Burnout bei „Interaktionsarbeit“: Welche Berufe sind besonders betroffen?
Interaktionsarbeit spielt insbesondere in Dienstleistungs-, Gesundheits- und Sozialberufen eine große Rolle, bei denen der Austausch mit Kunden, Patienten, Klienten oder Schülern im Vordergrund steht. Während sich die Interaktionsarbeit bei Bankkauffrauen aber auf die Abwicklung technischer und administrativer Aufgaben beschränkt, müssen Mitarbeitende in Gesundheits- und Sozialberufen darüber hinaus auch oft emotionale Unterstützung anbieten, z. B. wenn sie auf die Bedürfnisse und Sorgen von Patienten, Kita-Kindern oder Schülern eingehen müssen.
Magdeburger Studie
Leiden medizinische Fachangestellte und insbesondere Erzieherinnen aufgrund dieser emotionalen Belastung öfter an Burnout und psychischer Belastung als Bankkauffrauen? Ein Team aus Arbeitsmedizinern der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wollte dem auf den Grund gehen.
Im Vorfeld vermutete das Forscherteam signifikante Unterschiede zwischen Berufen im Dienstleistungssektor (reine Interaktionsarbeit) und im Gesundheits- und Sozialsektor (dialogisch-interaktive Interaktionsarbeit). Mithilfe einer Prüfliste zur Erfassung der psychischen Beanspruchung bei Erzieherinnen wurden die spezifischen Belastungsfaktoren der drei Berufsgruppen erfragt. Dabei wurde die Prüfliste für Bankangestellte und Arzthelferinnen den jeweiligen Berufen angepasst. Insgesamt flossen in der Folge die Angaben von 309 Probandinnen mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren in die statistische Analyse ein.
Hauptbelastungsfaktoren bei der Interaktionsarbeit
Hauptbelastungsfaktoren bei den Erzieherinnen waren in erster Linie
- zu viele Arbeitsaufgaben (95,8 %),
- ein hoher Lärmpegel in den Gruppenräumen (95,2 %),
- die hohe Kinderzahl in den Gruppen (90,5 %),
- die fehlenden Möglichkeiten zur Arbeit mit einzelnen Kindern (87,2 %),
- die stimmliche Belastung (86,8 %) sowie
- der Zeitdruck (79,6 %).
Die Arzthelferinnen nannten
- eine hohe Patientenzahl (97,7 %),
- den steigenden Dokumentationsaufwand (86,4 %),
- ein zu geringes Gehalt (77,3 %),
- eine große Erwartungshaltung der Patienten (77,3 %) sowie
- Probleme mit dem Verhalten der Patienten (65,9 %).
Von den Bankangestellten verschiedener Abteilungen (Kundenbetreuer und Sachbearbeiter in verschiedenen Bereichen) wurden insbesondere
- eine erhöhte Datenpflege und steigende Anforderungen an PC-Kenntnisse (jeweils 80,0 %), schlechte Kommunikationsstrukturen (74,4 %),
- „Druck von oben“ (72,3 %) sowie
- die Belastung durch Zielvorgaben (66,7%)
aufgeführt.
Kaum Unterschiede zwischen den Beschäftigtengruppen
Die anfängliche Vermutung der Magdeburger Arbeitsmediziner, dass die psychische Belastung von den Beschäftigten im Erziehungswesen als besonders stark empfunden wird, konnte statistisch nicht sicher bestätigt werden. Vielmehr unterschieden sich die Bewertungen bzw. Einschätzungen der Probandinnen in den verschiedenen Berufsgruppen im Durchschnitt nicht signifikant.
In jeder dieser Berufsgruppen zeigte fast jede fünfe Probandin eine beeinträchtigte psychische Gesundheit. Das decke sich, so die Forscher, mit den Ergebnissen einer Studie an deutschen Lehrkräften, nach der knapp 30 % der Lehrkräfte ihre psychische Gesundheit als beeinträchtigt ansahen.
Belastungsfaktor soziale Beziehungen
Der einzige (wenn auch geringe) Unterschied betraf den Faktor „Leistungsfähigkeit“, bei dem die Erzieherinnen tatsächlich eine etwas höhere Beanspruchung im Rahmen ihrer Arbeit wahrnahmen – auch höher als die Arzthelferinnen. Es darf, so folgerten die Forscher, davon ausgegangen werden, dass die langjährige und intensive Beziehung zwischen Erzieherinnen und ihren Schützlingen eine stärkere Beanspruchung darstellt als die soziale Beziehung zwischen einer Arzthelferin und einem Patienten in der ambulanten Versorgung.
Belastung durch Hierarchien?
Warum aber war die psychische Belastung für die Bankkauffrauen so hoch, wenn sie doch nur eine relativ oberflächliche und emotional wenig intensive Interaktionsarbeit mit den Kunden zu bewältigen haben? Das Forscherteam erklärte dies vor allem mit den internen Strukturen und Kommunikationsprozessen innerhalb einer Bank.
Denn die Probandinnen klagten vor allem über „schlechte Kommunikation“, „Druck von oben“ und „Belastung durch Zielvorgaben“, alles Kennzeichen von eher ausgeprägten Hierarchien in einem Unternehmen – auch wenn die Forscher selbst dies nicht so formulieren. Dies alles führt für die Bankkauffrauen zu einem subjektiv empfundenen Kontrollverlust über die eigene Tätigkeit.
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