Effektive Maßnahmen zur Reduzierung psychischer Belastungen im Betrieb
Antworten auf diese und weitere Fragen gibt die Unternehmensberaterin und Trainerin Julia Scharnhorst im Gespräch mit der Haufe-Arbeitsschutzredaktion.
Maßnahmen ableiten
Wie kann man aus einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen praktische Maßnahmen für den Betrieb ableiten?
Je konkreter die Belastungen durch die Gefährdungsbeurteilung herausgearbeitet wurden, desto einfacher ist es anschließend, passende Maßnahmen abzuleiten. Daher reicht es häufig nicht, nur einen allgemeinen Fragebogen zur Erhebung zu nützen. Sinnvoll ist es, auf der Grundlage einer Befragung direkt mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen, z. B. in Form von moderierten Analyse-Workshops oder Interviews. Falls noch wenig Erfahrung mit der Gefährdungsbeurteilung vorhanden ist, sollte anfangs eine psychologische Expertin oder ein Experte hinzugezogen werden, die auf wissenschaftlicher Grundlage passende Empfehlungen geben können.
Erst bei den Arbeitsbedingungen ansetzen
Gibt es einen Katalog von „Standardmaßnahmen“ für bestimmte Belastungen, auf den Betriebe dabei zugreifen können? Oder würden Sie empfehlen, alle Maßnahmen individuell zuzuschneiden?
Gerade bei den personenbezogenen Maßnahmen gibt es durchaus Standardmaßnahmen, die fast immer sinnvoll eingesetzt werden können. Dazu gehören z. B. Seminarangebote zu Themen wie Stress- und Zeitmanagement oder Trainings zur „gesundheitsgerechten Führung“. Laut Arbeitsschutzgesetz müssen Maßnahmen allerdings zuerst an den Arbeitsbedingungen ansetzen und diese sind ja von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Die Anpassung der Arbeitsbelastung oder der Arbeitsumgebung ist in den meisten Unternehmen sinnvoll. Für viele Themen gibt es bereits Expertenempfehlungen, auf die Unternehmen bei Bedarf zugreifen können, z. B. was Lärmschutz oder die Gestaltung von Schichtarbeit angeht.
Maßnahmen priorisieren
Können Unternehmen Prioritäten bei der Durchführung der Maßnahmen setzen oder muss alles sofort umgesetzt werden, um Rechtsfolgen zu vermeiden?
Eine sofortige Umsetzung aller wünschenswerten Maßnahmen ist häufig gar nicht möglich. Die Betriebe dürfen durchaus nach verschiedenen Aspekten Prioritäten festlegen. Natürlich müssen die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, die besagen, dass zuerst bei den Verhältnissen – also den Arbeitsbedingungen – angesetzt werden muss. Um die Akzeptanz im Unternehmen zu fördern ist es aber auch sinnvoll, frühzeitig auf besondere Wünsche der Belegschaft einzugehen oder die „Quick Wins“ mitzunehmen, also mit Maßnahmen zu beginnen, die wenig Aufwand machen, aber viel Verbesserung bringen können. Auch wissenschaftliche Erkenntnisse können dabei helfen, die effektivsten Maßnahmen zu finden, mit denen man starten sollte.
Mitarbeiter durch Kommunikation einbeziehen
Wie kommuniziert man die Maßnahmen am besten im Betrieb, um alle Mitarbeiter „mitzunehmen“?
Eine fortlaufende und transparente Information der Belegschaft ist essenziell wichtig, damit die Gefährdungsbeurteilung und die anschließenden Maßnahmen auch von allen mitgetragen werden. Meiner Erfahrung nach erwarten die Beschäftigten sehr schnell Ergebnisse und Fortschritte. Daher ist es wichtig, fortlaufend Informationen zu geben – selbst wenn man nur mitteilt, dass noch nicht viel umgesetzt werden konnte.
Dafür ist eine eigene Kommunikationsplanung hilfreich. Wenn z. B. in einer Betriebsversammlung der genaue Zweck und der zeitliche Ablauf der Gefährdungsbeurteilung sowie der Umgang mit den Ergebnissen und die Maßnahmenumsetzung erläutert werden, kann das Ungeduld und falsche Erwartungen eindämmen. Es ist auch wichtig klarzumachen, dass die Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastung keine psychologische Diagnostik o. Ä. der Beschäftigten beinhaltet, sondern dass es nur um eine Überprüfung der Arbeitsbedingungen geht. Dann sollte immer wieder über die internen Kommunikationswege über den aktuellen Stand berichtet werden.
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Wirksamkeit der Maßnahmen messen
Wie sieht es mit der Wirksamkeit der Maßnahmen aus? Gibt es leicht handhabbare Instrumente für Betriebe, um diese festzustellen?
Am besten ist es, wenn die Überprüfung der Wirksamkeit schon von Anfang an mit eingeplant wird. Denn es müssen ja vorher und nachher Daten erhoben werden, die man dann vergleichen kann. Am einfachsten ist es, den Fragebogen, der schon für die Gefährdungsbeurteilung eingesetzt wurde, nach einem passenden zeitlichen Abstand noch einmal zu verteilen. Ich finde es sehr sinnvoll, auch schon vorab bestimmte Zielgrößen festzulegen, so dass man schnell die Erfolge feststellen kann. Dabei geht es nicht nur um die Qualität der Maßnahme selbst, sondern auch um die Akzeptanz und Inanspruchnahme durch die Belegschaft, z. B. die Beteiligungsquoten an Angeboten. Damit das möglich wird, müssen solche Daten von Anfang dokumentiert werden.
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