Pflichtverletzungen des Arbeitgebers oder von Vorgesetzten können im Bereich des Arbeitsschutzes strafrechtlich von Bedeutung sein, z. B. dann, wenn es bei einem Arbeitsunfall zu einer Körperverletzung oder gar zu einem Todesfall kommt.
Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist die Straffähigkeit. Juristische Personen (z. B. AGs oder GmbHs) sind nicht straffähig. Hier kommt es auf das Handeln des gesetzlichen Organs, d. h. des Vorstands (AG) oder des Geschäftsführers (GmbH) an.
Auch Führungskräfte können sich strafbar machen
Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten
- beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
- ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben des Betriebsinhabers wahrzunehmen,
und handelt er aufgrund dieses Auftrags, kommt auch für ihn eine Strafbarkeit in Betracht.
Nachweis der Delegation
Im Gegensatz zur Übertragung von Unternehmerpflichten nach dem ArbSchG bzw. DGUV-V 1 bedarf die Beauftragung nach § 14 Abs. 1 StGB nicht der Schriftform, d. h., diese ist durchaus auch eine mündliche Beauftragung. Will der Unternehmer im Falle eines Arbeitsunfalls aber von der Haftungsminimierung durch Delegation von Verantwortung profitieren, muss er nachweisen, was er wann in welchem Umfang auf den betreffenden Mitarbeiter übertragen bzw. wann er was genau übertragen/beauftragt hat.
Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, dass der Täter schuldhaft gehandelt hat, d. h. grundsätzlich vorsätzlich. Ausnahme: Wenn nach dem entsprechenden Gesetz auch Fahrlässigkeit für die Strafbarkeit genügt (z. B. § 229 StGB, fahrlässige Körperverletzung).
Innerhalb des Vorsatzes sind drei Vorsatzformen zu unterscheiden:
- Absicht,
- direkter Vorsatz,
- Eventualvorsatz.
Unter Absicht versteht man den zielgerichteten Erfolgswillen. Er ist typisch bei Gewaltdelikten wie Raub, Totschlag oder Mord, nicht jedoch im Arbeitsschutzrecht.
Beim direkten Vorsatz weiß der Täter oder sieht er es als sicher voraus, dass er den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen wird.
Eventualvorsätzlich handelt ein Täter, der es für möglich hält, dass er den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, und sich damit abfindet (Situation: "Na wenn schon"!).
Im Bereich der Fahrlässigkeit gibt es zwei Fahrlässigkeitsformen:
- die bewusste und
- die unbewusste Fahrlässigkeit.
Bewusst fahrlässig handelt ein Täter, der es für möglich hält, dass er den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, gleichzeitig jedoch darauf vertraut, dass er ihn nicht erfüllen wird (Situation: "Es wird schon gut gehen!"). Allerdings ist dieses Vertrauen pflichtwidrig und ihm vorwerfbar.
Unbewusst fahrlässig handelt ein Täter, der die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet war, und dadurch den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, ohne dies selbst zu erkennen.
Schließlich ist zu beachten, dass die Straftatbestände auch durch Unterlassen erfüllt werden können. Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Unterlassen ist allerdings, dass der Täter die Pflicht gehabt hätte, einzuschreiten bzw. etwas aktiv zu tun (sog. "Garantenstellung"). Diese kann z. B. aus einem Gesetz oder vorangegangenem gefährdendem Tun entstehen (sog. Ingerenz).
Garantenstellung
Es ist anerkannt, dass ein Bauherr, der mit seinem Bauvorhaben eine mögliche Gefahr hervorgerufen hat, sich nicht mit dem Hinweis auf die Pflichtenübertragung auf einen Generalunternehmer vollständig strafrechtlich entlasten kann. Er bleibt insofern Garant, als er die Verantwortung für die Auswahl des beauftragten Unternehmers trägt (BGHSt 19, 286, 288).
Aufsichts- und Kontrollpflichten bestehen immer
Die Organisation des Arbeitsschutzes, insbesondere die Delegation von Aufgaben und Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Erledigung reduziert auch strafrechtliche Haftungsrisiken des Delegierenden. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass die Überwachungs-/Kontrollaufgabe immer bei dem Delegierenden verbleibt. So verbleibt beim Unternehmer die Pflicht der Gesamtüberwachung, bei den Personen der oberen Führungsebene die Pflicht zur Ausübung der Oberaufsicht, bei der mittleren Führungsebene die Aufsicht und Kontrollpflicht im Unterstellungsbereich, sowie bei den Mitarbeitern der unteren Führungsebene die Aufsicht "vor Ort".