Menschen sind Lärm ausgesetzt, nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in ihrer Freizeit. Lärm kann sich auf Gehör bzw. Hörvermögen (aural) auswirken sowie zu physischen und psychischen Beeinträchtigungen (extra-aural) führen, d. h., er kann
- Stress verursachen (mögliche Lärm-Stress-Reaktionen sind z. B. Verengung der Blutgefäße, Erhöhung von Blutdruck, Herzfrequenz und Muskeltonus, vermehrte Ausschüttung von Stress-Hormonen oder Verringerung der Magen-Darm-Aktivität) – mit akuter und chronischer Wirkung,
- Sinneszellen im Ohr zerstören,
- Reißen des Trommelfells verursachen,
- auf Gehörknöchelchen (Cochlea) einwirken.
Lärmschwerhörigkeit (BK 2301) ist in Deutschland die am häufigsten anerkannte Berufskrankheit. Wenn Sinneszellen oder Teile des Innen- und Mittelohrs zerstört bzw. geschädigt sind, ist dies nicht heilbar und kann durch Hilfsmittel wie Hörgeräte oder Implantate lediglich kompensiert werden. Vorbeugen ist daher der einzige Weg, um Lärmschwerhörigkeit zu verhindern.
Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?
Eine Minderung des Hörvermögens ist auch durch einmalige Ereignisse (Knall, Explosion) möglich. Dies wird von den Unfallversicherungsträgern dann als Arbeitsunfall eingestuft, man spricht vom sog. Knall- bzw. Explosionstrauma.
Lärmschwerhörigkeit kann in der Folge auch dazu führen, dass akustische Signale oder Zurufe von Kollegen nicht mehr wahrgenommen werden können, die Unfallgefahr steigt.
Hörgeräte können Lärm am Arbeitsplatz verstärken
Trägt ein Beschäftigter wegen verminderten Hörvermögens bereits ein Hörgerät, ist zu beachten, dass eingeschaltete Hörgeräte nicht nur Sprache und akustische Signale, sondern auch den Lärm am Arbeitsplatz verstärken. Das Risiko einer Hörverschlechterung steigt, falls nicht gleichzeitig die Benutzung von Gehörschutz möglich ist. Es empfiehlt sich in solchen Fällen, einen Arbeitsmediziner in Verbindung mit einem Hörgeräte-Akustiker oder einen erfahrenen HNO-Arzt zur Beratung hinzuzuziehen. Kapselgehörschützer können bei eingeschaltetem Hörgerät zu Rückkopplungseffekten führen. Evtl. kann in Einzelfällen das Hörgerät einschließlich Ohrpassstück als Gehörschutz fungieren.
Mit einer zunehmend älteren Belegschaft müssen Unternehmen deshalb auch darauf achten, dass die Arbeitsumgebung so gestaltet wird, dass trotz verminderten Hörvermögens bzw. bei eingeschalteten Hörgeräten akustische Signale und Zurufe von Kollegen wahrgenommen werden können, ohne dass das Hörvermögen gefährdet wird. Es muss auch berücksichtigt werden, dass sich mit zunehmendem Alter der hörbare Frequenzumfang verkleinert. U. a. müssen also akustische Signale in für alle Beschäftigten wahrnehmbaren Frequenzbereichen liegen.
Einflussfaktoren für Lärmschwerhörigkeit
Die entscheidenden Einflussfaktoren für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit sind Einwirkungsdauer und Höhe der Lärmbelastung. Dabei wird eine langjährige tägliche Lärmexposition von 85 dB(A) allgemein als Grenze für die Entstehung von Gehörschäden angenommen.
Auslösewerte
In § 6 LärmVibrationsArbSchV sind obere und untere Auslösewerte für Lärmbelastungen festgelegt. Die Werte beziehen sich auf eine 8-Stunden-Schicht und legen die durchschnittliche Lärmbelastung sowie einen Höchstwert fest.
Obere Auslösewerte:
- Tages-Lärmexpositionspegel L (tief) EX, 8 h = 85 dB(A) bzw.
- Spitzenschalldruckpegel L (tief) pC, peak = 137 dB(C)
Untere Auslösewerte:
- Tages-Lärmexpositionspegel L (tief) EX, 8 h = 80 dB(A) bzw.
- Spitzenschalldruckpegel L (tief) pC, peak = 135 dB(C).
Bei der Anwendung dieser Werte wird die dämmende Wirkung eines persönlichen Gehörschutzes nicht berücksichtigt (§ 6 LärmVibrationsArbSchV), d. h., diese Werte müssen unter dem Gehörschützer eingehalten werden.
Sind Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz nicht nur Lärm, sondern auch sog. ototoxischen (gehörschädigenden) Stoffen wie z. B. Schwefelkohlenstoff oder Vibrationen ausgesetzt, sind Wechselwirkungen möglich, das Risiko für Gehörschäden steigt (s. Nr. 4.7 TRLV Lärm Teil 3).
Pegelwerte
Der Beurteilungspegel kennzeichnet die typische Schallimmission, also die Einwirkung von Schall, für eine Tätigkeit. Maximal zulässige Beurteilungspegel legt die ASR A3.7 fest (s. Tab. 1).
Tätigkeitskategorie |
Beispiele für Tätigkeiten/Handlungen |
max. zulässiger Beurteilungspegel |
I – hohe Konzentration oder hohe Sprachverständlichkeit |
überwiegend geistige Tätigkeiten, die eine hohe Konzentration verlangen, z. B. wissenschaftliches und kreatives Arbeiten, Entwickeln und Optimieren von Software, Treffen von Entscheidungen mit hoher Tragweite, ärztliche Untersuchungen, Behandlungen und Operationen, Entwerfen, Übersetzen, Diktieren, Aufnehmen und Korrigieren von schwierigen Texten, Optimieren von Prozessschritten komplexer Transferstraßen |
55 dB(A) |
II – mittlere Konzentration oder mittlere Sprachverständlichkeit |
u. a. allgemeine Bürotätigkeiten und vergleichbare Tätigkeiten in der Produktion und Überwachung wie Disponieren, Daten erfassen, Texte verarbeiten, Sachbearbeitung im Büro, psychomotorisch gepr... |