Rechtskraft: ja
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit. Haftung des Arbeitgebers für Körperschäden
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Einstandspflicht des Unternehmers für die Folgen eines Arbeitsunfalls.
Leitsatz (redaktionell)
Der Unternehmer führt eine beim Arbeitnehmer eingetretene gesundheitliche Schädigung nicht bedingt vorsätzlich herbei, wenn er vorsätzlich Unfallverhütungsvorschriften verletzt hat. Ebensowenig reicht es aus, wenn der Unternehmer den gefährlichen Zustand eines zum Betrieb gehörenden Gegenstands gekannt hat.
Normenkette
SGB VII § 105 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Neunkirchen (Urteil vom 07.10.2005; Aktenzeichen 1 Ca 1015/05) |
Tenor
1.Die Berufung des Klägers gegen das am 7. Oktober 2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen (1 Ca 1015/05) wird zurückgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger war bis Ende April 2005 bei der Beklagten beschäftigt. Am 3. Februar 2004 hat er einen Arbeitsunfall erlitten. Der Unfall ereignete sich, als der Kläger an einer Nassschleifmaschine arbeitete. Dabei brach er mit dem linken Bein in einen hinter der Maschine verlaufenden, etwa 40 Zentimeter tiefen und 25 bis 30 Zentimeter breiten Abwasserkanal ein. Dadurch kam es zu einer erheblichen Verletzung am rechten Knie. Der Unfall wurde von der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt.
Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe es vorsätzlich unterlassen, den Abwasserkanal durch ein fest verankertes Metallgitter abzudecken. Ein auf dem Abwasserkanal verlegtes Metallgitter sei, als er versehentlich darauf getreten sei, gekippt, und er sei deshalb mit dem Bein in den Abwasserkanal gerutscht. Der gefährliche Zustand des Abwasserkanals sei der Beklagten seit langem bekannt gewesen. Unter Hinweis auf die Kosten habe sie es abgelehnt, dagegen etwas zu unternehmen. Die Beklagte habe es damit billigend in Kauf genommen, dass sich ein Arbeitnehmer verletzt. Sie könne sich daher auf das Haftungsprivileg des § 105 SGB VII nicht berufen. Die Beklagte sei verpflichtet, ihm Schadensersatz und Schmerzensgeld zu zahlen. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Februar 2004. Weiter hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeglichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Ereignis vom 3. Februar 2004 entstanden ist, soweit diese Ansprüche nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers befinde sich vor der Maschine, die Ablaufrinne dagegen hinter der Maschine. Den Bereich hinter der Maschine habe der Kläger lediglich bei Schichtende fünf oder zehn Minuten für Reinigungsarbeiten betreten müssen. Zum Spülen der Rinne sei es erforderlich, die Kanalabdeckungen zu entfernen. Die Mitarbeiter seien angewiesen, die Ablaufrinne nach dem Spülen wieder mit den Metallgitterrosten zu verschließen. Da der Abwasserkanal etwa 70 Zentimeter von der Maschine entfernt sei, hätte der Kläger, der langjährig an der Maschine gearbeitet habe, bei der gebotenen Aufmerksamkeit nicht in den Abwasserkanal treten müssen. Jedenfalls könne ihr, der Beklagten, eine vorsätzliche Herbeiführung des Schadens nicht vorgeworfen werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den Versicherungsfall jedenfalls nicht vorsätzlich herbeigeführt. Das Arbeitsgericht hat dies im einzelnen begründet. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine in erster Instanz gestellten Anträge unverändert weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts (Blatt 30 bis 36 der Akten) und auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
1. Erleidet ein Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall, so hat für den dadurch entstandenen Personenschaden grundsätzlich die Berufsgenossenschaft einzustehen, bei der der Arbeitnehmer auf Kosten des Unternehmers gegen Unfall versichert ist (allgemein dazu etwa BAG, Urteil vom 19. August 2004, 8 AZR 349/03, AP Nummer 4 zu § 104 SGB VII, unter B II 1 c bb (1) der Gründe, sowie SCHAUB, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Auflage 2005, § 109 Randnummer 2). Der Unternehmer ist dem Arbeitnehmer allerdings dann zum Ersatz des diesem entstandenen Personenschadens verpflichtet, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat (§ ...