Dipl.-Ing. Andreas Voigt, Dr. Reinhard M. Obermaier
Die Bauwirtschaft weist im Vergleich zu Verwaltung, Handwerk und Industrie spezielle Verhältnisse auf: Es müssen viele Unternehmen gleichzeitig oder nacheinander auf der Baustelle tätig werden. Die Baustelle ist kein fertiger Arbeitsplatz, es werden Personen unterschiedlicher Kultur, Sprache und Bildung eingesetzt. Im Hochbau liegen bedingt durch die Art der Tätigkeiten noch weitere besondere Gefährdungen vor.
2.1 Absturz und Sturz
Zwangsweise sind beim Hochbau die Arbeitsplätze und Verkehrswege noch nicht so gesichert, wie wir es aus dem späteren Betrieb von Gebäuden kennen. Ein wesentlicher Teil der Arbeiten muss über temporäre Hilfskonstruktionen – Gerüste – erledigt werden. Oft müssen sie als Zugänge dienen, wobei mittlerweile nicht mehr der Aufstieg mit Gerüstleitern, sondern Gerüsttürme mit Treppenaufgängen eingesetzt werden. Bereits vorhandene Gebäudeteile sind noch nicht vollständig und weisen Absturzkanten und Bodenöffnungen auf.
An all diesen hochgelegenen Arbeitsplätzen und Verkehrswegen besteht die Gefahr, dass Menschen, Werkzeuge oder Bauteile abstürzen können. Letztere ergeben neben Materialschaden große Gefahren für Personen, die sich darunter aufhalten.
Alle diese Bereiche müssen so ausgeprägt sein, dass hinreichender Schutz für alle Belange besteht (Anhang 2 BetrSichV, § 12 DGUV-V 38 besteht. Seitenschutz muss ausreichend fest und üblicherweise dreiteilig sein: Geländerholm, Zwischenholm und Bordbrett. Das Bordbrett muss das Herabfallen von Gegenständen verhindern bzw. bei Gerüsten mit Fangflächen das Abrollen der aufgefangenen Person.
Früher wurden Absturzsicherungen oft zimmermannsmäßig erstellt und mit Zwingen am Bauwerk befestigt. Heute stehen jedoch in Bauteile integrierte Halterungen oder komplette Seitenschutzsysteme mit Befestigung bzw. auch integriert in Schalungssysteme zur Verfügung (z. B. Combisafe, Seitenschutzsystem XP u. a.). Sie sind früher einsetzbar, Gewerke übergreifend nutzbar, erfordern weniger Pflegeaufwand (wegen z. B. Entnahme von Holmbrettern), sind wiederverwendbar und insgesamt deutlich sicherer.
Gemäß den Grundsätzen des § 4 ArbSchG sind zuerst kollektive Maßnahmen, die die Gefahr bannen umzusetzen. Verhindern arbeitstechnische Gründe einen Absturzschutz, so ist Auffangschutz und letztlich personenbezogener Auffangschutz einzusetzen. Die zulässigen Absturzhöhen sind in § 12 DGUV-V 38 geregelt, wobei eine Beurteilung der Arbeitsplätze entsprechend der BetrSichV ggf. höherwertige Schutzmaßnahmen zur Vorgabe machen kann.
Unter Umständen, wenn die Gefahr von herabstürzenden Gegenständen besteht, müssen die Arbeiten zeitlich entzerrt werden. Oft ist es nur so möglich, dass Personen, die "unten" arbeiten müssten, nicht gefährdet werden.
Die BetrSichV mit TRBS 2111 und TRBS 2121 liefern den Rahmen bei mechanischen Gefährdungen und auch für den Einsatz von Gerüsten und Leitern als Zugang oder Arbeitsplatz. Vor dem Einsatz von Leitern muss geprüft und abgewogen werden, ob nicht andere sicherere Methoden verfügbar sind.
2.2 Sichere Maschinen und Geräte
Der Einsatz kraftbetätigter Maschinen und Geräte erhöht ganz wesentlich die Arbeitsleistung und führt auch zu einer Entlastung der Beschäftigten von körperlich schweren Arbeiten. Oft erzeugen diese dann zusätzliche Belastungen und Gefahren. Sachgerechte Handhabung und sicherer Zustand sind von erheblicher Bedeutung für den gefahrarmen Arbeitseinsatz. Wesentlich ist die Nutzung von Maschinen und Geräten gemäß den vorgesehenen Einsatzarten. Die Überprüfung der technischen Arbeitsmittel auf volle Funktionsfähigkeit bzw. deren fachgerechter Reparatur bei Beschädigungen oder Defekten ist der zweite entscheidende Sicherheitsfaktor. Beides ist hinreichend in der Bedienungsanleitung des Herstellers (Produktsicherheitsgesetz) und in der Betriebsanweisung der Firma (ArbSchG) beschrieben. Diese Informationen sind am Einsatzort bereitzuhalten, um das Erlöschen von Haftung zu vermeiden. Hierzu zählt ebenfalls die Prüfung elektrischer Geräte und Anlagen nach DGUV-V 3.
2.3 Heben von Lasten
Der Hochbau erfordert das Heben von Lasten; nur so können aus Grundstoffen und Bauteilen Gebäude gefertigt werden. Trotz der Minimierung der Gewichte der Bauteile sorgt eine immer stärkere industrielle Vorfertigung für den Einsatz von Kranen und anderen Hilfsmitteln (ggf. Exoskelette). Auch hier gilt, dass sich niemand in Bereichen aufhalten darf, auf den Teile fallen können. Notfalls müssen dazu ganze Bereiche der Baustelle gesperrt werden.
Formschlüssige Transportverfahren (Betonkübel mit sauberen Rändern und Abstellrahmen oder Transportkörbe bzw. Stapeleinrichtungen) können als sicherere Kranlast z. B. mit Schlingen aufgenommen werden.
Alle Lastaufnahmemittel, Verbindungsmittel und Anschlagpunkte müssen unbeschädigt und für den vorgesehenen Einsatz geeignet sein. Regelmäßige Prüfungen sind dafür unerlässlich.
Auf jeden Fall muss das Anschlagen der Lasten an Hebezeuge durch einen erfahrenen Anschläger erfolgen. Dieser trägt nahezu die gleiche Verantwortung wie der eigentliche Kranführer und muss deshalb vom Unternehmer sorgfältig ausgesuc...