Dipl.-Biol. Bettina Huck, Dipl.-Chem. Michael Rocker
Von Primäranforderungen wird dann gesprochen, wenn diese Anforderungen an alle KSS gestellt werden – zumindest war das viele Jahrzehnte so. Inzwischen existiert mit der Minimalmengenschmierung und speziell dafür hergestellten Produkten ein Beispiel, bei dem Kühlung und Spänetransport nicht mehr durch den KSS erledigt werden. Vor allem der Spänetransport von der Schneide weg wird durch die Zentrifugal- und Schwerkraft, spezielle Geometrien der Werkzeugmaschinen (WZM) und in eingeschränktem Maße durch die zugeführte Druckluft erledigt. Kühlung und Schmierung sind weiterhin zentrale Anforderungen gleichermaßen an wassergemischte (wg) wie nichtwassermischbare (nw) KSS.
2.1.1 Schmieren – Tribologie in Kürze
Die Tribologie ist die Lehre von der Reibung. Bewegen sich Oberflächen aufeinander, so verhaken sich vorhandene (auch mikroskopische) Unebenheiten ineinander – das bedeutet zusätzlichen Energieverbrauch. Wenn Sie einen Tisch einmal über Teppichboden und über Parkett ziehen, können sie den Unterschied fühlen. In einer Werkzeugmaschine werden etwa 75 % der eingesetzten Energie in Wärme umgesetzt – vor allem durch Reibung! Und bei der Bearbeitung von Metallen durch Fräsen, Drehen, Bohren oder Schleifen gibt es viele Berührungspunkte und viele Unebenheiten, denken Sie an Werkzeug, Werkstück und Span.
Also benötigt man ein Schmiermedium, das die Reibung vermindert. Der physikalische Prozess ist höchst anspruchsvoll: Im Prinzip werden durch Schmiermedien Oberflächen "geglättet", sodass sie leichter aneinander abgleiten können. Da sich nur bei wenigen Prozessen die Schmierung von selbst ergibt – denken Sie z. B. an den Wasserfilm, auf dem der Schlittschuhläufer gleitet – muss dem KSS eine Schmierkomponente zugegeben werden, die sich genau an den kritischen Berührungsflächen zwischen Werkstück und Werkzeug und zwischen Werkzeug und Span legt. Dazu muss der KSS diese Berührungsfläche sehr schnell erreichen. Immer schnellere Bearbeitungsverfahren (Vorschübe und Schnittgeschwindigkeiten) bedingen so immer höhere Zuführdrücke. Dabei muss der KSS die Oberfläche möglichst effizient benetzen (Abb. 2). Wird der KSS nicht wieder abgewaschen, ist die Schmierleistung ganz schnell verbraucht und der KSS "magert aus".
Abb. 2: Schema für die Benetzung einer Oberfläche mit Schmiermedium (Quelle: BGHM)
Die Hauptarbeit der Schmierung erledigen Komponenten wie Mineral- oder Esteröle, die mit zunehmender Viskosität zunehmende Schmierleistung haben – aber der Schmierfilm muss auch wieder ablaufen! Deshalb ist der Viskosität nach oben eine Grenze gesetzt, die vom Bearbeitungsverfahren abhängt. Bei Verfahren wie Schleifen oder Honen wird nur geringe Schmierleistung benötigt, da sonst gar kein Abtrag mehr möglich ist (dies hängt mit der "Länge" und der Geometrie des Schleifkorns zusammen). Hier wird die Schmierleistung meistens durch synthetische Glykol-Verbindungen bewirkt.
Bei sehr hohen Schmieranforderungen werden "extreme pressure – EP"-Zusätze benötigt. Es handelt sich hier um Phosphor- und Schwefeladditive, vereinzelt noch Chlorparaffine. Im Prozess entstehen dabei an der Schneide 400–700 °C. Bei dieser Temperatur zersetzen sich die EP-Wirkstoffe und bilden (kurzfristig) flüssige Metallsalze (Phosphide, Sulfide und Chloride). Diese gehen in Lösung, der EP-Zusatz führt bestimmungsgemäß zu einer Verbrauchsschmierung. Die Folgen dieser unvermeidbaren Veränderung der KSS-Zusammensetzung werden noch beschrieben.
Natürlich werden in einer modernen Werkzeugmaschine alle beweglichen Teile wie z. B. Spindel, Bettbahn und auch Hydraulik ebenfalls geschmiert. Grundsätzlich können sich alle Schmiermedien miteinander mischen. Die Abhandlung der dabei möglichen technischen Probleme würde diesen Beitrag sprengen.
2.1.2 Kühlung – das Thema Wärmebilanz
Trotz Schmierung bleibt erfahrungsgemäß noch genügend Reibung, weshalb ordentlich gekühlt werden muss (Abb. 3). Da das Werkzeug den Schmierfilm nicht "vor sich her schieben" kann, gelangt an die ersten paar Millimeter des Werkzeugs i. d. R. gar kein Schmiermedium. Also muss gekühlt werden, wobei das beste Kühlmedium Wasser ist (zumindest in offenen Systemen). Das Problem der Mischbarkeit von Wasser und Öl wird durch Lösungsvermittler gelöst, meistens Emulgatoren und Tenside.
Die Frage nach der Verwendung eines wassergemischten (wg) oder eines nichtwassermischbaren (nw) KSS kann immer nur im Einzelfall beantwortet werden. Sicher ist, dass das Kühlvermögen eines wg-KSS etwa 10-mal so gut ist wie eines nw-KSS. Da beim nw-KSS die Reibung etwas geringer ist, benötigt man bei vergleichbarer Bearbeitung etwa die 6- bis 7-fache Menge an nw-KSS. Allein daran wird klar, dass der Anwender oft gar keine Wahl hat – man denke nur an das 7-fache Volumen in der Werkzeugmaschine, den Reinigungseinrichtungen (z. B. Filterfläche) und Dimensionierung von Pumpen. Zudem besteht bei Anwendung von nw-KSS ein Brand- und Explosionsrisiko, für dessen Beherrschung viele Werkzeugmaschinen nicht ausgestattet sind.
Abb. 3: Wärmebildung beim Schnittprozess (Quelle: BGHM)
Wird die entstehende Wärme nicht (ausreichend) ...