Wie sich Arbeitsplätze altersfreundlich gestalten lassen

Die Erwerbstätigkeit älterer Menschen ist in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Für Unternehmen gewinnt der Verbleib von älteren Beschäftigten auch deshalb an Bedeutung, weil Nachwuchs und Fachkräfte fehlen. Mit einigen gezielten Maßnahmen kann es gelingen, ältere und älter werdende Menschen in ein aktives Berufsleben zu integrieren.

Ältere Beschäftigte müssen mit Verlusten und Einschränkungen leben, allerdings steht auch der Gewinn einiger Ressourcen zu Buche, wie Erfahrung, Stabilität und bessere soziale Vernetzung.

Berücksichtigung von Stärken und Schwächen

Um sowohl Stärken als auch Schwächen dieser Menschen bei der Arbeitsplatzgestaltung zu berücksichtigen, stehen Unternehmen vor der Frage nach dem gelingenden Wie:

  • Wie lassen sich Arbeitsplätze altersfreundlich gestalten?
  • Wie kann es gelingen, die Ressourcen und Verluste älterer Menschen angemessen zu berücksichtigen?

Das SOK-Modell nach Paul B. Baltes und Margret M. Baltes beschäftigt sich aus der Sozialwissenschaft heraus mit gelingendem Altern. Das Akronym S - O - K steht für Selektion, Optimierung und Kompensation.

Verluste ausgleichen

Das Modell bezieht sich auf Altersprozesse im Allgemeinen, es bietet jedoch auch wertvolle Impulse für das Arbeitsleben. Es versucht zu beschreiben, wie sich die Verluste mit den vorhandenen Ressourcen kombinieren lassen. Indem Selektion betrieben wird, ermöglicht man älteren Menschen, in einem bestimmten Aufgabengebiet Experte zu bleiben und die vorhandenen Fähigkeiten hierauf zu bündeln. Optimierung dient dazu, Ressourcen beizubehalten. Hier ist es wichtig, gezielt in den Erhalt von Fähigkeiten zu investieren und im Training zu bleiben, zum Beispiel durch Fortbildungen.

Bei der Kompensation werden entstandene Verluste ausgeglichen, indem man eine Unterstützung schafft, um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Das kann bessere Beleuchtung sein, weil die Augen schlechter geworden sind. Oder ein neues Programm, sodass Tätigkeiten nicht mehr von Hand erledigt werden müssen.

Das SOK-Modell: Umsetzungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz

Selektion:

  • Beschränkung der Aufgabenfelder
  • Auswahl bestimmter Tätigkeiten
  • Reduktion der Vielfalt und Möglichkeiten
  • Spezialisierung auf Themengebiete
  • Reduktion der Zahl der „Höchstleistungsbereiche“

Optimierung:

  • Lernen
  • Übung und Training
  • Gezielte Förderung, Weiterbildung, Fortbildung
  • Wiederholtes Einüben, um Fähigkeiten nicht zu verlieren
  • Investition von Zeit und Anstrengung

Kompensation:

  • Einsatz von Hilfsmitteln zum Ausgleich
  • Erwerb neuer Ressourcen
  • Flexible Arbeitsprozesse
  • Anpassung von Prozessen
  • Unterstützung durch andere Personen

Adaption nach dem sozialwissenschaftlichen SOK-Modell von Paul B. Baltes und Margret M. Baltes.

Gemeinschaftsaufgabe für alle Akteure im Arbeitsschutz

Aufgrund der unterschiedlichen individuellen Bedürfnisse und verschiedenster Anforderungen der Arbeitsplätze ist ein pauschalisierendes Vorgehen schwierig. Um einen plakativen Vergleich zu machen: Sie können nicht jedem 80-Jährigen einen Rollator hinstellen und damit die Sehprobleme lösen. Auch ein Treppenlifter nützt jemandem im Erdgeschoss nichts, wenn er/sie Hörverluste beklagt.

Die Umgestaltung der Arbeitsplätze für ältere Menschen braucht daher eine Vernetzung der innerbetrieblichen Organe. Es ist Gemeinschaftsaufgabe aller Beteiligten von der Führungsriege über das Gesundheitsmanagement, die Betroffenen, den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung bis hin zu den Fachkräften für Arbeitssicherheit und natürlich den Arbeitsmediziner:innen. Ähnlich wie bei der Betrachtung der psychischen Gefährdungen am Arbeitsplatz kann man diese Struktur heranziehen, wenn eine Arbeitsplatzbetrachtung für Ältere erfolgen soll.

Anregungen und Überlegungen für die konkreten Handlungsfelder

Arbeitsaufgabe: Körperlich sehr belastende Tätigkeiten können im Alter nicht mehr bewältigt werden. Die Muskelkraft nimmt ab, die Gesamtbelastbarkeit sinkt. Hier ist es notwendig, eine neue Aufgabe zu finden. Dazu können Transporttätigkeiten oder unterstützende, planerische Tätigkeiten zählen.

Eine Limitierung der Aufgabenbereiche, um nach dem Prinzip der Selektion für erfolgreiches Arbeiten zu sorgen, kann ebenfalls hilfreich sein.

Flexibilität in den Arbeitsprozessen sorgt für eigenständige Kompensation. Durch ihr Erfahrungswissen können ältere Menschen Defizite in der Arbeitsaufgabe bei einem flexiblen Handlungsspielraum oftmals selbstständig ausgleichen.

Arbeitsorganisation: Ältere Menschen benötigen mehr Pausen und mehr Regenerationszeiten als jüngere Menschen. Hierbei kann es sinnvoll sein, die wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren oder auch, etwas mehr Pausen in den Arbeitsalltag zu integrieren. Ein Ausgleich von überlangen Arbeitszeiten durch Freizeitausgleich zu einem späteren Zeitpunkt ist dabei nicht so effektiv.

Das Arbeiten in Schichtmodellen ist sehr fordernd und in höherem Lebensalter wird die Störung der zirkadianen Rhythmik zunehmend schlecht kompensiert. Ein Versetzen auf reine Tagarbeit kann hier sinnvoll sein. Ebenso wirken sich Arbeitsunterbrechungen negativ auf die Arbeitsleistung aus. Bei all diesen Punkten ist es hilfreich, die Prozesse anzupassen.

Arbeitsumgebung: Ältere Menschen sind leichter ablenkbar durch Geräusche und benötigen zum fokussierten Arbeiten eine reizärmere Umgebung. Möglicherweise ist ein Einzelbüro hier eine Alternative? Auch geräuschreduzierende Maßnahmen in Büros sind hilfreich, um ein ablenkungsfreies Arbeitsumfeld zu ermöglichen.

Ergonomische Arbeitsmittel können ebenfalls Entlastung schaffen. Dies kann ein höhenverstellbarer Steh-Sitz-Arbeitsplatz sein oder aber auch eine Hebehilfe, um für Entlastung des Muskel-Skelettsystems zu sorgen.

Soziale Beziehung: Ein Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen allen Beschäftigten kann hier vorteilhaft sein. Das Lernen von älteren Beschäftigten darf hier gewürdigt werden. Mögliche Altersdiskriminierungen, z. B. durch den Ausschluss von Fortbildungsmaßnahmen („Das lohnt sich ja nicht mehr!“), sollten strukturell aufgelöst werden.

Betrieblicher Kontext: Wie möchte die Führungskultur das Thema „Altern im Betrieb“ leben? Welche Priorität hat das Thema und wie sieht die Vernetzung intern aus? Gibt es Angebote speziell für Ältere? In diesem Handlungsfeld geht es um den Rahmen für das altersgerechte Arbeiten im Betrieb.

Fazit

Die vielfältigen Möglichkeiten und die unterschiedlichen Arbeitsplatztypen lassen eine eindimensionale Antwort auf die Frage nach dem „Wie gestalte ich Arbeit altersgerecht?“ nicht zu. Vielmehr ist es notwendig, dass alle Akteure im Arbeitsschutz gemeinsam fallbezogen Lösungen erarbeiten. Arbeitsmediziner:innen haben dabei eine wertvolle, beratende Rolle.

Klar ist: Geeignete Maßnahmen kosten Zeit und Geld. Angesichts des demografischen Wandels scheint diese Mühe lohnend. Zudem kann Arbeiten auch in höherem Lebensalter persönlich und wirtschaftlich befriedigend sein.

Abschließend bleibt zu betonen: Neben der Integration älterer Beschäftigter in den Betrieb sollten auch präventiv Arbeitsplätze immer so gestaltet werden, dass Menschen bis ins hohe Lebensalter gesund bleiben können.

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