Lärm in Kitas: Wie groß ist die Belastung wirklich?

Der Lärmpegel in Kindertagesstätten (Kitas) ist oft sehr hoch und stellt eine große gesundheitliche Belastung für die Beschäftigten dar. Obwohl frühere Studien hohe Schallpegel in Kitas gemessen haben, wurden diese oft als berufsbedingt normal angesehen. Eine umfassende Studie der Universität Magdeburg untersuchte sowohl objektive Messungen als auch subjektive Einschätzungen der Mitarbeitenden. Ziel war es zu ermitteln, wie unzureichende Lärmschutzmaßnahmen die Gesundheit der Beschäftigten beeinflussen und wie diese ihre Arbeitsbedingungen erleben.

Wenn Kinder spielen, entsteht gewöhnlich Lärm. Ganz besonders stark ist der Lärm in den Kitas, wo eine große Zahl von Kindern zusammentreffen. Der Lärm ist pädagogisch und sogar gesetzlich gewollt, da Kinderlärm als Ausdruck der kindlichen Persönlichkeitsentfaltung verstanden wird. Einschlägige Urteile der Gerichte zuungunsten der Klagen von Anwohnern, die sich über die Lärmbelästigung durch lokale Kitas beschwerten, bestätigen die aktuell geltende rechtliche Auffassung. Nachbarn müssen die Lärmbelästigung durch Kinder und Kitas daher als „sozialadäquat“ tolerieren. So pädagogisch sinnvoll diese Haltung sein mag, für die Kita-Beschäftigten entstehen subjektiv und objektiv Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und sogar gesundheitliche Belastungen. Die Beanspruchung durch den Lärmpegel korreliert dabei zumeist mit der empfundenen Hörbeeinträchtigung, die Stress und Erschöpfung auslösen kann.

Belastung berufsbedingt „normal“

Zur Lärmbelastung des Personals in Kitas liegen bereits eine Reihe von Studien vor. Die Ergebnisse sind dabei recht eindeutig: Grundsätzlich bestehe für Kita-Beschäftigte keine Gefahr, am Arbeitsplatz eine Lärmschwerhörigkeit zu erleiden – allein schon deshalb, weil es auch längere ruhigere Phasen während des Arbeitstages gibt. Deshalb kamen die Studien oft auch zu dem Ergebnis, dass diese Belastung als „normal“ und zum Beruf notwendigerweise dazugehörend gewertet werden müsse. Unterschwellig wird vor diesem Hintergrund anscheinend auch angenommen, dass die Lärmempfindlichkeit der Beschäftigten gegenüber Kinderlärm aufgrund der beruflichen Routine deutlich reduziert ist, diese sich im wahrsten Sinne eine „dicke Haut“ (oder eher ein „taubes Ohr“) antrainiert haben.

Neue Magdeburger Studie

Forscherinnen der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg wollten daher in einer eigenen Studie gleichzeitig die objektiven und subjektiven Belastungen durch Kinderlärm messen. Ziel war es herauszufinden, ob und inwieweit der Lärm sowie nicht ausreichende Lärmschutzmaßnahmen tatsächlich die Gesundheit der Erzieherinnen beeinträchtigen können und ob eine Diskrepanz zwischen messbaren Werten und subjektiver Einschätzung der Beschäftigten besteht. Insgesamt nahmen 175 Erzieherinnen aus Kitas aus der Region Magdeburg an der Studie teil. Der Lärmpegel in einem Gruppenraum wurde mit einem Schallpegelmessgerät und das Hörvermögen der Erzieherinnen mit einem mobilen Audiometer gemessen.

Subjektive Einschätzung

Zur subjektiven Einschätzung der Beanspruchung durch Lärm mussten die Beschäftigten Fragebögen ausfüllen. Dabei wurde zum einen nach dem Vorkommen von Lärm („Der Lärmpegel in dem Gruppenraum und in der Kita ist hoch“: ja/nein) und zum anderen nach der Qualität der vorhandenen Lärmschutzmaßnahmen („Die Lärmschutzmaßnahmen für die Räume sind gut“: ja/nein) gefragt. Je größer die gefühlte Belastung der Erzieherinnen durch den hohen Lärmpegel, desto höher fiel der Punktwert aus.

Hohe objektive und subjektive Belastung

Der Lärmpegel in den Gruppenräumen schwankte zwischen 65 und 91 dB(A) mit jeweiligen maximalen Pegeln von 74–106,5 dB(A). Trotz dieser hohen Pegel hatten 165 Erzieherinnen (94,3 %) keine Einschränkung des Hörvermögens, lediglich acht (4,6 %) wiesen eine geringe und nur zwei (1,1 %) bereits eine mittelgradige Schwerhörigkeit in beiden Ohren auf. Ein ganz anderes Bild ergab sich aber bei der subjektiv wahrgenommenen Beeinträchtigung bzw. Belastung: Danach schätzten 95 % der Erzieherinnen den Lärm als hoch ein, die in ihren Einrichtungen umgesetzten Lärmschutzmaßnahmen empfanden 73 % von ihnen als unzureichend. Durch den hohen Lärmpegel fühlten sich 39 % der Erzieherinnen mittel und 50 % stark beansprucht. Unzureichende Lärmschutzmaßnahmen beanspruchten 70,6 % (jeweils 35,3 %) der Erzieherinnen mittel und stark.

Gruppengröße als Hauptfaktor

Die Forscherinnen erklärten sich die gemessenen hohen Schallpegel unter anderem dadurch, dass einige der Einrichtungen (noch) nicht saniert waren, teilweise auch akustisch ungünstige Steinfußböden aufwiesen. Den wichtigsten Grund für die Lärmbelastung der Erzieherinnen erkannte das Forschungsteam aber in den zu großen Gruppengrößen der Kita-Kinder. Während man im Rahmen von bereits geplanten Sanierungsarbeiten und zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen eine deutliche Reduzierung der Lärmbelastung realistisch erreichen könne, so die Forscherinnen, sei der Faktor Gruppengrößen vor dem Hintergrund der aktuellen Situation aber kaum beeinflussbar. Wie in den meisten anderen Regionen Deutschlands auch blieben die Kitas in der absehbaren Zukunft überfüllt und aufgrund der knappen personalen und finanziellen Ressourcen seien hier kurz- und mittelfristig nur schwer die notwendigen Anpassungen möglich.

ASU. Zeitschrift für medizinische Prävention, 7/2023
Schlagworte zum Thema:  Studie, Kindertagesstätte