Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst, Manfred Nedler
Im Hinblick auf die Kosten macht es Sinn, die Anzahl der Interviewpartner zu begrenzen. Die Qualität des Ergebnisses wird dadurch nur minimal beeinträchtigt, denn ab einer gewissen Anzahl von Gesprächen liefert jedes weitere Gespräch immer weniger zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Ziel einer Gefährdungsbeurteilung ist es ja nicht, jeder individuellen und speziellen Situation einzelner Beschäftigter gerecht zu werden, sondern die grundsätzlichen Belastungen und Beanspruchungen zu ermitteln. Für den Umgang mit individuellen Gefährdungen bedarf es im Unternehmen zusätzlicher Strukturen und Ansprechpartner, z. B. Betriebsarzt, betriebliche Konfliktberatung oder externe Partner (Employee Assistance Program/EAP).
Bei der Auswahl der Interviewpartner ist darauf zu achten, dass sie eine möglichst repräsentative Teilmenge der Gesamtgruppe darstellen hinsichtlich ihrer Arbeitsaufgaben, ihrer hierarchischen Position, ihres Geschlechtes, ihres Alters sowie ihrer Zugehörigkeit zum Unternehmen und zum betrachteten Arbeitsbereich. Es sollten dabei alle Personengruppen repräsentiert werden, z. B. auch Auszubildende oder Mitarbeitende aus der Arbeitnehmerüberlassung. Speziell auch Mitarbeitende aus unterschiedlichen Ländern bzw. kulturellen Hintergründen sollten in die Interviews miteinbezogen werden.
Alle Arbeitstätigkeiten berücksichtigen
Laut Arbeitsschutzgesetz müssen die Gefährdungen für alle Arbeitstätigkeiten ermittelt werden. Bei der erstmaligen Durchführung der Gefährdungsbeurteilung macht es Sinn, sich bei der Unterscheidung relevanter Tätigkeiten beraten zu lassen. So unterscheiden sich z. B. Büroarbeitsplätze durchaus durch unterschiedliche Belastungen. Unterschiede können z. B. in häufig verwendeter Software oder dem Kontakt mit Kunden bestehen.
Die Anzahl der Interviewpartner hängt ab von der Größe und der Homogenität bzw. Heterogenität des untersuchten Arbeitsbereiches. Hat eine Abteilung 50 Mitarbeiter, die nahezu die gleiche Arbeit verrichten, z. B. Kundenberatung für unterschiedliche Postleitzahlbereiche, so sollten 6 bis 8 dieser Beschäftigten interviewt werden. Arbeiten in dieser Abteilung jedoch unterschiedliche Berufsgruppen oder unterscheiden sich die Tätigkeiten deutlich, wird eine größere Anzahl an Gesprächen erforderlich sein.
Die Teilnahme an den Interviews muss freiwillig sein. Wenn Mitarbeitende dazu gedrängt werden, an einer Befragung teilzunehmen, kann nicht mit aussagekräftigen Ergebnissen gerechnet werden. Es ist nicht einfach, genügend Beschäftigte zu gewinnen, die dann repräsentativ für die gesamte Belegschaft und alle Tätigkeitsbereiche sein sollen. Hier kann es hilfreich sein, mit der Personalabteilung, dem Betriebs- oder Personalrat und den Führungskräften zu sprechen, um geeignete Interviewpartner zu identifizieren und direkt einladen zu können.
Auswahl der Interviewpartner in einem Krankenhaus
Die chirurgische Abteilung eines Krankenhauses beschäftigt 50 Mitarbeitende: 15 Ärzte, 30 Pflegekräfte, 2 Sekretärinnen und 3 Stationshelfer. Da die unabhängige Einschätzung des Untersuchenden nach Möglichkeit immer auf mehr als einem Gespräch beruhen sollte, wären in diesem Fall beide Sekretärinnen und mindestens 2 der 3 Stationshelfer zu interviewen. Von den Ärzten sollten ca. 5 (2 Oberärzte und 3 Stationsärzte) und von den Pflegekräften ca. 7 angesprochen werden, jeweils Männer und Frauen, jüngere und ältere. Insgesamt sollten in diesem Beispiel einer eher heterogenen Organisation ungefähr 16 von 50 Beschäftigten interviewt werden.
Wenn es unter Beachtung einer möglichst repräsentativen Auswahl noch Wahlmöglichkeiten gibt, sollte unter den infrage kommenden Interviewpartnern ausgelost werden.
Kriterien zur Auswahl der Mitarbeitenden
Folgende Aspekte sollten bei der Auswahl der Mitarbeitenden berücksichtigt werden, die zur Teilnahme an einem Interview eingeladen werden:
- Tätigkeitsbereich, Aufgabengebiet,
- Repräsentanz für die Zusammensetzung der gesamten Belegschaft,
- Freiwilligkeit.
Keinesfalls sollte versucht werden, Mitarbeitende unter dem Aspekt der Belastbarkeit oder des vermuteten gesundheitlichen Befindens auszuwählen. Auch sollten Mitarbeitende nicht danach ausgesucht werden, dass von ihnen positive Einschätzungen der Arbeitssituation zu erwarten sind.