Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
4.1 Berufsspezifische Infektionsrisiken
4.1.1 Gesundheitswesen, Pflege- und Betreuungseinrichtungen
Ansteckungsrisiken bestehen für Beschäftigte im medizinischen oder anderen fürsorgerischen Berufen immer bei Kontakt mit potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten, z. B. bei
- Blutabnahmen und -untersuchungen,
- medizinischen Eingriffen, besonders bei starken Blutungen (z. B. Gefäßoperationen, Entbindungen),
- Wundversorgung,
- Nadelstich- oder Schnittverletzungen mit kontaminiertem medizinischen Material.
Für diese Tätigkeitsbereiche gelten die Bestimmungen der Biostoffverordnung und der zugehörigen TRBA, v. a. TRBA 500 "Allgemeine Hygienemaßnahmen", TRBA 100 "Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien" sowie TRBA 250 "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege".
Sie sind Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung und enthalten Vorgaben zur Risikoeinstufung von Tätigkeiten mit HIV-Infektionsgefahr (i. d. R. Risikogruppe 3) und für die Schutzmaßnahmen. Erforderlich sind v. a.:
- Einsatz von PSA: vor allem Handschuhe bei Umgang mit Blut und Körperflüssigkeiten, ggf. Mundschutz, Schutzbrille oder Visier bei Gefahr des Verspritzens;
- Erstellen einer Betriebsanweisungen für den Umgang mit Biostoffen;
- regelmäßige Unterweisung.
4.1.2 Entsorgung, Abfallaufbereitung
Infektionsrisiken in diesem Bereich werden immer wieder vermutet, besonders in Bezug auf Versetzungen mit Kanülen, die aus Drogengebrauch stammen oder anderen potenziell kontaminierten Abfällen. Grundsätzlich kann das HI-Virus zwar einige Zeit außerhalb des menschlichen Körpers infektiös bleiben, aber nur unter ganz bestimmten, seltenen Bedingungen, z. B. nicht, wenn es eintrocknet. Daher ist die tatsächliche Infektionsgefahr hier äußerst gering.
Handlungsanweisung Kontaminationsverletzungen
Für Stich- oder Schnittverletzungen mit potenziell infektiösen Gegenständen, Eindringen von infektiösem Material in Augen, Nase, Mund usw. sollte es eine betriebsinterne Handlungsanweisung geben. Sie stellt klar, welche Sofortmaßnahmen ergriffen werden müssen (z. B. Erstmaßnahmen wie Spülungen, Ausbluten, Vorstellung beim Durchgangsarzt, Ablauf einer evtl. erforderlichen Postexpositionprophylaxe). Der unfallauslösende Gegenstand sollte zum Arzt mitgenommen werden.
4.1.3 Auslandsaufenthalte
Die Infektionsraten mit HIV sind in bestimmten Ländern (z. B. Afrika, ehemaliger Ostblock) deutlich höher als in Westeuropa. Trotzdem geht keine grundsätzliche Gefährdung von beruflichen Tätigkeiten in diesen Ländern aus, wenn die elementaren Hygieneregeln vor allem zur Vermeidung von Blutkontakt eingehalten werden.
Check der medizinischen Infrastruktur
Empfehlenswert ist, für Länder mit schwacher medizinischer Infrastruktur im Voraus zu klären, welche hygienisch einwandfreien Behandlungsmöglichkeiten für Notfälle im (zahn-)medizinischen Bereich bestehen und ggf. bestimmte sterile Medizinprodukte (Spritzen, Kanülen) mitzunehmen. Dazu kann ein Arbeits- bzw. Reisemediziner beraten.
Außerdem empfiehlt sich der Hinweis, dass gerade in den "Hochprävalenzregionen" ungeschützter Geschlechtsverkehr unbedingt unterbleiben sollte.
4.2 HIV-infizierte Arbeitnehmer
Eine HIV-Infektion (Latenzphase) stellt im allgemeinen beruflichen Umfeld keine besondere Einschränkung für den Betroffenen und auch kein relevantes Risiko für Kollegen, Kunden usw. dar. Ansteckungsmöglichkeiten über übliche berufliche Kontakte (Händeschütteln, Benutzen derselben Gegenstände, Sanitäranlagen, auch versehentliches Verwechseln von Kaffeetassen usw.) bestehen nicht.
HIV-Infektion kein Kündigungsgrund
Deshalb muss eine HIV-Infektion dem Arbeitgeber nicht bekannt gemacht werden (weder im Vorstellungsgespräch noch später), entsprechende Fragen müssen nicht wahrheitsgemäß beantwortet zu werden. Ebenso ist eine bekannte HIV-Infektion kein Kündigungsgrund. HIV-Tests dürfen bei der Einstellung nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers durchgeführt werden.
Anders ist es im Fall einer bereits bestehenden AIDS-Erkrankung. Sie muss bei Fragen nach chronischen Erkrankungen angegeben werden, weil die Arbeitsfähigkeit des Betroffenen dadurch i. d. R. deutlich eingeschränkt ist. Wenn die dauerhafte Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bei einer AIDS-Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium medizinisch nicht mehr möglich erscheint, kann auch eine Kündigung ausgesprochen werden. In der Praxis werden diese Fälle jedoch kaum auftreten, weil Infizierte, die unter weitgehend normalen Umständen leben und somit in der Lage sind, am Arbeitsleben teilzunehmen, in der Regel therapeutisch so gut begleitet sind, dass es nicht zum Ausbruch einer AIDS-Erkrankung kommt.
Auch für Tätigkeiten im Gesundheitswesen gilt heute, dass diese weitestgehend auch von HIV-Infizierten ausgeübt werden können. Grundsätzlich können die zuständigen Behörden zwar Trägern übertragbarer Krankheiten bestimmte berufliche Tätigkeiten untersagen (§ 31 IfSG), eine gute virusunterdrückende Therapie bewirkt aber in der Regel, dass keine relevante Viruslast im Blut nachweisbar ist, sodass es für ein solches Verbot keine Veranlassung gibt. Ausnahmen gelten bei Betroffenen, die bestimmte Risikotätigkeiten...