Dipl.-Biol. Bettina Huck, Dipl.-Chem. Michael Rocker
Was definiert den Stand der Technik? Die Definition der Gefahrstoffverordnung: "Der Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind" beschreibt nur den Bezug zum Arbeitsschutz, der eingefordert werden kann.
Aber die Festlegung des Standes der Technik bei einem so komplexen "flüssigen Werkzeug" wie einem Kühlschmierstoff beginnt viel früher: im Pflichtenheft des Kunden. Hier werden Anforderungen festgelegt, ohne deren Erfüllung der KSS nicht zum Einsatz kommen kann. In Abschn. 2 werden diese Anforderungen beschrieben.
Der erste Anwendungsversuch beim "Kunden" legt dann weitere Rahmenbedingungen fest, die sich zum Teil stetig ändern. Erst in der Anwendung zeigt sich, ob bei der Rezeptierung eingestellte Eigenschaften auch den Anforderungen des Gesundheitsschutzes, z. B. Emissionsverhalten und Hautverträglichkeit, gerecht werden. Unter Umständen müssen Rezepturen wieder geändert werden ("Substitution"), oder zusätzliche technische, organisatorische und/oder persönliche Schutzmaßnahmen geplant und umgesetzt werden.
Vor allem wassergemischte KSS ändern durch Ein- und Austräge, chemische und biologische Prozesse ihre Zusammensetzung während ihres Einsatzes. Sollwerte müssen festgelegt, überwacht und eingehalten werden – sie sind die Basis für das Funktionieren des KSS i. S. des Pflichtenheftes. In den meisten Fällen müssen regelmäßig oder kontinuierlich unterschiedliche Zusätze (Additive, auch Biozide) zugegeben werden. Auch diese Stoffe sind mit zu beachten, wenn es um die Gefährdungsbeurteilung geht.
Gerade der von breiten Teilen der Unternehmerschaft eingeforderte und durch die Gefahrstoffverordnung gewährleistete Freiraum in der Selbstbestimmung bei der Auswahl von Schutzmaßnahmen führt in vielen Fällen dazu, dass die Betriebsverantwortlichen nicht mehr "durchblicken". Die Freiräume in der Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen können nur selten genutzt werden, weil es vielen schwer fällt, für die Arbeitsplätze in ihrem Betrieb zu dem Befund zu kommen "das ist so in Ordnung" oder "hier bestehen noch Gefährdungen, da müssen wir noch nachbessern". Es werden fachkundige Berater benötigt, und da Externe eine finanzielle Zusatzbelastung sind, wird der Weiterbildung betriebsinterner Spezialisten zunehmend mehr Bedeutung beigemessen.