Ingrid Dries, Uta Reiber-Gamp
2.4.1 Hierarchie der Maßnahmen
Gemäß § 2 Abs. 1 Lastenhandhabungsverordnung müssen Maßnahmen primär darauf abzielen, dass manuelle Lastenhandhabungen mit Gefährdungen für die Gesundheit der Beschäftigten vermieden werden. Wenn das nicht möglich ist, muss der Arbeitgeber auf der Basis der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 Arbeitsschutzgesetz geeignete Maßnahmen ergreifen, um eine Gefährdung der Gesundheit der Beschäftigten möglichst gering zu halten (§ 2 Abs. 2 Lastenhandhabungsverordnung).
Um Arbeitssysteme sicher zu gestalten, gibt es Ansatzpunkte im technischen, organisatorischen und personellen Bereich.
Da alle Veränderungen zur Vermeidung bzw. Verringerung von Gefährdungen mit Wechselwirkungen verbunden sind, ist eine systematische Betrachtungsweise des Arbeitssystems erforderlich.
Ziel des TOP-Modells (Abb. 5) ist es, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu finden, die die gesundheitlichen Ressourcen steigern.
Es soll ein Prozess in Gang gesetzt werden, der
- körperliche, seelische und soziale Leistungsvoraussetzungen des Menschen stärkt,
- Verhalten und Verhältnisse gleichermaßen berücksichtigt,
- Wissen und Erfahrungen der Mitarbeiter einbezieht,
- Mitwirkungsmöglichkeiten an der Gestaltung des betrieblichen Umfeldes zulässt und
- die sozialen Beziehungen und die gegenseitige Unterstützung der Mitarbeiter fördert.
Abb. 5: TOP-Modell
Als Arbeitsgrundlage in einem Arbeitskreis zur Suche von Lösungen hat sich das Sternmodell (Abb. 6) bewährt.
Abb. 6: Das Sternmodell als Grundlage für Verbesserungsvorschläge durch die Mitarbeiter
2.4.2 Technische Maßnahmen
- Automatisierung und Mechanisierung, um sich ständig wiederholende gleichartige Lastenhandhabungen zu vermeiden,
- Einsatz von Hebehilfen und Transportvorrichtungen, um Lastgewichte zu vermeiden oder zu verringern, die die Belastbarkeit überfordern.
Eine weitere Maßnahme sind ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze
- mit Hubtischen, versenkbaren Arbeitsbühnen,
- mit dem Ziel der körpernahen Lastenhandhabung,
- mit genügend Fuß- und Beinraum,
- mit ausreichendem Bewegungsraum,
- mit ebenem, rutschfestem und stabilem Boden,
- wo Schwellen, Absätze, Treppen bzw. Rampen – Stolperfallen – vermieden werden,
- mit guten Sichtverhältnissen,
- mit guten Lichtverhältnissen,
- wo extreme Temperaturen, Zugluft und Feuchtigkeit vermieden werden.
Mögliche Fragestellungen
- Sind die Maschinen, Geräte und Anlagen auf dem neuesten technischen und ergonomischen Stand? Sind z. B. die Hebe- und Tragehilfen des Unternehmens mit den Paletten des Zulieferers kompatibel?
- Ist die Standsicherheit am Arbeitsplatz gewährleistet, ohne zu ermüden?
- Können die Arbeitsmittel am Arbeitsplatz an den Nutzer angepasst werden?
- Können im Rahmen des Fertigungsverfahrens Stücke mit geringerem Gewicht produziert werden?
- Können Hebehilfen zur Verfügung gestellt werden?
- Ist der Arbeitsgegenstand – die Last – griffsicher und handlich?
2.4.3 Organisatorische Maßnahmen
- Tätigkeitswechsel, um sich ständig wiederholende gleichartige Lastenhandhabungen zu vermeiden;
- optimale Logistik und wenig Zwischenlager, um unnötige Lastenhandhabungen zu vermeiden;
- Kennzeichnung höherer Lastgewichte, die nicht verringert werden können, Angabe des Gewichtes, Angabe des Schwerpunktes;
- keine unhandlichen oder sperrigen Lasten, sonst: ergonomische Griffgestaltung, Lastanschlagpunkte vorsehen, Tragegurte;
- Vermeidung gefährlicher Lasteigenschaften, wie z. B. scharfe Kanten, undichte Flüssigkeitsbehälter;
- angemessenes Arbeitspensum;
- Verringerung des Arbeitstempos;
- ausreichende Erholungszeiten.
Mögliche Fragestellungen
- Können im Rahmen der Arbeitsorganisation und Arbeitsstrukturierung z. B. wechselnde Tätigkeiten angeboten werden?
- Sind die Arbeitsabläufe fest vorgegeben oder hat der Mitarbeiter Einfluss auf das Arbeitstempo?
- Zwingt die Arbeitsaufgabe zum Transport von schweren Lasten oder kann der Mitarbeiter die Last teilen?
- Sind in der Arbeitszeit ausreichende Pausen eingeplant? Müssen sie eingehalten werden? Die Praxis zeigt, dass mancher die Pause nutzt, um seine Stückzahl zu erhöhen.
2.4.4 Personenbezogene Maßnahmen
Unterweisung, die auf die besonderen Gefährdungen durch manuelle Lastenhandhabung eingeht. Die Unterweisung muss an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein und erforderlichenfalls regelmäßig wiederholt werden.
Vermindert belastbare Personen
Besonders unterwiesen werden müssen Berufseinsteiger, Jugendliche und junge Erwachsene, ältere Beschäftigte, sowie Beschäftigte mit besonderer Konstitution oder Disposition oder die durch Erkrankung leistungsgemindert sind. Ziehen sie den Arbeitsmediziner dazu.
Tätigkeitsbezogenes Training der Beschäftigten als Arbeitsplatztraining:
- Einsatz und korrekte Nutzung von Hilfsmitteln,
- belastungsarme Körperhaltung,
- ökonomisches Verhalten bei der Lastenhandhabung,
- Arbeitseinteilung,
- Ausgleichsübungen.
Individuelle Beratung der Beschäftigten im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge (G 46) bei nachgewiesener Gefährdungslage (§ 11 ArbSchG). Das ist keine Angebots- oder Pflichtvorsorge nach ArbMedVV.
Mögliche Fragen
- Ist das Betriebsklima offen, sodass Kritik und Verbesserungsvorschläge möglich sind...