Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Viele Beschäftigte erleben einen wachsenden Zeit- und Leistungsdruck bei der Arbeit und eingeschränkte Möglichkeiten, sich um Freizeit, Familie und Gesundheit zu kümmern. Durch die fehlende Balance zwischen Arbeit und "dem Rest des Lebens" entstehen jedoch Unzufriedenheit oder private Konflikte. Dies kann sich aufschaukelnde Prozesse im Sinne eines Teufelskreises auslösen: wegen der hohen Stressbelastung bei der Arbeit ist die Fähigkeit zum Abschalten und Regenieren gestört. So kann in den Erholungszeiten nicht ausreichend Regeneration der körperlichen und psychischen Energien stattfinden, was dazu führt, dass die Arbeit als noch belastendender und überfordernder erlebt wird. Auf die Dauer können so körperliche und psychische Beschwerden auftreten, wie Gereiztheit, Depressivität, Burnout und Kreislauf- oder Magen-Darmstörungen.
Das Thema "Detachment" – damit ist das Abstandgewinnen und Abschalten von der Arbeit gemeint – ist sehr wichtig, um die individuelle Energiebilanz wiederherzustellen, wie eine Übersicht über den aktuellen Forschungsstand zur psychischen Belastung zeigt. Viele Beschäftigte und auch viele Firmen nehmen diesen Faktor nicht ernst genug, da die aktuellen Arbeitsaufgaben immer als wichtiger angesehen werden. Um die Arbeitsfähigkeit und Motivation auch langfristig zu erhalten, sollten auch Arbeitgeber den Mitarbeitern Angebote dazu machen.
Sinnvoll ist es deswegen für Führungskräfte und Mitarbeiter, immer einmal wieder aus dem Alltag herauszutreten, um Abstand zu gewinnen und sich mit den eigenen Prioritäten und Zielen auseinanderzusetzen. So kann die zukünftige Energie- und Zeiteinteilung bewusster gestaltet werden. Psychische Beschwerden können auf diese Weise von vornherein verhindert werden. Daher gehören Angebote zur Verbesserung der individuellen Life-Domain-Balance ebenfalls zu den allgemein empfehlenswerten gesundheitsförderlichen Maßnahmen in Betrieben. Diese Angebote können in Form von Seminaren oder als individuelle Coachings stattfinden.
Zu den Bausteinen eines Life-Domain-Balance-Workshops gehören z. B.:
- Analysieren der persönlichen Lebenssituation: Zufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation, eigener Energielevel,
- Bewusstwerden über eigene Werte, Ziele und Prioritäten im Leben,
- Auseinandersetzung mit der persönlichen Zeit- und Energieverteilung: Wofür werden die eigene Zeit und Energie zurzeit eingesetzt? Wie verteilt sich die Zeit und Energie auf das Arbeits- und Privatleben?,
- Erkennen der vorhandenen Ressourcen und Möglichkeiten, Energie zu gewinnen,
- Neuordnung der Verausgabung von Energie bzw. des Einsatzes der eigenen Zeit entsprechend den Prioritäten, die von den eigenen Werten und Zielen bestimmt werden.
Inhalt guter Seminare
Gute Seminare zur Life-Domain-Balance beinhalten eine tiefgehende Auseinandersetzung der Teilnehmer mit ihrer eigenen Lebenssituation und -planung sowie den eigenen Werten und Prioritäten im Leben. Sie sollten sich daher nicht auf das oberflächliche Vermitteln von Techniken beschränken. Eine Durchführung der Seminare außerhalb der Arbeitsstätte ist sinnvoll, um den nötigen Abstand zum Alltag zu ermöglichen.