Prof. Dr. Rainer von Kiparski †, Dipl.-Ing. Thomas Bosselmann †
Wird die Hautbarriere durch eine (Stich-)Verletzung durchbrochen, und ist das scharfe Instrument zuvor bei einem infektiösen Patienten verwendet worden, ist das Risiko einer Erregerübertragung sehr groß. Durch direkte Blut-zu-Blut-Kontakte können praktisch alle bekannten Infektionserreger übertragen werden. Es wurden auch die Übertragungen von Erregern der Tuberkulose, der Malaria, der Syphilis und von zahlreichen anderen Infektionserkrankungen dokumentiert.
Leider ist es i. d. R. nicht möglich, sofort nach einer Stichverletzung jegliches Infektionsrisiko auszuschließen. Selbst wenn innerhalb von kurzer Zeit ausgeschlossen werden kann, dass der Spender der Nadelstichverletzung infektionsrelevante Erreger in sich trägt, bleibt dennoch ein Rest Unsicherheit, da nicht alle arbeitsmedizinisch relevanten Erreger jederzeit nachweisbar sind. Unsicherheit herrscht erst recht dann, wenn der Spender unbekannt ist oder wenn nach der Untersuchung des Spenders feststeht, dass dieser Träger gefährlicher Viren wie z. B. HIV oder Hepatitis C ist.
Hepatitis C kann erst nach dem Auftreten der Infektion behandelt werden, eine postexpositionelle Prophylaxe wie bei Hepatitis B und HIV ist nicht möglich. Bis zu 6 Wochen besteht daher bei einem Betroffenen die Unsicherheit darüber, ob sich eine Hepatitis C Infektion einstellt.
Ängste vor Infektionen
Ängste vor eventuellen Infektionen spielen daher nach einer derartigen Verletzung bei den Betroffenen eine große Rolle:
- Bei Nadelstichverletzungen mit unbekannten Spenderpatienten (d. h. es ist unklar, bei welchem Patienten die Nadel vorher verwendet wurde) kann über das tatsächliche Risiko einer Infektion keinerlei Auskunft gegeben werden. Dies erzeugt bei den Betroffenen verständlicherweise Angst.
- Auch für bestimmte häufige Verletzungsmuster (Stich an einer Subkutannadel) existieren bis heute keine genauen Daten zur tatsächlichen Gefährlichkeit eines derartigen Stichs. Sicher ist nur, dass eine Infektionsgefahr nicht ausgeschlossen werden darf. Das erzeugt Angst.
- Das Problem "Nadelstichverletzung" wird teilweise von Vorgesetzten nicht ernst genommen und bagatellisiert. Ängste der Betroffenen werden dadurch jedoch eher verstärkt, da keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Risiken erfolgt und jegliche medizinische Beratung oder Behandlung ausbleibt.