Andreas Lott, Prof. Dr. Rainer von Kiparski †
3.1 Grundsätze der Normung
Die Sicherheitsziele und grundlegenden Anforderungen der Maschinenrichtlinie müssen immer erfüllt werden. Sie sind als Bestandteil der Maschinenrichtlinie gesetzlich festgelegt und stellen somit rechtsverbindliche Mindestanforderungen dar, die von keinem Mitgliedsstaat herauf- oder herabgesetzt werden dürfen. Die Zielvorgaben der Maschinenrichtlinie und aller anderen Richtlinien nach der "Neuen Konzeption" werden durch harmonisierte Normen ausgefüllt, konkretisiert und an den jeweiligen Stand der Technik angepasst.
Technische Normen stehen in der Hierarchie unter Gesetzen, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften. Als allgemein anerkannte Regeln der Technik dokumentieren sie den Stand der Technik. Sie sind nicht verbindlich und lassen sich daher schneller an den Stand der Technik anpassen als Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften.
Nach der "Neuen Konzeption" füllen harmonisierte Europäische Normen die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen der Richtlinien zu Art. 114 AEUV aus. In Art. 5 Abs. 2 der alten EG-Maschinenrichtlinie, heißt es:
Zitat
Entspricht eine nationale Norm in Umsetzung einer harmonisierten Norm, deren Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht worden ist, einer oder mehreren grundlegenden Sicherheitsanforderungen, wird bei entsprechend dieser Norm hergestellten Maschinen oder Sicherheitsteilen davon ausgegangen, dass sie den betreffenden grundlegenden Anforderungen genügen.
Wenn harmonisierte Europäische Normen eingehalten sind, ist daher zu vermuten, dass die entsprechenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllt sind (Vermutungswirkung).
Der Hersteller eines Produktes, z. B. einer Maschine, kann zur Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen auf andere Mittel zurückgreifen. Der Sicherheitsstandard muss jedoch mindestens dem in harmonisierten Europäischen Normen vorgeschriebenen Maß an Sicherheit entsprechen.
Harmonisierte Normen
Alle Normen, die die vorgenannte Vermutungswirkung auslösen, werden regelmäßig im Amtsblatt der EU veröffentlicht und können unter der folgenden Webadresse heruntergeladen werden: http://eur-lex.europa.eu/JOIndex.do?ihmlang=de
Diese Zusammenstellung der aktuell gültigen harmonisierten Normen bietet darüber hinaus für den Hersteller wichtige Informationen über neu hinzugekommene bzw. geänderte oder ersetzte Normen, die zur Erfüllung des aktuellen Stands der Technik unbedingt erforderlich sind.
Da derzeit permanent bestehende Normen in EN ISO-Normen umgesetzt werden, ergibt sich für den Maschinenhersteller die Verpflichtung, sich regelmäßig auf dem Laufenden zu halten. Dies lässt sich durch Recherche auf der oben genannten Webseite problemlos realisieren.
Umsetzung von Normen
Die Normen EN 292 Teil 1 und 2 wurden zum 1.1.2006 durch die Normen EN ISO 12100 Teil 1 und 2 ersetzt. Die beiden letztgenannten Normen waren bereits im November 2003 von den zuständigen Normungsgremien verabschiedet worden. Die Ablösung der EN 292 durch die EN ISO 12100 erfolgte jedoch erst mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU am 31.12.2005.
3.2 Struktur der harmonisierten Normen
Harmonisierte Normen werden im Mandat der Kommission durch CEN und CENELEC unter Berücksichtigung des Stands der Technik erarbeitet. Sie werden im Amtsblatt der EU veröffentlicht und müssen von den nationalen Normungsinstituten der Mitgliedsstaaten übernommen werden.
Die Kurzform für EU-harmonisierte Normen lautet EN für Europäische Norm. Mit der Übernahme der EN in das jeweilige nationale Normenwerk sind gleichzeitig die betroffenen vorhandenen nationalen Normen zurückzuziehen, soweit diese entgegenstehende Anforderungen enthalten.
Das Konzept zur Umsetzung des Normungsprogramms sieht verschiedene, hierarchisch gegliederte Normgruppen vor und lehnt sich eng an das Konzept von ISO und IEC an. Die Struktur sieht Grund-Normen (Typ A-Normen), Gruppen-Normen (Typ B-Normen) und Produkt-Normen (Typ C-Normen) vor, deren Zielsetzung nachstehend näher beschrieben wird.
Typ A-Normen
Typ A-Normen sind Normen, die generelle Aussagen zur Maschinensicherheit machen und die nur einmal in einer Grundnorm niedergelegt werden müssen. Dazu gehören z. B. Normen über Grundbegriffe und Grundsätze für die Gestaltung, die Gebrauchsanleitungen, die Terminologie usw.
Typ B-Normen
Typ B-Normen sind Normen mit sicherheitstechnischen Aussagen, die nicht nur auf eine einzelne Maschine oder einen einzelnen Anwendungsfall zutreffen oder darauf beschränkt sind. Vielmehr treffen diese Normen in gleicher oder ähnlicher Weise für verschiedene Maschinen oder Anwendungen zu und haben damit den Charakter von Gruppen-Normen.
Die B-Normen sind nochmals unterteilt in:
- Typ B1-Normen mit übergeordneten Sicherheitsaspekten wie z. B. Temperaturen heißer Oberflächen, ergonomische Grundsätze, Hand-/Arm-Geschwindigkeit und Sicherheitsabstände sowie
- Typ B2-Normen für Schutzeinrichtungen, die für verschiedene Maschinenarten verwendet werden können, wie z. B. Lichtschranken, NOT-...