Keine Haftung für einen Hörschaden durch ein Signalhorn


Keine Haftung für einen Hörschaden durch ein Signalhorn

Der Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII entfällt nach einem Urteil des LAG Nürnberg nicht schon dann, wenn ein bestimmtes und für den Gesundheitsschaden ursächliches Handeln (hier die Betätigung des Signalhorns eines Feuerwehrfahrzeuges) gewollt war, sondern nur dann, wenn auch der Gesundheitsschaden (hier ein sog. Tinnitus) für den Fall seines Eintritts gewollt war, also mindestens gebilligt, jedenfalls aber in Kauf genommen wurde.

Der Fall: Warnung mit dem Signalhorn führt zu Körperschaden

Der 1970 geborene Kläger und der Beklagte waren Beschäftigte in der Feuerwache der Kaserne in A. Der Beklagte wollte am 14.8.2018 ein Feuerwehrfahrzeug zurück zum Unterbringungsort auf dem Gelände der Feuerwache bringen. Dazu musste er einen engen Hofeinfahrtsbereich passieren. Dort saßen zwei Feuerwehrleute auf einer Parkbank und der Kläger stand mit dem Rücken zum herannahenden Feuerwehrfahrzeug auf dem Bürgersteig. Er bemerkte dieses nicht. Der Beklagte hielt das Fahrzeug an. Anschließend betätigte er kurz das Signalhorn des Fahrzeuges und setzte seine Fahrt langsam fort. Der Kläger erlitt durch das Betätigen des Signalhorns einen Gesundheitsschaden. Er begab sich in ärztliche Behandlung und war danach mehr als 18 Monate arbeitsunfähig erkrankt.

Der Unfall wurde als Arbeitsunfall anerkannt. Mit Bescheid vom 3.1.2019 wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt.

Mit Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg begehrte der Kläger Schmerzensgeld, Feststellung der Ersatzpflicht von Folgeschäden und die Erstattung vorgerichtlicher Kosten. Er trug vor, er habe durch die Betätigung des Signalhorns gesundheitliche Schäden erlitten, an denen er immer noch leide. Auf das Haftungsprivileg des § 105 SGB VII könne sich der Beklagte nicht berufen. Das Arbeitsgericht Nürnberg hat die Klage mit Urteil vom 30.5.2022 abgewiesen (Az. 3 Ca 5671/21). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass mit dem Betätigen des Signalhorns zur Warnung der umstehenden Personen eine betriebliche Tätigkeit vorgelegen habe. Der Beklagte habe auch weder das Unfallereignis noch den Personenschaden des Klägers vorsätzlich herbeigeführt. Dagegen legte der Kläger Berufung ein.

LAG: Der Haftungsausschluss des § 105 SGB VII greift ein!

Das LAG Nürnberg bestätigte dieses Urteil und wies die Berufung zurück (Urteil vom 20.12.2022, Az. 7 Sa 243/22). Zugunsten des hupenden Feuerwehrmannes greife der Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII. Nach diesem sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, nur dann zum Ersatz von Personenschäden verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben. 

Die Betätigung des Signalhorns sei betrieblich veranlasst gewesen. Es stehe in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der zu erledigenden Arbeit, das Fahrzeug an den vorgesehenen Abstellplatz zu verbringen. Das Hupen sei auf die Erledigung betrieblicher Interessen gerichtet. Dazu zähle auch die akustische Warnung anderer Mitarbeiter vor einer gefahrenträchtigen Situation beim Rangieren mit einem schweren Fahrzeug.

Für die Annahme einer vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls im Sinne des § 105 SGB VII sei außerdem ein "doppelter Vorsatz" erforderlich. Dieser muss nicht nur die Verletzungshandlung als solche, sondern auch den damit verbundenen Verletzungserfolg umfassen. Der Beklagte habe den Verletzungserfolg aber nicht gebilligt - so das LAG und führt dazu aus, dass es den Umständen nach nicht darum gegangen sei, den Kläger zu verletzen.

Wichtig für die Praxis

Solche internen Auseinandersetzungen zwischen Kollegen sind unschön und können das betriebliche Klima belasten. Arbeitgeber und deren für den Arbeitsschutz Verantwortliche müssen hier durch interne Ermittlungen sicherstellen, dass der Sachverhalt weitestmöglich aufgeklärt wird und vor allem, dass sich solche Unfälle nicht wiederholen können. Warum z. B. die am Fahrzeug vorhandene Hupe, deren Warnton in der Unfallsituation sicher vollkommen ausreichend gewesen wäre, mit dem Signalhorn gekoppelt ist, ist wenig nachvollziehbar. Üblich ist in diesem Fall, dass das Signalhorn nur auslöst, wenn beim Fahrzeug auch das blaue Warnlicht eingeschaltet ist, was dem Sachverhalt nicht zu entnehmen war.

Schlagworte zum Thema:  Haftung, Gesundheit, Arbeitsschutz, Rechtsprechung