Ingrid Dries, Uta Reiber-Gamp
Die Eigenschaften des Menschen werden in veränderbare und nicht veränderbare unterschieden.
Nicht veränderbar im Lebenszyklus sind:
- Geschlecht,
- Körperbau,
- Erbanlagen.
Keine direkte Einflussnahme möglich, aber veränderlich sind:
- Alter,
- Körpergewicht,
- Gesundheitszustand,
- physiologische Leistungsbereitschaft,
- psychische Leistungsbereitschaft, Emotionen.
Durch langfristige Prozesse veränderbar sind:
- Erfahrung,
- Fähigkeit,
- Fertigkeit,
- Bildung.
Durch kurzfristige Maßnahmen veränderbar sind:
- Ermüdung,
- Stimmung,
- Motivation,
- Konzentration.
Personalentscheidung und Arbeitsplatzgestaltung
Die menschlichen Eigenschaften können voneinander abhängig sein und sich dadurch gegenseitig beeinflussen. Die Veränderung von Eigenschaften wirkt sich auf die Beanspruchung und die Leistung aus. Das muss sowohl bei der Personenauswahl als auch bei der Arbeitsplatzgestaltung berücksichtigt werden.
1.1 Geschlecht
Beim Einsatz von Frauen ist zu bedenken, dass deren Körperkraft im Durchschnitt nur 2/3 der des Mannes beträgt. Geringere Skelettmaße verkleinern die Fläche der Wirbelkörperdeckplatten und Bandscheiben für die auftretenden Druck- und Scherkräfte. Das bedeutet eine höhere Belastung der Wirbelsäule bei gleicher Arbeitsanforderung.
Der offene Beckenboden kann die Druckkräfte beim Heben und Tragen weniger gut aufnehmen. Bei andauernder Belastung kann es zur Gebärmuttersenkung mit Störung der Blasenfunktion kommen.
Kleine Lasten (1–2 kg) können unter optimalen Arbeitsbedingungen bei einer Häufigkeit von 1.000 Mal pro Schicht als unkritisch angesehen werden. Bis 5 kg ist es Gesunden zumutbar; 15 kg sollen nur in Ausnahmefällen gehoben werden, um ein Gesundheitsrisiko zu vermeiden.
Berücksichtigung von Frauen bei der Leitmerkmalmethode
- Heben und Tragen: Die wirksame Last für Frauen wird in der Lastwichtung geringer angegeben.
- Ziehen und Schieben: Die Bewertungspunktzahl wird für Frauen mit 1,3 multipliziert und erreicht so evtl. einen höheren Risikobereich.
- Manuelle Arbeit: Hier gibt es keinen Unterschied bei der Beurteilung.
1.2 Körperbau und Erbanlagen
Beim Leistungssport weiß man es schon lange: Die Proportionen der Körperabschnitte entscheiden über die Kraftentwicklung. Kugelstoßen und Schwimmen verlangen eine gute Kraftentwicklung des Oberkörpers. Breite Schulterabstände bedeuten einen längeren Weg für die Muskeln bzw. einen längeren Kraftarm. Deshalb können athletische Typen in den Armen mehr Kraft entwickeln als zierliche, schmale Menschen.
Für das Heben und Tragen ist eine gute Kraftentwicklung in Oberkörper und Armen auch eine Voraussetzung für eine geringere Beanspruchung der Lendenwirbelsäule.
Zu beachten sind auch die durch die Konstitution bedingten unterschiedlichen Bücktypen (sind konstitutionsabhängig) und die Kraft und Beweglichkeit des "Unterbaus" (Beine).
Da der Körperbau der Frauen i. d. R. zierlicher ist als der der Männer, entstehen auch hier bei gleicher Arbeitsanforderung höhere Belastungen für Knochen, Bandscheiben, Muskeln und Bänder.
Muskeltraining
Gezieltes Muskelaufbautraining und optimales, individuelles Arbeitsplatztraining können Beanspruchungen minimieren.
1.3 Alter
Das Skelettwachstum ist erst mit ca. 21 Jahren abgeschlossen. Beschäftigte gelten bis dahin im Rahmen der Beurteilung durch die Leitmerkmalmethode als vermindert belastbar.
Sie sind im Umgang mit der Last und dem eigenen Körper wenig erfahren und oft risikobereiter. Motiviert zu zeigen, was sie alles können, belasten sie sich zu stark.
Präventionsarbeit
Besonders in jungen Jahren kann gesundes Bewegungsverhalten nachhaltig vor Spätschäden schützen. Hier müssen die jungen Mitarbeiter besonders motiviert werden, Arbeitstechnik, Ausgleichsbewegung und Ausgleichssport ernst zu nehmen. Ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze sollten gerade für junge Menschen selbstverständlich sein.
Kein Feedback vom Körper
Die Kompensationsfähigkeit des Körpers durch Muskelkraft und Risikobereitschaft ist in jungen Jahren so stark ausgeprägt, dass Fehlverhalten und zu viel Gewicht nicht als Gefährdung wahrgenommen werden.
Alternsgerechte Arbeitsplätze
Der demografische Wandel kann von Unternehmen nur bewältigt werden, wenn der Erhalt und die Förderung der Gesundheit konsequente Unternehmensziele sind. Motivation und Qualifikation der Beschäftigten spielen dabei neben der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung eine große Rolle.
Mit 40 Jahren beginnt allmählich die Knochenfestigkeit nachzulassen. Beschäftigte gelten dann im Rahmen der Beurteilung durch die Leitmerkmalmethode als vermindert belastbar.
Darüber hinaus nehmen ab:
- Muskelkraft und körperliche Leistungsfähigkeit,
- Fähigkeit der Sinnesorgane,
- Reaktionsgeschwindigkeit,
- Risikobereitschaft,
- Merkfähigkeit,
- Aktualität der Ausbildung.
Dagegen nehmen zu:
- Geübtheit,
- Arbeits- und Berufserfahrung,
- Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein,
- Qualitätsbewusstsein,
- Gesprächs- und Urteilsfähigkeit,
- Betriebstreue.
Altersgerechte Arbeitsplätze
Durch altersgerechte Arbeitsplätze können die Nachteile des Alterungsprozesses ausgeglichen...