Die menschliche Wahrnehmung besteht aus verschiedenen Systemen, alltagssprachlich als Sinne bezeichnet. Reize werden mit den Augen, den Ohren, dem Tastsinn, dem Geschmackssinn und dem Geruchssinn wahrgenommen (je nach Definition werden noch weitere Sinne hinzugenommen, z. B. der Gleichgewichtssinn). Für die kognitive Ergonomie sind besonders das Sehen und das Hören relevant. Die anderen Sinne werden weitestgehend vernachlässigt.
Die aufgenommenen Reize werden im Gehirn verarbeitet. Erst im Gehirn entsteht, vereinfacht gesagt, aus den Reizen, die beispielsweise das Auge wahrnimmt, ein Bild. Dieses Bild wird dann aufgrund von Vorerfahrungen und Wissen interpretiert.
Wahrnehmung
Person A und Person B sehen beide einen Vogel. Person A kennt sich nicht mit Vogelkunde aus und sieht eben einen Vogel. Person B ist Vogelkenner, sieht eine Schwarzdrossel und erinnert sich automatisch an Informationen zu diesem Vogel.
Das Beispiel soll zeigen, dass unsere Wahrnehmung komplizierter ist, als es vielleicht manchmal den Anschein hat. Kognition (von lat. cognoscere = erkennen, erfahren, wissen) ist ein Sammelbegriff mit unterschiedlichen Definitionen, Modellen und Theorien. Kurz und knapp bezeichnet Kognition die Fähigkeit, Informationen durch Wahrnehmung zu verarbeiten.
Einige kognitive Prozesse und Fähigkeiten sind Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Erinnern, Lernen, Problemlösen, Sprache und Argumentation. Es existieren auch verschiedenste Theorien und Modelle dazu, wie kognitive Prozesse funktionieren. Da kognitive Prozesse schwer sichtbar gemacht werden können, ist die Forschung auf das Konstruieren von Modellen angewiesen. Nachfolgend werden relevante Auswirkungen und Besonderheiten kognitiver Prozesse erläutert. Die Annahme, dass der Mensch ein rationales Wesen ist und rationale Entscheidungen trifft, wird damit weitestgehend widerlegt. Wenn der Mensch rational wäre, bräuchte er die Fähigkeit zur Rationalität auch gar nicht.
3.1 Menschliche Wahrnehmung ist selektiv und störanfällig
Eine mögliche Erklärung, warum die menschliche Wahrnehmung störanfällig ist, kann in der Evolution des Menschen gesehen werden. Beim Kampf um das eigene Überleben war es entscheidend, schnell Vorannahmen über die umgebende Welt zu treffen und schnell und v. a. angemessen zu reagieren. Vorannahmen sorgen zwar dafür, dass man sich auch mal irrt. In den meisten Fällen war das jedoch hilfreich. Überspitzt formuliert war es besser, beim Anblick eines Raubtiers sofort die Flucht zu ergreifen, als die Situation zu ergründen und gefressen zu werden.
Störungen oder Fehler werden auch als kognitive Verzerrungen bezeichnet. Kognitive Verzerrungen sind so vielfältig, dass eine vollständige Auflistung kaum möglich ist. In der Literatur werden über 100 solcher "Wahrnehmungsfehler" beschrieben. Nachfolgend werden die relevantesten für die Praxis kurz skizziert.
3.1.1 Der fundamentale Attributionsfehler
Menschen tendieren dazu, das Verhalten anderer Personen auf Persönlichkeitseigenschaften zurückzuführen und nicht auf situative oder Umweltfaktoren. Wenn der Mitarbeiter seine Arbeit nicht korrekt erledigt, dann kann der Schluss naheliegen, dass er die Aufgabe nicht bewältigt hat, weil er es nicht wollte oder sich nicht angestrengt hat. Dabei könnte es genauso gut sein, dass die Informationen nicht ausreichend waren oder andere Faktoren ihn daran gehindert haben (ein anderer Termin, ein Zwischenfall etc.). Bei eigenem Fehlverhalten neigen Personen hingegen dazu, eher die äußeren Faktoren höher einzuschätzen ("Ich konnte die Aufgabe gar nicht schaffen, weil ...").
3.1.2 Dunning-Kruger-Effekt
Dunning und Kruger (die hierfür den alternativen Nobelpreis erhielten) zeigten bei bestimmten Aufgaben, dass Unwissenheit zu mehr Selbstvertrauen führt als Wissen. Weniger kompetente Personen neigen demnach dazu, die eigenen Kompetenzen höher einzustufen, als sie sind, und überlegene Fähigkeiten von anderen nicht anzuerkennen etc. Im Gegenzug schätzen sich Experten oftmals als weniger kompetent ein.
Die simple Erklärung für den Effekt könnte darin liegen, dass jemand, der inkompetent ist, nicht wissen kann, dass er inkompetent ist, wohingegen Experten oft sehr viel besser einschätzen können, was sie alles nicht so genau wissen. Die Fähigkeiten, die man braucht, um eine richtige Lösung zu finden, sind genau die Fähigkeiten, die man braucht, um eine Lösung als falsch oder richtig zu bewerten. Für die Praxis in der Führungs- oder Teamarbeit ist relevant, dass Selbstvertrauen, Auftreten und Kompetenz nicht zusammenhängen müssen.
3.1.3 Halo-Effekt
Bei diesem Effekt wird von bestimmten Eigenschaften einer Person auf andere Eigenschaften geschlossen. Forschungen in diesem Bereich haben dazu geführt, dass die Auswahl von Profisportlern und später auch Mitarbeitern grundlegend überarbeitet wurde. Talentsucher ließen sich beispielsweise von der Athletik oder Statur eines Sportlers, die sie an Spitzensportler erinnerte, dazu verleiten, diese besser zu bewerten und ihnen Fähigkeiten zuzusprechen, die sie gar nicht hatten.
Aus diesem Grund wurden objektivere, datengestützte Verfahren eingeführt. Der "Wahrnehmungsfehler", dass ...