Zusammenfassung
Nudges, wörtlich "Stupse", sind Impulse, die auf "sanfte Weise" die Handlung bzw. Wahlentscheidung einer Person beeinflussen sollen. Mittels Nudging soll der Adressat eine bestimmte Wahlentscheidung treffen, die sein Verhalten auf eine beabsichtigte Weise verändert, ohne dass dabei Verbote, Sanktionen oder aber ökonomische Anreize eine Rolle spielen. Nudging ist daher im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes insbesondere für Unternehmen interessant, die ihre Beschäftigten nicht durch Zwang oder Belehrung zu mehr Bewusstsein für die eigene Gesundheit oder die Arbeitssicherheit drängen, sondern sie durch "sanfte Steuerung" lenken wollen. In den Bereichen der Gesundheitspolitik, Public Health und des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) sind Nudging-Strategien auch in Deutschland schon recht weit verbreitet. Ganz anders dagegen die Lage beim Arbeitsschutz. Hier steht die Anwendung von Nudging-Strategien noch in den Startlöchern.
Der Artikel fasst den Status quo zur Relevanz von Nudging in der aktuellen Gesundheitsdebatte, in der ethischen Diskussion um das Nudging sowie in der bisherigen Anwendung von Nudges in der betrieblichen Praxis zusammen. Schwerpunkt des Beitrags aber bildet das erste umfassende Forschungsprojekt zum Einsatz von Nudges im Bereich der Arbeitssicherheit in Deutschland und dessen Ergebnisse. Welche Lehren lassen sich aus diesen ersten Forschungsergebnissen für die betriebliche Praxis ziehen? Kann Nudging auch beim Thema Arbeitssicherheit funktionieren? Darauf gibt es erste Antworten, die in diesem Artikel dargestellt werden.
1 Bedeutung in der aktuellen Gesundheitsdiskussion
Das Thema Nudging hat Hochkonjunktur in der aktuellen Gesundheitsdebatte, egal ob aus staatlicher oder privatwirtschaftlicher Perspektive. Was sind die Gründe dafür? Eine Reihe von Studien zum Essverhalten oder auch zur Entscheidungsfindung allgemein zeigt, dass das Verhalten von Menschen stärker als lange angenommen von Umgebungsfaktoren, wie beispielsweise der Innengestaltung der Räume oder der baulichen Infrastruktur, beeinflusst wird. Derartige Umfeldfaktoren können durch die Politik oder Unternehmen zielgerichtet verändert werden, um Menschen implizit zu verändertem Verhalten zu bewegen.
Nudging ist für die Initiatoren insbesondere deshalb reizvoll, weil sie damit nicht sanktionierend oder paternalistisch auftreten und dennoch ihre Bürger und Mitarbeiter in eine bestimmte Richtung lenken können. Im Bereich der Gesundheitspolitik wird Nudging daher zunehmend zum Mittel der Wahl. So werden Verbraucher durch eine Lebensmittelampel ("Nutri-Scores") auf den Produkten dazu "angestupst", sich gesünder zu ernähren, respektive sich für die gesündere von 2 Alternativen zu entscheiden. Eine solche "Ampel" kann theoretisch auch jedes Unternehmen in der eigenen Betriebskantine einführen. Weitere bedeutsame Beispiele sind die Attraktivität von Produktverpackungen: Abstoßende Bilder auf Zigarettenpackungen halten Umfragen zufolge tatsächlich viele Menschen vom Rauchen ab. Dieser Effekt wird vom Gesundheitsministerium nun auch in dessen Strategie gegen Adipositas (Fettsucht) nutzbar gemacht – Verpackungen von besonders fett- und salzhaltigen Produkten sollen weniger attraktiv gestaltet werden, um Verbraucher vom Kauf abzuhalten.
2 Nudging-Strategien in der betrieblichen Praxis
Welche Nudging-Instrumente werden in deutschen Unternehmen bereits angewendet? Besonders weite Verbreitung haben Nudges, die lediglich Informationen vermitteln und somit auch leicht umzusetzen sind. Z. B. Hinweisschilder an Aufzügen, welche den Beschäftigten mitteilen, dass Treppensteigen vielleicht mühsamer als Aufzugfahren ist, dafür aber Muskulatur und Herz-Kreislaufsystem jung und fit hält. Noch wirksamer sind "vergleichende" Hinweise, wenn etwa der Beschäftigte über Newsletter oder andere innerbetriebliche Informationskanäle informiert wird, dass eine bestimmte Prozentzahl der Kollegen bereits erfolgreich an betrieblichen Yoga- oder Fitnesskursen teilnimmt.
In den vergangenen Jahren hat sich ein weiterer Nudging-Trend durchgesetzt: "Gamification". Die Intention dahinter: Mit Spielspaß und sportlichem Wettbewerb soll das Verhalten der Beschäftigten gesundheitsorientierter werden. So haben viele Unternehmen sog. "Schrittzähler-Challenges" eingeführt, bei denen einzelne Beschäftigte oder Teams gegeneinander antreten und für einen bestimmten Zeitraum ihre Schritte tracken bzw. zählen. Diese sportliche Herausforderung wird durch motivierende Zielsetzungen seitens der Unternehmensführung noch verstärkt: Welcher Beschäftigte/welches Team schafft es, (virtuell) alle Unternehmensstandorte abzugehen oder einmal den Erdball zu umrunden? Mit Spiel und Wettbewerb unter den Beschäftigten sollen möglichst alle Beschäftigten erreicht werden. Ob dies in der Praxis immer so aufgeht, sei dahingestellt, da neben dem ohnehin schon präsenten Wettbewerbsdruck innerhalb des Unternehmens noch der "sportliche" Wettbewerbsdruck durch die Games hinzukommt – für einige Beschäftigte eventuell mehr eine psychische Belastung als eine Motivation.
Ein weiteres, berei...