In der Forschung wird aktuell diskutiert, ob Exoskelette bei Arbeitsprozessen in der Industrie tatsächlich den Körper unterstützen oder lediglich die Lasten verteilen, d. h., ob die Erhöhung der körperlichen Belastung infolge der Anwendung von Exoskeletten an einer anderen Körperstelle zu einem Schaden führen kann.
Obwohl in zahlreichen kleineren Laborstudien bereits einzelne Wirkeffekte von Exoskeletten beschrieben wurden, ist der tatsächliche Nutzen in der betrieblichen Praxis weitgehend unerforscht. Bei den bisherigen Laborstudien konnten die in der betrieblichen Praxis vorkommenden Tätigkeiten in Bezug auf Ausprägung und Dauer nicht 1:1 abgebildet werden, daher ist ihr Wert für die Betriebspraxis fraglich.
Eine umfangreiche Labor-Studie des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in den Jahren 2017/18 konnte allerdings zum ersten Mal im Labor Haltungen testen, wie sie in der betrieblichen Praxis tatsächlich vorkommen, und daher erstmalig Antworten darauf geben, inwiefern durch Exoskelette bestimmte Tätigkeiten gefördert oder beeinträchtigt werden. Mittels biomechanischer Bewegungsanalysen der wichtigsten Tätigkeiten und Haltungen wurden im Rahmen dieser Studie die Nutzeffekte über den Verlauf einer gesamten Arbeitsschicht quantifiziert. Erste Ergebnisse zeigten, dass Exoskelette erst bei größeren Beugewinkeln deutlich außerhalb der Neutralstellung einen signifikanten Nutzeffekt liefern. Die Wirkung ist sowohl bei passiven als bei aktiven Exoskeletten nur unterstützend, d. h., dass vorrangig das Gewichtskraftmoment des unterstützten Körpersegments (teil-)kompensiert wird. Zusätzliche Lasten müssen weiterhin vom Muskel-Skelett-System getragen werden.
Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin wurde 2020 die AWMF-Leitlinie "Einsatz von Exoskeletten im beruflichen Kontext zur Primär-, Sekundär-, und Tertiärprävention von arbeitsassoziierten muskuloskelettalen Beschwerden" herausgegeben. Die beteiligten Experten werteten dabei alle wissenschaftlichen Studien weltweit zum Thema Exoskelette aus. Die analysierten Studien berichteten zwar häufig – jedoch nicht für jede Tätigkeit – über eine gewisse Belastungsminderung in den unterstützen Körperregionen. Aber zumindest bis zum Jahr 2020 hatte es keine einzige Langzeitstudie gegeben, sodass eine nachhaltige Präventivwirkung von Exoskeletten bis dahin noch nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte – weder für passive noch für aktive Modelle. Hinzu kam: Genauso häufig wie von den Vorteilen berichteten die analysierten Studien von potenziellen Risiken. Beschäftigte, die mit Exoskeletten gearbeitet haben, klagten häufig über Unannehmlichkeiten und sogar Beschwerden, insbesondere an den direkten Kontaktstellen sowie über Belastungs- und Beanspruchungszunahmen in anderen Körperbereichen.
Neuere Studien (nach 2020) haben zu keiner grundlegenden Änderung in der Einschätzung der Wirksamkeit geführt, aber neue wichtige Aspekte identifizieren können. Wissenschaftler der Universität Innsbruck und vom Institut für Arbeitsschutz (IFA) der DGUV haben im Rahmen des 2022 abgeschlossenen Forschungsprojekt "Exo@Work" einen Testparcours mit 9 verschiedenen Arbeitsszenarien aus der Logistikbranche entwickelt, um die Effekte des Exoskeletts auf die Bewegungsergonomie und die Beanspruchung des Muskel-Skelett-Systems zu untersuchen. Der Testparcours bot verschiedene Arbeitsszenarien sowie Nebentätigkeiten. Dabei wurden Entlastungseffekte in den Phasen zwischen Heben und Absetzen einer 5 und einer 13 kg schweren Box untersucht. In Studien im Labor sowie an betrieblichen Arbeitsplätzen wurde dann die Belastung von 80 Testpersonen gemessen – sowohl unter Einsatz passiver als auch aktiver Exoskelette. Das Ergebnis: Passive und aktive Exoskelette konnten die muskuläre Belastung bei diesen Tätigkeiten tatsächlich reduzieren. Aber nur in bestimmten Bewegungsphasen wie dem Heben und Senken einer schweren Last, die das Vorbeugen des Oberkörpers erfordern. Bei Tätigkeiten, die in aufrechter Haltung ausgeführt wurden, war kein entlastender Einfluss erkennbar. Exoskelette, so folgerten die Autoren, unterstützen in der Belastungsspitze vorrangig nur eine Körperregion, nicht den gesamten Körper. Auffällig war auch, dass sowohl passive als auch aktive Exoskelette ihre Spitzenkraft nicht zeitgleich mit der Muskulatur erreichten. Beim Anheben einer Last muss die Rückenmuskulatur die Spitzenbelastung zunächst selbst tragen. Exoskelette leisten nur eine Teilunterstützung, die zwischen 10 und 30 % der maximalen Gesamtbelastung erreichte. Die menschliche Muskelkraft blieb also entscheidend. Das Fazit der Studie: Exoskelette können einen positiven Einfluss auf die Bewegungstreue beim Heben und Senken haben und dazu beitragen, dass die Muskulatur langsamer ermüdet. Dies kann den Effekt haben, dass in der Praxis weniger Fehler bei den Arbeitsaufgaben gemacht werden und sich dadurch die Arbeitsleistung erhöht. Die Entlastungswi...