Zusammenfassung
Nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung müssen zwangsläufig raumakustische Maßnahmen in Betracht gezogen werden, wenn in einem Betrieb Arbeitsplätze existieren, deren Tageslärmexpositionspegel bzw. Spitzenschalldruckpegel oberhalb des oberen Auslösewertes von LEX,8h = 85 dB(A) bzw. LpCpeak = 137 dB(C) liegen. Richtig und im richtigen Maß angewendet, können raumakustische Maßnahmen sehr effizient zu leiseren Arbeitsplätzen beitragen. Da solche Maßnahmen, insbesondere wenn sie nicht schon in der Planungsphase eines (Neu)baus berücksichtigt werden, auch eine finanzielle Belastung darstellen können, sollte ihr Einsatz gut geplant werden. Entsprechende Simulationsprogramme können hier eine gute Hilfestellung bieten.
In diesem Artikel werden zunächst die grundlegenden Fachbegriffe erklärt sowie dann die Anforderungen an Arbeitsräume gemäß der Technischen Regeln zur Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung erläutert. Im Anschluss werden verschiedene schallabsorbierende Materialien vorgestellt und mögliche Vorgehensweisen bei der Planung raumakustischer Maßnahmen diskutiert. Anhand eines erfolgreich durchgeführten Lärmminderungsprojektes wird der reale Einsatz schallabsorbierender Materialien illustriert. Zuletzt wird noch auf Simulationsprogramme zur Lärmminderungsprognose durch schallabsorbierende Materialien eingegangen.
- Verordnung zum Schutz der Beschäftigten durch Lärm und Vibration (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung – LärmVibrationsArbSchV)
- Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV)
- VDI 3760 "Berechnung und Messung der Schallausbreitung in Arbeitsräumen"
- Lärmschutz-Arbeitsblatt 01-234 "Raumakustik in industriellen Arbeitsräumen", DGUV
1 Physikalische Grundlagen
Trifft Luftschall auf eine Raumbegrenzungsfläche, gibt es 3 mögliche Arten der Wechselwirkung: Reflektion, Absorption und Transmission. Die absorbierte Schallenergie kann entweder über Dissipation in Wärme umgewandelt werden oder per Körperschallfortleitung weitertransportiert und evtl. an anderer Stelle wieder als Schall abgegeben werden. Bei durchschnittlichen Raumbegrenzungsflächen ist der Anteil der Transmission, also das einfache Durchlassen des Schalls ebenso wie der Anteil der Körperschallfortleitung sehr klein und damit in guter Näherung vernachlässigbar. Abb. 1 veranschaulicht die Wechselwirkung von Schall mit einer Begrenzungsfläche.
Abb. 1: Wechselwirkung von Schall mit einer Begrenzungsfläche
Der Schallabsorptionsgrad α bezeichnet nun das Verhältnis von absorbierter Schallenergie zur insgesamt eingefallenen Schallenergie
α |
= |
absorbierte Schallenergie |
einfallende Schallenergie |
Da in den Extremfällen entweder gar keine Energie oder alle eingefallene Schallenergie absorbiert wird, nimmt der Schallabsorptionsgrad Werte zwischen 0 und 1 an.
Die Reflektion des einfallenden Schalls führt in einem geschlossenen Raum zu einer Erhöhung des Raumpegels, da nun neben dem Direktschall von der Schallquelle auch noch ein diffuses Schallfeld durch den reflektierten Schall entsteht (vgl. linkes Bild von Abb. 2).
Hier greifen raumakustische Maßnahmen an, indem sie den Anteil des reflektierten Schalls durch Erhöhung der Schallabsorption reduzieren, wie im rechten Bild von Abb. 2 skizziert.
Abb. 2: Pegelüberhöhung durch Raumrückwirkung. Q bezeichnet die Schallquelle in einem Raum, P den Aufenthaltsort einer Person im Raum. Links ein Raum mit stark reflektierenden Raumbegrenzungsflächen, rechts ein Raum mit stark schallabsorbierenden Raumbegrenzungsflächen (grün dargestellt).
Der Effekt der Erhöhung des Schalldruckpegels im Raum durch die Schallreflektion der Raumbegrenzungsflächen wird auch als Pegelüberhöhung durch Raumrückwirkung bezeichnet.
Für einen geschlossenen Raum lässt sich der mittlere Schallabsorptionsgrad des gesamten Raumes berechnen. Er ist definiert als das Verhältnis der sog. äquivalenten Absorptionsfläche A zur Gesamtoberfläche des Raumes S:
Dabei ist die äquivalente Absorptionsfläche A genau die Fläche, die ein idealer Absorber (mit Schallabsorptionsgrad α = 1) hätte, der genauso viel Schallenergie absorbiert, wie die Gesamtoberfläche S des betrachteten Raumes, d. h.:
und
Die Summen erstrecken sich dabei über alle Teilflächen Si, die den Raum begrenzen. Bei der Berechnung von A werden die Teilflächen jeweils mit den zugehörigen Schallabsorptionsgraden αi gewichtet. Somit stellt der mittlere Schallabsorptionsgrad eine gewichtete Mittelung der Schallabsorptionsgrade der verschiedenen Materialen dar, die den Raum begrenzen. Tab. 1 enthält die mittleren Schallabsorptionsgraden für gängige Baumaterialien wie Kacheln, Fensterglas, unverputzte Ziegelwände oder auch mit Mineralwolle ausgelegte Trapezbleche.
Material |
Mittlerer Schallabsorptionsgrad |
Kacheln |
0,02 |
Fensterglas |
0,02 |
Beton |
0,03 |
Ziegelwand (unverputzt) |
0,12 |
Trapezblech mit Mineralwolle hinterlegt |
0,82 |
Mineralfaser-Kulissendecke |
0,91 |
Tab. 1: Über die Oktavbänder mit Mittenfrequenzen zwischen 500 und 2.000 Hz arithmetisch...