Um einen neuen zusätzlichen Prozess im Unternehmen zu implementieren, empfiehlt es sich, beim ersten Aufsetzen dieses Prozesses eine breitere Perspektive einzunehmen. Besonders lohnend ist es, bereits vorliegende Daten und Datenquellen in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. auch Abb. 1).
Abb. 1: Im Projekt "Einführung Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung" wird ein passender Prozess mit klaren Verantwortlichkeiten entwickelt und etabliert
3.1 Planung des Prozesses im Unternehmen
Zu Beginn wurden im Rahmen eines Auftaktworkshops folgende Themen entwickelt und abgestimmt:
Festlegung der Ziele der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Diese Ziele stellten sich auf mehreren Ebenen dar:
- Die Rahmenbedingungen in bestimmten Tätigkeiten werden einer Prüfung unterzogen. Die Geschäftsführung verpflichtet sich mit den Ergebnissen zu arbeiten, Rahmenbedingungen zu verbessern und die Akteure zu befähigen, mit dem Prozess umzugehen.
- Es wird ein Signal an die Beschäftigten gegeben, dass das Unternehmen dieses sensible Thema ernst nimmt und nachhaltig daran arbeiten wird.
Klärung der Verantwortlichkeiten im Prozess
Die Verantwortlichkeiten sind zwar rechtlich verankert, mussten jedoch zu Beginn durchdacht werden.
Im Ergebnis wurde festgehalten:
- Jede Führungskraft trägt die Verantwortung für den Prozess, für die Dokumentation und die Umsetzung der Ergebnisse in ihrem Verantwortungsbereich. Die Dokumentation der geplanten Maßnahmen mit entsprechender Wirksamkeitskontrolle kann nicht an die Personalabteilung oder an die Fachkraft für Arbeitssicherheit delegiert werden.
- Experten können entsprechend ihrer Qualifikation unterstützen; z. B. die Fachkraft für Arbeitssicherheit bei Fragen zur rechtssicheren Dokumentation, der Betriebsarzt im Umgang mit möglichen bereits vorhandenen psychischen Überlastungen oder die Personaler bei der Planung der Erhebung oder Entwicklung und Abstimmung von Maßnahmen.
- Der Betriebsrat wird entsprechend der gesetzlichen Regelungen in die Planung der Erhebung einbezogen, spezielle Maßnahmen werden abgestimmt.
3.2 Festlegung der möglichen Belastungsfaktoren
Bei der Vorstellung und Diskussion möglicher Belastungsfaktoren kam Erleichterung auf. Die meisten Faktoren waren bereits ständiger Bestandteil der regelmäßig stattfindenden Mitarbeiterbefragung. Bisher waren Verbesserungen zu konkreten Themen im Hinblick auf Effektivität und Zufriedenheit angesetzt worden. Dass damit auch die wesentlichen Einflussfaktoren psychischer Belastung erfasst werden, lag nicht gleich klar auf der Hand. Die Sorge, sich um die persönlichen Befindlichkeiten oder Stressfolgen im Rahmen dieser Analyse kümmern zu müssen, verstellte den Blick und förderte damit die Unsicherheit (vgl. auch Abb. 2).
Abb. 2: Konkreter Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung sind die Arbeitsbedingungen in Tätigkeitsgruppen
Die Rahmenbedingungen lassen sich in 4 wesentliche Merkmalsbereiche – Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung – gliedern. Tab. 1 enthält Beispiele möglicher Belastungsfaktoren.
Merkmalsbereiche |
Belastungsfaktoren (Beispiele |
Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe |
- Vollständigkeit der Aufgabe
- Handlungsspielraum
- Variabilität (Abwechslungsreichtum)
- Information/Informationsangebot
- Verantwortung
- Qualifikation
- emotionale Inanspruchnahme
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Arbeitsorganisation |
- Arbeitszeit
- Arbeitsablauf (Zeitdruck/hohe Arbeitsintensität, Taktbindung, Störungen/Unterbrechungen)
- Prozesse/Kooperation
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Soziale Beziehungen |
- zu Kollegen
- zu Vorgesetzten
- Anerkennung, Wertschätzung
- Unterstützung
- Zusammenarbeit im Team
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Arbeitsumgebung |
- physikalische, chemische Faktoren
- physische Faktoren
- Arbeitsplatz- und Informationsgestaltung
- Arbeitsmittel
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Tab. 1: Beispiele möglicher Belastungsfaktoren
Ausführlicher als die anderen Faktoren wurde die emotionale Inanspruchnahme diskutiert, die bei manchen Tätigkeiten besonders relevant erscheint – nicht nur im Beschwerdemanagement, sondern auch im Führungsalltag bei besonders kritischen Veränderungsprozessen.
3.3 Festlegung des Vorgehens zur Gefährdungsbeurteilung
Schritt 1: Im Beispielunternehmen wird alle 2 Jahre eine ausführliche Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Zum Zeitpunkt des Projektes lief gerade die Planung der erneuten Befragung. So wurde festgelegt, dass die anstehende Befragung i. S. eines ersten Überblicks für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung genutzt wird. In den vorhandenen Fragenkatalog wurden als relevant angesehene Themen ergänzt. Da das Unternehmen auch sehr kleine Funktionsbereiche hat, wurde mit Rücksicht auf die anonymisierte Auswertung nur ein grober Zuordnungsfilter gelegt. Erfragt wurde die Zugehörigkeit zu Organisationseinheiten, wie z. B. Verwaltung, Verkauf, Service/Wartung. Besondere Tätigkeitsgruppen innerhalb dieser Organisationseinheiten, Alter, Geschlecht, Dauer der Betriebszugehörigkeit wurden nicht erfasst.
Im Laufe dieser Planung wurde der Unterschied zur ...