch im Einzelfall das Notfallkonzept eines Unternehmens Beschäftigte vorsieht, die Aufgaben im Zusammenhang mit der Evakuierung übernehmen, müssen diese nach Abschn. 11 Abs. 3 ASR A2.3 mindestens jährlich betriebsspezifisch unterwiesen werden.
2.2 Ziele einer Evakuierungsübung
Lernziele bzw. Ergebnisse einer solchen Übung beziehen sich v. a. auf folgende Fragen:
- Werden alle Beschäftigten vom Evakuierungssignal erreicht?
- Verhalten sie sich dem Notfall- bzw. Evakuierungskonzept entsprechend?
- Wie lange dauert die Evakuierung?
- Gelingt es, auf dem Sammelplatz die Anwesenheit in einer vertretbaren Zeit festzustellen?
2.3 Planung
Wenn bis dahin noch gar keine oder schon sehr lange keine Evakuierungsübung mehr stattgefunden hat, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
- Vorbereitung und Durchführung einer angekündigten Übung,
- Auswertung, ggf. Nachbesserungen im Notfallkonzept,
- weitere Übungen teil- oder unangekündigt.
Unangekündigte Übungen
Zwar besteht bisweilen die Vorstellung, mit einer spontanen unangekündigten Übung könne den Betroffenen besonders drastisch vor Augen geführt werden, welche Probleme im Notfallkonzept eines Betriebs/eines Gebäudes möglicherweise bestehen. Jedoch ist davon auszugehen, dass dadurch unnötig Aufregung, Kritik und womöglich sogar Panik heraufbeschworen werden, die jeden erwünschten Lerneffekt zunichtemachen.
Bei der Vorbereitung einer Evakuierungsübung sind folgende Punkte zu berücksichtigen:
- Grundsätzlich hat eine Evakuierungsübung nur dann Sinn, wenn ein funktionierendes Notfallkonzept in einem Betrieb vorliegt (Brandschutzordnung, ggf. Flucht- und Rettungspläne, Einteilung von Räumungshelfern usw.) und dieses den Beschäftigten hinreichend bekannt ist. Die entsprechenden Unterweisungen zum Thema "Verhalten im Notfall" sind dazu unverzichtbar – ein Blatt Papier, zur Kenntnisnahme herumgereicht, nützt da i. d. R. wenig.
- In jedem Fall sollte die örtliche Feuerwehr über die geplante Übung informiert werden, wenn sie nicht ohnehin involviert ist. Bei einer erstmalig durchgeführten Übung sollte geklärt werden, ob das Notfallkonzept des Betriebs bzw. der Ablauf der geplanten Übung sich tatsächlich mit der Einsatzplanung der Feuerwehr deckt. Ob und wie betriebliche Evakuierungsübungen vonseiten der Feuerwehren unterstützt werden können, ist sehr unterschiedlich. Die Teilnahme größerer Feuerwehrkontingente ist i. d. R. zu aufwendig und für die angestrebten Ziele betrieblicher Evakuierungsübungen auch nicht dringend erforderlich. I. d. R. begleiten aber bei Bedarf Feuerwehrangehörige beratend solche Übungen.
- Bei regelmäßig wiederkehrenden Übungen, besonders wenn sie auf dem Betriebsgelände ohne Öffentlichkeitseffekt durchgeführt werden können, wird nic...