Können Nudges in Form Persuasiver Technologien ein sinnvolles Mittel zur Verhaltensprävention auch beim Arbeitsschutz sein? Die Ergebnisse des Forschungsprojektes der BAuA lassen vermuten, dass Nudges Menschen im Umgang mit Maschinen tatsächlich zu sicherem Verhalten bei der Arbeit motivieren können. Dennoch können sie nach Meinung der Forscher nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden. Die BAuA-Forscher leiten aus ihrem Projekt folgende Bedingungen ab:
5.1 S-T-O-P-Prinzip muss Priorität haben
Bei allen Vorteilen kann Nudging nur als persönliche bzw. personenbezogene Maßnahme gewertet werden. Als Mittel zur Verhaltensprävention sind Nudges lediglich auf der untersten Ebene der Maßnahmenhierarchie anzusiedeln. Nur wenn Substitution sowie technische und organisatorische Maßnahmen zur Behebung eines Sicherheitsproblems nicht greifen oder nicht genügen, kann (zusätzlich) über den Einsatz von Nudges nachgedacht werden.
5.2 Einsatz nicht bei Top-Gefährdungen
Selbst erfolgreich eingesetzte Nudges schaffen es nicht, dass alle Beschäftigten ihr Verhalten ganz oder teilweise ändern. Ein relativ hohes Restrisiko, dass die Beschäftigten weiterhin unerwünschtes Verhalten an den Tag legen, bleibt daher bestehen. Dies ist nicht zuletzt deshalb der Fall, weil die Entscheidung ja explizit bei der Person bleibt und bleiben soll. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen davon absehen, Nudging-Strategien in Bereichen der Produktion anzuwenden, in denen die Gefährdungslage und das Schadensrisiko sehr hoch sind. Das gilt insbesondere für Einsatzgebiete, in denen schon einzelne Fehlhandlungen von Beschäftigten schwere Konsequenzen nach sich ziehen können – so z. B. das nicht sachgerechte Benutzen von Maschinen.
5.3 Ethnische Dimension berücksichtigen
Arbeitgeber sollten Nudges wirklich nur dann einführen, wenn sie ihren Sinn für die Sicherheit und Gesundheit der Belegschaft sorgfältig mit den potenziellen Einschränkungen der persönlichen Freiheit der einzelnen Mitarbeiter abgewogen haben. Es lässt sich aber dennoch festhalten: In Bezug auf ethische Fragen hätte der Einsatz des Nudging im Arbeitsschutz gegenüber anderen Einsatzgebieten im Gesundheitsschutz einen großen Vorteil, weil im Gegensatz zu vielen Bereichen des allgemeinen Gesundheitsschutzes, der Ernährung und des Konsums Nudges im Arbeitsschutz deutlich geringere ethische Grundsatzprobleme aufwerfen.
Beim Arbeitsschutz geht es immer ganz unmittelbar um die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten, in einigen Fällen sogar um Leben oder Tod. Sanktionen und Verbote sind daher im modernen Arbeitsschutz insbesondere in gefährlichen Arbeitsbereichen nicht nur die Normalität, sondern ein unbedingtes Muss. Die Beschäftigten nehmen daher Eingriffe in ihre persönliche Freiheit in Kauf, weil sie wissen, dass ohne sie ihre Gesundheit und teilweise sogar ihr Leben unmittelbar bedroht wären. Nudges würden allein deshalb schon kaum auf Widerstand der Belegschaften treffen. Diese Tatsache darf Unternehmen aber natürlich nicht davon abhalten, sich die Anwendung von Nudges auch aufgrund ethischer Gründe sehr genau zu überlegen.